Samstag, 30. Juni 2007
2007-6-24
24.Juni 2007
Sonntagspicknick mit wohlhabenden Sansibaris. Etwas ganz besonderes, denn Afrikaner reisen normalerweise nur an Hochzeiten und Begräbnisse, allgemein um Verwandte zu besuchen. Oder wegen der Arbeit oder eines Geschäftes. Nicht einfach aus Neugier, um etwas Neues zu sehen. Auch nicht zur Entspannung, da bleibt man besser zu Hause. Ich werde also von einer speziellen Familie zum Sonntagsausflug eingeladen. Bekannte von Ali finden, man sollte mir die Insel zeigen. Und Swahili lernen könne ich auch gleich noch. Wobei ich sehr rasch merke, dass mindestens die älteren Kinder, ab 10 jährig, und der Vater weit besser Englisch sprechen als ich Swahili, was meine Energie dämpft.
Ich soll um elf Uhr morgens bereit sein. Um halb zwölf kommt mich ein Auto mit dem Vater und dem 10-jährigen Sohn abholen. Die Fahrt geht in einen besseren Vorort, wo wir vor einem Einfamilienhaus aussteigen. Die Hausfrau begrüsst uns im „Kanga“, einem umgebundenen Tuch, sieht aus, als komme sie gerade aus der Dusche, und startet ein Video. Die Geburtstagsparty der 2-jährigen jüngsten Tochter. Sehr aufwändig, sowohl das Fest als auch das gut halbstündige Video, das von Profis gedreht wurde. Viele Videoeffekte sind eingebaut, der Einspann ist vor Fotos aus der Schweiz oder einem anderen gebirgigen Land gelegt, nicht nach meinem Geschmack, doch alles professionell gemacht. Genau gleich verhält es sich mit der Einrichtung in diesem Raum.
Um 1 Uhr ist man dann abfahrtbereit. 9 Erwachsene und 6 Kinder steigen in einen Minibus ein. Im Gepäck drei grosse Plastikeimer mit Essen, einige Plasiksäcke voller Früchte, Wasser und zwei „mkekas“, Bodenmatten. Die 1-stündige Fahrt endet vor einem Guesthouse in Jambiani, an der Südostküste Sansibars. Der Ferienort ist gänzlich ausgestorben, offensichtlich hat die Saison noch nicht begonnen, keine Gäste weit und breit. Wir bekommen einen grossen Pavillon mit Betten für 5 Personen, TV und Toilette zugeteilt und auf der Terrasse werden sofort die Matten ausgebreitet, das Essen aufgeschichtet. Der Besitzer des Hotels ist ein Freund des Familienvaters. Stolz zeigt er uns seinen 35'000.- Dollar teuren Offroader. Ganz neu aus dem Oman. Das Tourismusgeschäft muss also doch rentieren. - Oder er ist ein guter Schuldenmacher.
Gegessen wird Pilau, ein Reisgericht mit Poulet, von Hand aus grossen Tellern. Einer für die Kinder, einer für die Erwachsenen. Ich habe Schwierigkeiten, den Reis – ohne die Hälfte davon auf dem Weg zu verlieren – bis zum Mund zu führen. Man bemerkt dies und gibt mir einen separaten Teller. Den Löffel allerdings lehne ich ab, aus dem eigenen Teller bin ich es gewohnt von Hand zu essen. Papaya und die hier reifenden säuerlich-zähen Orangen - mit denen ich mich wohl nie anfreunden werde - gibt es zur Nachspeise, die Jugend sitzt bereits vor dem TV, ich erhebe mich, um einen Spaziergang den Strand entlang zu machen. Sofort stehen die zwei halbwüchsigen Jungen auf und begleiten mich. Mir wird bewusst, dass eine Frau hier nicht alleine spazieren geht. Mindestens auf eine Begleitung der heranwachsenden Frauen hätte ich warten müssen. Doch die sitzen bereits vor dem TV.
Schwarze Wolken ziehen auf und plötzlich weht ein – scheint mir – eisigkalter starker Wind. Ich bin froh, wieder zurück zum Hotel zu kommen. Die Mutter, eine enorm mächtige Frau, liegt auf einem Bett und frägt mich, ob ich mich nicht auch ausruhen wolle. Ich lehne dankend ab und suche vergeblich nach einem Ort, wo ich mich etwas aufwärmen könnte. Später kommt dann ein zweiter Minibus mit nochmals einer ganzen Familie, Kind und Kegel gedrängt, Verwandte eben, man will den Tag gemeinsam geniessen. Die riesige Schar von Kindern springt ins Wasser und auch die voluminöse Mutter stürzt sich im Trainingsanzug in die Fluten. Ihre Schwester, eine schwarz verhüllte Frau, die in der Stadt meist auch noch ein Tuch vor dem Mund hat - nur die Augen sind dann sichtbar - schaut ihr mit den übrigen Frauen vom Ufer her zu. Es ist kaum möglich festzustellen, welches Kind zu welcher Mutter gehört. Bei manchen finde ich es bis am Schluss nicht heraus. Gemeinsam wird zu den Kleinen geschaut, da helfen auch die Jugendlichen mit. Die Mütter kümmern sich nicht besonders stark um die eigenen Kinder.
Mir ist heute eindeutig nicht nach Baden zumute, zu eisig weht der Wind.
Bis alle Kinder nach dem Bade „entsandet“ und geduscht sind dauert es eine rechte Weile, es dämmert bereits etwas. Nun beginnen die Frauen sich gegenseitig Zöpfchen zu flechten und mir wird klar, dass wir sicher erst spät zurück in die Stadt kommen werden. Nochmals gibt es zu essen, Kartoffeln in einer säuerlich künstlich-roten Tomatensauce, ein Kokosnusschuteny und Bällchen aus irgendetwas eher Trockenem, das jedoch mit Sauce sehr gut schmeckt. Die Mutter kocht gerne, das sieht man ihr auch an. Nun geht es ans Aufräumen und ich bin erstaunt, wie sauber der Ort hinterlassen wird. Alle Jugendlichen helfen mit, Knaben wie Mädchen, und scheinen ein eingespieltes Team zu sein, schliesslich geht man jedes Wochenende irgendwo picknicken - wie sie das nennen. Auch das Aufräumen ist sicher nicht typisch afrikanisch, ich wurde von einer gebildeten Familie eingeladen.
Ich frage am Abend den Ali, womit denn dieser Freund sein Leben verdiene. Er arbeite für die Regierung und handle nebenbei mit Autos, die er gebraucht nach Sansibar einführe. Mir wird einiges klar. Schade eigentlich, ich fand den Vater sehr nett. Trotzdem habe ich nun das Gefühl, dass er nicht rechtens, mindestens nicht für mein Empfinden, zu seinem Wohlstand gekommen ist. – Obwohl er sicherlich noch nicht zu den Schlimmsten gehört. Die wohnen in weit protzigeren Villen und fahren teurere Fahrzeuge.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen