Samstag, 30. Juni 2007

2007-6-25


25. Juni

Der Start des Tages ist schlecht. Ali weckt mich um sechs Uhr morgens auf, wo dies doch der Zeitpunkt ist, zu dem wir hätten Abfahren sollen um rechtzeitig am Flughafen zu sein für den Flug von 6Uhr45. Ich schaffe es, in einer Viertelstunde bereit zu sein. Auf der Fahrt zum Flughafen setzt auch noch ein eisiger Regen ein, der aus dem dämmrig verhangenen Himmel fällt. Klitschnass erreichen wir den Flughafen gerade noch rechtzeitig.

Daresaalam, 22.Juni 10 Uhr morgens. Ich sehe auf der elektronischen Anzeige am Strassenrand, dass es 22 Grad warm ist. Für die Tropen unanständig kühl. Und werde nie begreifen, weshalb selbst bei solchen Temperaturen in teuren Restaurants – hier im Zentrum gibt es nur noch Banken, Büros, teure Restaurants und luxuriöse Läden – überall die Klimaanlagen laufen und die Räume zusätzlich kühlen. Auch nach einem heissen Tee wird uns nur langsam wärmer.

Daresaalam ist ein merkwürdiges Gemisch aus einer Drittweltstadt und einer Grossstadt, wie man sie überall auf der Welt antreffen kann. Unheimlich viele Hochhäuser werden momentan hochgezogen, ganze Quartiere ausradiert. Im Zentrum wurde stark „aufgeräumt“. Kaum mehr Strassenhändler, wenige Bettler, eigentlich recht sauber. Exotisch sind vor allem die Kleider der Frauen. Zwischen modern westlich mit viel nackter Haut, traditionell westlich mit langen Kleidern und Rüschchen, über traditionell afrikanisch, üppige Frauen in bunt wippenden Gewändern und Tüchern, bis hin zum „Sansibari-Typ“, den islamisch verschleierten Frauen. Die Männer sind da weniger traditionsbewusst. Die meisten kleiden sich westlich. Am liebsten in schicken Anzügen und Kravatte.
Auffällig sind weiter die vielen sehr voluminösen Frauen. Genug Essen zu haben ist eben immer noch ein Privileg. Wenn man es sich leisten kann, dann isst man. Gänzlich anders als bei uns, sind diese fetten Frauen sehr selbstbewusst und stolz. Und wirken dadurch trotz ihres Umfanges irgendwie graziös und begehrenswert. – Die Kehrseite davon: Sehr viele Leute hier leiden an Diabetes und Bluthochdruck, zwei weit verbreiteten Leiden.

Mit dem letzten Flug des Tages wollen wir zurück nach Sansibar fliegen. Ich bin froh, aus dieser lärmigen, unheimlich müde machenden Stadt wegzukommen. Obwohl wir heute Glück hatten. Am Morgen war es zwar kühl, doch dafür war der Rest des Tages sehr angenehm. Normalerweise ist Daresaalam eine brutheisse Stadt. Jetzt freue ich mich auf den 20 minütigen Flug mit einem kleinen Flugzeug, der gerade während des Sonnenunterganges stattfinden sollte. Allerdings hat das Flugzeug dann Verspätung, so dass wir erst bei Dunkelheit abfliegen. Die Lichter der Grossstadt sind trotzdem schön.
Fliegen ist, wenn man die Flughafentaxen und die Taxifahrt vom Flughafen in die Stadt dazu rechnet, gut doppelt so teuer wie das Schnellboot. Ich leiste mir den Flug, weil momentan das Meer von dem starken Südwestwind, der die kühle Jahreszeit begleitet, aufgewühlt ist und ich alles andere als seetüchtig bin. - Dabei wurde gerade diese Jahreszeit von den arabischen Händlern, die in Sansibar Geschäfte machten, für ihre Rückreise geschätzt. Sehr schnell treibt der Wind die Dahus, die alten Segelschiffe, die auch heute noch ein beliebtes und billiges Transportmittel sind, Richtung Norden. Eine Fahrt in Gegenrichtung ist allerdings mit den schwer manövrierbaren Gefährten kaum möglich. Erst ein halbes Jahr später, mit dem Nordwestmonsun kamen früher die Händler zurück nach Sansibar.

2007-6-24




24.Juni 2007

Sonntagspicknick mit wohlhabenden Sansibaris. Etwas ganz besonderes, denn Afrikaner reisen normalerweise nur an Hochzeiten und Begräbnisse, allgemein um Verwandte zu besuchen. Oder wegen der Arbeit oder eines Geschäftes. Nicht einfach aus Neugier, um etwas Neues zu sehen. Auch nicht zur Entspannung, da bleibt man besser zu Hause. Ich werde also von einer speziellen Familie zum Sonntagsausflug eingeladen. Bekannte von Ali finden, man sollte mir die Insel zeigen. Und Swahili lernen könne ich auch gleich noch. Wobei ich sehr rasch merke, dass mindestens die älteren Kinder, ab 10 jährig, und der Vater weit besser Englisch sprechen als ich Swahili, was meine Energie dämpft.
Ich soll um elf Uhr morgens bereit sein. Um halb zwölf kommt mich ein Auto mit dem Vater und dem 10-jährigen Sohn abholen. Die Fahrt geht in einen besseren Vorort, wo wir vor einem Einfamilienhaus aussteigen. Die Hausfrau begrüsst uns im „Kanga“, einem umgebundenen Tuch, sieht aus, als komme sie gerade aus der Dusche, und startet ein Video. Die Geburtstagsparty der 2-jährigen jüngsten Tochter. Sehr aufwändig, sowohl das Fest als auch das gut halbstündige Video, das von Profis gedreht wurde. Viele Videoeffekte sind eingebaut, der Einspann ist vor Fotos aus der Schweiz oder einem anderen gebirgigen Land gelegt, nicht nach meinem Geschmack, doch alles professionell gemacht. Genau gleich verhält es sich mit der Einrichtung in diesem Raum.

Um 1 Uhr ist man dann abfahrtbereit. 9 Erwachsene und 6 Kinder steigen in einen Minibus ein. Im Gepäck drei grosse Plastikeimer mit Essen, einige Plasiksäcke voller Früchte, Wasser und zwei „mkekas“, Bodenmatten. Die 1-stündige Fahrt endet vor einem Guesthouse in Jambiani, an der Südostküste Sansibars. Der Ferienort ist gänzlich ausgestorben, offensichtlich hat die Saison noch nicht begonnen, keine Gäste weit und breit. Wir bekommen einen grossen Pavillon mit Betten für 5 Personen, TV und Toilette zugeteilt und auf der Terrasse werden sofort die Matten ausgebreitet, das Essen aufgeschichtet. Der Besitzer des Hotels ist ein Freund des Familienvaters. Stolz zeigt er uns seinen 35'000.- Dollar teuren Offroader. Ganz neu aus dem Oman. Das Tourismusgeschäft muss also doch rentieren. - Oder er ist ein guter Schuldenmacher.
Gegessen wird Pilau, ein Reisgericht mit Poulet, von Hand aus grossen Tellern. Einer für die Kinder, einer für die Erwachsenen. Ich habe Schwierigkeiten, den Reis – ohne die Hälfte davon auf dem Weg zu verlieren – bis zum Mund zu führen. Man bemerkt dies und gibt mir einen separaten Teller. Den Löffel allerdings lehne ich ab, aus dem eigenen Teller bin ich es gewohnt von Hand zu essen. Papaya und die hier reifenden säuerlich-zähen Orangen - mit denen ich mich wohl nie anfreunden werde - gibt es zur Nachspeise, die Jugend sitzt bereits vor dem TV, ich erhebe mich, um einen Spaziergang den Strand entlang zu machen. Sofort stehen die zwei halbwüchsigen Jungen auf und begleiten mich. Mir wird bewusst, dass eine Frau hier nicht alleine spazieren geht. Mindestens auf eine Begleitung der heranwachsenden Frauen hätte ich warten müssen. Doch die sitzen bereits vor dem TV.
Schwarze Wolken ziehen auf und plötzlich weht ein – scheint mir – eisigkalter starker Wind. Ich bin froh, wieder zurück zum Hotel zu kommen. Die Mutter, eine enorm mächtige Frau, liegt auf einem Bett und frägt mich, ob ich mich nicht auch ausruhen wolle. Ich lehne dankend ab und suche vergeblich nach einem Ort, wo ich mich etwas aufwärmen könnte. Später kommt dann ein zweiter Minibus mit nochmals einer ganzen Familie, Kind und Kegel gedrängt, Verwandte eben, man will den Tag gemeinsam geniessen. Die riesige Schar von Kindern springt ins Wasser und auch die voluminöse Mutter stürzt sich im Trainingsanzug in die Fluten. Ihre Schwester, eine schwarz verhüllte Frau, die in der Stadt meist auch noch ein Tuch vor dem Mund hat - nur die Augen sind dann sichtbar - schaut ihr mit den übrigen Frauen vom Ufer her zu. Es ist kaum möglich festzustellen, welches Kind zu welcher Mutter gehört. Bei manchen finde ich es bis am Schluss nicht heraus. Gemeinsam wird zu den Kleinen geschaut, da helfen auch die Jugendlichen mit. Die Mütter kümmern sich nicht besonders stark um die eigenen Kinder.
Mir ist heute eindeutig nicht nach Baden zumute, zu eisig weht der Wind.

Bis alle Kinder nach dem Bade „entsandet“ und geduscht sind dauert es eine rechte Weile, es dämmert bereits etwas. Nun beginnen die Frauen sich gegenseitig Zöpfchen zu flechten und mir wird klar, dass wir sicher erst spät zurück in die Stadt kommen werden. Nochmals gibt es zu essen, Kartoffeln in einer säuerlich künstlich-roten Tomatensauce, ein Kokosnusschuteny und Bällchen aus irgendetwas eher Trockenem, das jedoch mit Sauce sehr gut schmeckt. Die Mutter kocht gerne, das sieht man ihr auch an. Nun geht es ans Aufräumen und ich bin erstaunt, wie sauber der Ort hinterlassen wird. Alle Jugendlichen helfen mit, Knaben wie Mädchen, und scheinen ein eingespieltes Team zu sein, schliesslich geht man jedes Wochenende irgendwo picknicken - wie sie das nennen. Auch das Aufräumen ist sicher nicht typisch afrikanisch, ich wurde von einer gebildeten Familie eingeladen.

Ich frage am Abend den Ali, womit denn dieser Freund sein Leben verdiene. Er arbeite für die Regierung und handle nebenbei mit Autos, die er gebraucht nach Sansibar einführe. Mir wird einiges klar. Schade eigentlich, ich fand den Vater sehr nett. Trotzdem habe ich nun das Gefühl, dass er nicht rechtens, mindestens nicht für mein Empfinden, zu seinem Wohlstand gekommen ist. – Obwohl er sicherlich noch nicht zu den Schlimmsten gehört. Die wohnen in weit protzigeren Villen und fahren teurere Fahrzeuge.

2007-06-27


23. Juni 2007-06-27

Zwei Geistesgestörte werden im „Lukmaan“ regelmässig verpflegt. Ehemalige Krigesveteranen aus dem Uganda-Krieg sollen es sein, jetzt sind sie verlumpte Bettler. Ich finde das schön, in einem Land, wo der Staat seine Pflicht nicht wahrnimmt, da müssen eben alle etwas schauen und dies gebietet ihnen ja auch der Islam. Einer der Geistesgestörten ist sehr mürrisch und unangenehm, würde sich nie bedanken und wird zum Essen meistens hinausgeschickt, da er die übrigen Gäste belästigt. Der andere ist unbeständiger. Manchmal sehr unterwürfig freundlich, scheu auch, will vor niemandes Augen essen, verkriecht sich in eine Ecke, Rücken zum Raum, oder geht hinaus. Heute ist er merkwürdig aggressiv, streitlustig. Setzt sich an den Tisch von zwei weissen Trampern und beginnt zu schimpfen. Wie meistens, hat keiner der Angestellten Lust, sich mit ihm anzulegen. Das scheint mir ebenfalls typisch afrikanisch: Die Leute schauen bei Spannungen einfach weg, wollen sich nicht einmischen, versuchen das Problem zu übersehen. Endlich geht Ali an den Tisch und spricht mit dem Verrückten. Doch der Mann lässt sich nicht beruhigen. Ist mit seiner Essensration, die er heute abgepackt zum Draussen essen kriegt, nicht zufrieden. Steht schliesslich auf, geht zum Ausgang und wirft die Glastüre heftig zu und stemmt sich dann von draussen dagegen. Ali gelingt es nach einer Weile, die Türe zu öffnen, er verschwindet ebenfalls. Ich nehme an, er versuche den Mann doch noch zu besänftigen.
Inzwischen wird hier drinnen wild durcheinander von Gästen und Personal palavriert und gestikuliert, die Treppe draussen mit Wasser gewaschen. Ich vermute, dass der Irre dort irgendetwas Schmutziges hingeworfen oder gemacht habe. Als Ali dann sehr lange wegbleibt beginne ich mich zu sorgen und frage. Ali habe den Finger zwischen Tür und Rahmen gehabt, der sei zerquetscht und er zu der Krankenstation am Ende der Strasse gegangen.

Ich bin irritiert ob Alis Kaltblütigkeit. Keinen Ton hat er von sich gegeben. Den Finger mit Papierservietten umwickelt und dem Personal Anweisung gegeben, das Blut wegzuwischen. Denn Blut ist im Islam etwas sehr Unangenehmes, etwas, das man nicht sehen sollte. – Später finde ich Ali in der Krankenstation, wo ihm eine Krankenschwester den Nagel des kleinen Fingers entfernt hat und versucht, mit Verbänden das Blut zu stoppen, das aus der halb abgeschnittenen Fingerkuppe fliesst. Ich schaue in den Abfalleimer davor und sehe lauter blutdurchtränkter Gazen. Mir wird schwindlig, ich muss mich hinlegen. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Im besten Spital Sansibars wird Alis kleiner Finger später genäht, er kriegt eine Tethanusimpfung und einen anständigen Verband. Für 25.-SFR. Die Krankenstation hat nur 3.50 gekostet.

Ich finde, das sei ungerecht. Er, der doch immer zu diesen Leuten schaue, Gratisessen und alles und nun passiere das gerade ihm. Ali findet, das sei Schicksal. Es gebe eben zwei Sorten von Schicksal. Unfälle oder Krankheiten, die man selbst verursache, indem man unachtsam sei oder gesundheitsschädigende Sachen mache, zum Beispiel rauche. Andere würden von Allah gesendet. Um einem selbst zu testen. Die Geduld die man habe. Oder dann die umgebenden Personen, wie aufmerksam die Angehörigen sich um den Kranken kümmerten, ihn pflegten. Das sei dann wie ein Test, der bestanden werden müsse.

Dienstag, 26. Juni 2007

22. Juni 2007


22.Juni 2007

Die kühle Winterzeit hat nun endgültig begonnen. Seit gut zwei Wochen hat es keinen Regen mehr gegeben. Häufig recht starke Windböen, vor allem in der Nacht. Sie lassen die Fensterläden der vielen verlotterten Häuser hier unruhig klappern. Am Morgen braucht es einige Überwindung, mit dem jetzt kalten Wasser zu duschen, denn auch die Temperaturen sind des Nachts und am frühen Morgen schon fast kühl. Ich muss ein Thermometer kaufen, es wird schwierig zu sagen, wie warm es wirklich ist. Mindestens ist Josephine, meine Swahili Lehrerin, darüber erstaunt, dass ich, die doch aus einem kalten Land komme, finde, es sei nun kühl. Doch nach drei Monaten Tropen hat sich mein Körper eben an die hiesigen Temperaturen gewöhnt.
Eigentlich ein sehr angenehmes Klima momentan. Unangenehm ist das lange Ausbleiben von Regen. Alles ist sehr staubig geworden und die drei Häuser, die in unserer Umgebung im Moment renoviert werden, bringen zusätzlichen Schmutz mit sich. Jeden Tag liegt eine dicke Schicht Staub auf dem Fussboden. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass die Wohnung hier viel schneller schmutzig wird. Doch vielleicht wäre das auch in der Schweiz schlimmer, wenn wir dauernd die Fenster weit geöffnet hätten. Schliesslich sind wir hier im Shangani-Quartier verwöhnt, praktisch alle Gassen sind asphaltiert. Wobei da natürlich immer Stellen offen bleiben, sich irgendwo grosse Löcher im Aspahlt auftun.
Ein weiteres Problem ist das Giesswasser für die Pflanzen. Unser Wasser, das wir von der gegenüberliegenden Moschee beziehen, ist sehr salzhaltig, zu nahe offensichtlich ist die Wasserfassung vom Meer gelegen. Die Pflanzen vertragen das schlecht. Ohne Regenwasser müssen wir jetzt das Giesswasser von der Fassung beim Restaurant herbringen, dort ist die Wasserqualität viel besser. Das Teewasser übrigens ebenfalls, das Getränk schmeckt sonst merkwürdig. Einzig für Suppen eignet sich unser „vorgesalzenes“ Wasser.

Auch unser Nachbar, der Besitzer des “Mazons Hotel“ rechnet offensichtlich damit, dass die Trockenheit hier andauern wird. Er hat seinen riesigen Industriegeneratoren, gross wie ein Container, wieder repariert. Damit konnte er während der trockenen Zeit letzten Herbst verschiedene Hotels mit Strom beliefern, denn die staatliche Stromversorgung war zusammengebrochen. Täglich wurde für vier Stunden der Strom abgestellt, weil die Stauseen auf dem Festland – Sansibar bezieht seinen Strom von dort – leer waren. Ein Problem, wie Ali meint, das seit mindestens zehn Jahren hier ungelöst sei. Und da beklage man sich nun über die Klimaveränderung. Da sei doch ganz anderes daran schuld.
Zwei Nachmittage bereits ist dieser Generator, der einen fürchterlichen Krach macht, und den man auch hier, eine Häuserzeile entfernt davon noch hört, wieder gelaufen. Ich verstehe nicht, wie man solch ein Ding mitten in dem Touristenquartier dulden kann. Wenn ich Gast vom „Mazon’s Hotel“ wäre mindestens, würde ich dort schleunigst wieder ausziehen. Ich beschwere mich bei der Rezeption darüber, dass dieser Generator jetzt, wo es doch gar keine Stromausfälle gebe, laufe. Man beschwichtigt mich, dass sei nur eine Revision. Ali hingegen meint, die hätten vielleicht kein Geld, um ihre Stromrechnung zu begleichen, aber noch etwas Dieselbenzin übrig. Man weiss sich hier eben zu helfen....

Heute Morgen habe ich in unserem Badezimmer Jagd auf Moskitos gemacht. Nachdem ich fünf Stück erwischt hatte, war ich ganz zufrieden und um mich mit dem tapferen Schneiderlein zu messen, das doch ganze sieben auf einen Streich getötet hat, habe ich mich noch etwas mehr angestrengt und dann sogar noch eine sechst Mücke erwischt. Als ich aber dann eine siebente und eine achte wahrnahm gab ich auf, schloss die Fenster und sprühte Chemie. – Auch Josephine beklagt sich über die vielen Moskitos momentan. Die kommen eben nicht während der grossen Regen, sondern danach. Im Februar seien doch vom Staat her, mit Hilfe der Amerikaner alle Häuser behandelt worden. Sie verstehe nicht, weshalb die Mücken sich bereits wieder derartig vermehrt hätten. Doch dann stellen wir fest, dass es wohl sehr viele Moskitos hat, doch umgekehrt kaum Leute mit Malaria. In den Nachrichten hätten sie gemeldet, dass die Malaria in Sansibar am abnehmen sei. Und fragen uns dann, ob es wohl möglich sei, dass dieses Insektizid nur spezifisch auf Mücken wirke, die diese Krankheit übertragen. Ich kann mir das nicht recht vorstellen, will dem jedoch nachgehen. Dafür sprechen würde auch, dass, wie es heisst, Malariamücken nur in der Dämmerung und des nachts aktiv sind. Die momentane Mückenzunft jedoch, ist fast den ganzen Tag über sichtbar. Und auch hungrig.

Lukmaan, das Restaurant hat immer noch grosse Mühe. Selbst an guten Tagen, wo alles Essen verkauft wird, ist am Abend kaum genug Geld da, um die laufenden Kosten zu decken. Das sei doch nicht möglich, finde ich, man müsse herausfinden, wo denn genau das Geld hingehe. Das sei halt, erwidert Othmani, als wir zu dritt zusammensitzen, weil da immer noch Schulden von den Vortagen bestünden. Ich bestehe darauf, dass man jetzt einmal ein paar Tage genau aufschreiben müsse, was ausgegeben worden sei (was sie auch tun) und damit vergleichen, wieviel der Speisen dann effektiv auch verkauft, beziehungsweise bezahlt würden. Denn entweder seien die Preise einfach zu tief, die Kosten zu hoch, oder zu viele Speisen würden ohne Einnahmen von den Angestellten oder auch den zugehörigen Familien gratis verspeist. Oder irgendjemand sei nicht ehrlich und stehle Geld – auch an dies muss man hier leider immer denken. Dann wisse man wenigstens, wo das Problem sei. Die Lösung allerdings ist dann ein weiterer Schritt. Die Preise könnten, wie man mir beteuert, unmöglich erhöht werden, denn sonst habe man einfach keine Kundschaft mehr. Auch das Senken der Kosten dürfte schwierig sein, doch wenigstens wüsste man nach einer genauen Analyse, wo genau die höchsten Kosten sind. Beim Gas sicherlich, das kostet täglich etwa 35.-SFR, aber das ist schwierig zu umgehen, denn in der kleinen Küche kann unmöglich mit Holz oder Kohle gekocht werden, das gibt einfach zuviel Rauch und Hitze, diese Erfahrung hat man bereits gemacht. Auch bin ich prinzipiell gegen diese Brennstoffe. Sansibar ist mit seinen 400 Einwohnern pro Quadratkilometern sowieso bereits sehr dicht besiedelt, der Druck auf die Natur ist riesig, die Wälder haben keine Zeit sich zu erholen. Also selbst wenn man hier vielleicht 20.- pro Tag sparen könnte, bin ich dagegen. Auch die Tatsache, dass die Lebensmittel auf der Insel zu einem grossen Teil importiert werden müssen und teuer sind, ist schwer zu umgehen. Schlussendlich: Zu viele „Mitesser“ oder gar Diebstahl. Auch hier ist eine Lösung nicht einfach.
Ich fühle, dass Ali langsam resigniert. Ungern nur geht er des Morgens auf den Fischmarkt oder Poulets kaufen. Immer diese Verhandlungen, weil da bereits Schulden bestehen. Er wolle nicht irgendeinmal auf einem riesigen Schuldenberg sitzen bleiben. Ich verstehe ihn. – Bereits am nächsten Tagen erzählt uns Othmani wieder eifrig über seine neusten Ideen. Man müsse investieren, eine Friteuse kaufen, der Geruch von Chipsi, das ziehe die Leute einfach an. Und überhört meinen Einwand, dass auch sehr viele Strassenverkäufer genau diese Frites anbieten würden. Dabei keine Miete zu bezahlen brauchten und auch sonst weniger Kosten hätten. Wie wolle er denn mit diesen konkurrieren können? Seine Chipsi müssten einfach teurer sein, sonst hätten sie vom ganzen keinen Gewinn. – Fastfood sei auch gut, befindet Othmani weiter, frisch gemachte Sandwiches und Burger, das komme bestimmt gut an. Auch diesen Einwand, dass man sich entscheiden müsse, ob man ein Fastfood- Restaurant oder eben ein Restaurant mit etwas gehobeneren Speisen sei, das überhört er einfach. Meinen Einwand, dass mehr Auswahl bei den Speisen nicht notwendigerweise eine grössere Kundschaft bringe, sondern dass umgekehrt sehr viele verschiedene Speisen auch eine grössere Kundschaft benötigen würden, denn sonst müsse man sicherlich zuviel wegwerfen oder verschenken, findet bei ihm kein Gehör. Ganz abgesehen davon, dass eine sehr grosse Vielfalt an Mahlzeiten auch mehr zu tun gibt und schwieriger zu berechnen ist. - Ali und ich haben alle Mühe, ihm irgendwie verständlich zu machen, dass kein Moment für Experimente und neue Investitionen sei, sondern eine Zeit, in der man versuchen müsse, die Fehler herauszufinden, zu eliminieren und das ganze zu stabilisieren.
Ich frage mich jetzt, ob wohl Alis Partner ein typisch afrikanischer Geschäftsmann ist. Kreativ, viele Ideen immer, doch irgendwie ohne jegliches systematisches Denken. Und ohne Ausdauer. Funktioniert etwas nicht gerade von Anfang an, dann probiert man halt einfach etwas Neues aus. Das dabei sehr viele unnütze Kosten entstehen übersieht er grosszügig.

Unten in der Gasse werden wieder einmal grosse Mengen von langen Armierungseisen angeliefert. Wie häufig hier, die alten Häuser müssen verstärkt werden, will man – was zwar nicht erlaubt ist, doch systematisch getan wird – ein weiteres Stockwerk darauf setzen, oder eine Dachterrasse. Zum Glück sieht man dies von unten, von den Gassen her recht wenig. Ist man jedoch auf einem der Dächer, so sieht man sich von lauter hässlichen, neu und mit schlechtem Geschmack aufgepfropften Dachterrassen umgeben. Wenigstens scheinen sie in diesem Quartier hier um die Stabilität der Gebäude besorgt zu sein. Nicht selten nämlich bekamen die alten Gemäuer Schwierigkeiten, wenn ohne Verstärkung aufgestockt wurde. Oder fielen sogar zusammen. Da hat man offensichtlich etwas gelernt.
Ich erinnere mich daran, wie ich vor zweieinhalb Jahren hier in Sansibar auf einer Dachterrasse stand, als sich das stärkste Erdbeben ereignete, das ich bisher erlebt habe. Das war sehr eindrücklich, eine diffuse Angst, noch Stunden danach war ich zittrig. Doch damals haben alle Gebäude standgehalten, obwohl es gedröhnt und gekrost hat in der Altstadt.

Mittwoch, 20. Juni 2007

20. Juni 2007




Beim Durchschauen der alten Bloggs noch eine Entschuldigung - und auch ein Aufruf. Ich habe noch nicht entdeckt, wie ich mit diesem Blogger auch nur entfernt das Layout der Berichte beeinflussen könnte. Das scheint auf jedem Bildschirm wieder anders auszusehen und leider im allgemeinen scheusslich. Was mich natürlich schmerzt. Auch habe ich bisher nicht herausfinden können, wie ich Bilder, die doppelt hineingeraten (bzw. geht das Heraufladen hier manchmal so langsam, dass ich das Gefühl habe, etwas sei schief gelaufen und dann halt nochmals auf die Taste drücke. Geduld war nie eine meiner besten Seiten...), wieder entfernen könnte.
Nun habe ich mir eben gedacht, vielleicht könnte mich ja irgendjemand von Euch beraten, mir Tipps geben. Man kann ja in diesem Blogg auch Kommentare schreiben. - Oder dann direkt an meine Mailadresse:
evastyner@vtxmail.ch

Auch stelle ich fest, dass ich Euch offenslichtlich bisher noch keine Fotos von "meinem Grundstück" in Bububu gezeigt habe. Hier also noch ein paar Fotos.

15. Juni 2007


15.Juni 2007

Ich habe Josephine, meiner Swahili Lehrerin den Film „Darwin’s nightmare“ ausgeliehen, weil ich es spanned finde, mit Afrikanern über diesen preisgekrönten Dokumentarfilm zu diskutieren: Im Viktoriasee, dem grössten Binnengewässer Afrikas wird in den 60iger Jahren ein Fisch ausgesetzt, der Flussbarsch oder „Tilapia“, wie er abgepackt bei uns in den Läden heisst. Der frisst nun alle übrigen Fische auf und stört das ökologische Gleichgewicht des Gewässers. Bringt aber kurzfristig Profit, weil die schmackhaften Fischfilets nach Europa exportiert werden können.

Hier in Tanzania ist der Film „Darwin’s nightmare“ erst letztes Jahr herausgekommen und wurde nur sehr beschränkt gezeigt. Der Präsident war gar nicht zufrieden damit. Josephine weiss vom Film nur über die Medienberichte.

Und ist erstaunlicherweise darüber genauso schockiert wie ich. Sie schäme sich auch, meint sie. Sie habe nicht geglaubt, dass es solche Situationen auch hier in Tanzania gebe. Strassenkinder - doch davon höre man - aber hier in Sansibar gebe es das nicht wirklich. - Aidswaisen, wie im Film gezeigt. Aber häufig seien das eben auch Kinder, die aus sehr armen Familien kämen. Schlechte Familienbedingungen auch, die würden geschlagen, manche Eltern hier könnten sehr grausam sein. Und würden dann einfach davonlaufen. Viele dieser jungen Mädchen kämen auch nach Sansibar, würden als Haushaltshilfen ausgebeutet. Diese Mädchen seien beliebt. Mehr als Mädchen aus Sansibar. Denn hiesige Mädchen, die hätten ja dann eben auch noch eine Familie hier und dann sei die Mutter krank, der Onkel gestorben, der Vater habe ein Problem, die Schwester heirate, und bei all diesen Begebenheiten müsse das Mädchen dann nach Hause gehen, falle als Arbeitskraft aus. Da seien diese Mädchen vom Festland eben viel praktischer.
Entsetzt habe den Präsidenten vor allem, dass im Film gesagt werde, dass die Einheimischen nur die Fischköpfe essen könnten, der Rest sei viel zu teuer für sie - während die sauber abgetrennten Filets nach Europa geflogen würden. Wir beide finden das eigentlich nicht so schlimm. Der Nilbarsch hat einen grossen Kopf und Fischköpfe werden hier sehr oft gegessen. Sogar die Augen. - Schockierend sei hingegen der Schmutz, die schlechten Bedingungen, unter denen die Fischreste gesammelt und getrocknet würden. Überhaupt all dieser Schmutz....
Ich wende ein, dass Tanzania hier sicher nur ein Beispiel sei, das hätte genauso gut anderswo in Afrika gefilmt werden können. Josephine meint, ja sicher, aber sie habe eben geglaubt, in Tanzania sei es besser. Obwohl eben die Regierung. Das sei doch nicht normal. Die vielen armen Leute und dann die wenigen Reichen, die sich von den Armen bereichern würden. Sicherlich würden die Leute auch in diesen Fischverarbeitungsfabriken ausgenutzt. Streiks seien in allen Fabriken hier sehr häufig. Auch dieser importierte, dieser das ökologische Gleichgewicht zerstörenden Nilbarsch, der bringe doch nur wenigen Leuten Nutzen. Die meisten hätten jetzt kaum etwas davon – und dann das Nachsehen, wenn das Gleichgewicht des Sees einmal gänzlich gestört, überhaupt keine Fische mehr dort gefangen werden könnten.
Wir sprechen auch über die im Film gezeigte Prostitution, das Aids-Problem. Josephine, eine Katholikin, verteidigt den Priester. Nein, der könne den Leuten nicht empfehlen, Kondome zu benutzen. Damit würde er ja gleichzeitig die Untreue propagieren und dies sei in der Religion verboten. Das könne der einfach nicht – obwohl natürlich auch Katholiken durchaus Kondome benutzen würden. - Ich denke mir, ja, gewiss, jedoch gerade die armen, ungebildeten Leute, die begreifen das ganze ja gar nicht, die müsste man trotzdem aufklären.

Ich bin nicht ganz sicher, wie weit Josephine meinem Einwand, im Film seien ja nicht nur die Afrikaner von einer schlechten Seite gezeigt, aufnimmt. Auch die russischen Piloten, die Waffen in die Krisengebiete von Afrika fliegen würden, eigentlich sei doch überhaupt alles schief, nirgendwo Moral vorhanden. Ich denke, Josephine ist zu sehr damit beschäftigt, dass solches, Dinge die sie sich einfach nicht vorstellen konnte, auch in Tanzania geschehe.

Wir fragen uns schliesslich, ob wohl der Präsident darüber ärgerlich gewesen sei, dass solches in seinem Land passiere – oder vielleicht nicht doch eher, dass es von einem ausländischen Filmemacher aufgenommen und überall in der Welt gezeigt wird. Eine Schande für Tanzania.
Auch diesmal, mit Josephine zusammen, finden wir keine Lösung. Wie man das ganze hier verändern, verbessern könnte. Mehr Gerechtigkeit, ein Ende der Korruption. Meistens enden solche Gespräche in einer deprimierenden Stimmung.

Zum Glück ist Josephine sonst eine sehr muntere und fröhliche Frau. Wir lachen viel in den Sprachlektionen – obwohl ich immer noch frustriert darüber bin, wie schwer mir das Erlernen des Swahili fällt. Und jedes Mal neidisch hinüberblicke, wenn ich wieder irgendeinen „Mzungu“, einen Weissen, perfekt Swahili sprechen höre. Doch was weiss ich. Schliesslich gibt es auch in Ostafrika geborene Weisse. Portugiesen, viele Engländer, Italiener,......

Halb acht Uhr abends. Seit einer Stunde bereits ist es finster. Ich komme von meinem Abendspaziergang in den Forodhani Gardens zurück. Ich sitze sehr gerne bei Sonnenuntergang dort, trinke den Saft einer jungen Kokosnuss, beobachte den meist von Wolken malerisch verhängten Sonnenuntergang, das Auslaufen der Fischerboote . Und auch die Leute. Bin Zuschauer. So viele Geschichten kann man sich dabei vorstellen. Die Forodhani Gardens mit ihren Essständen am Abend sind sehr beliebt bei den Einheimischen. Ganze Familien treffen sich hier, häufig aber auch nur Frauen mit ihren Kindern. Oder junge Paare im Schutze der Dunkelheit. Essen gegrillten Fisch und anderes Meeresgetier oder auch Sansibari Pizza, Frites, hier Chipsi genannt, oder trinken etwas. Daneben getrauen sich aber auch erstaunlich viele Touristen, hier eine billige Mahlzeit einzunehmen. Da staune ich immer wieder. Dass die keine Angst haben, hier etwas Verdorbenes zu essen. Ich mindestens wäre bei all dem Meeresgetier sehr vorsichtig. Neben mir sitzen heute schwarz-weisse Pärchen. Auf der einen Seite eine junge asiatische Touristin mit sehr kurzem Minirock, die krampfhaft eine grosse bunte Handtasche auf ihre nackten Oberschenkel drückt, zusammen mit einem traditionell in Kanzu, dem weiten weissen Männerkleid, und Kufia, der typisch sansibarischen Kopfbedeckung, gekleideten Einheimischen. Er sieht wie ein traditioneller Muslim aus, überhaupt nicht der Typ Beachboy. Ein eher ungewöhnliches Paar. Auf der anderen Seite ein etwas älteres Paar, er bereits mit einem Ansatz von Bauch und ergrauenden Haaren, was auf schwarzer Haut ganz besonders aussieht. Ich stelle mir vor, dass die beiden bereits seit längerem zusammen leben, in Europa wohnen und hier in den Ferien sind. Aber vielleicht ist das ja auch ganz anders........
Auch den Popcorn Verkäufer beobachte ich. Er verdient seinen Lebensunterhalt mit dieser einzigen, doch recht einfachen Maschine. In einem Glasbehälter hängt eine Pfanne, aus der die Popcorns hervorquellen. Geschickt füllt er diese in sehr enge, schlauchartige Plastiksäcke die er durch ein rasches Berühren der heissen Pfanne verschweisst. Keine Kosten für einen Laden. Einzig die Maschine und der Glasbehälter müssen jeden Abend von einem „Mkokoteni“, einem Transporteur mit Handwagen hierher und dann auch zurück gebracht werden.

Zu Hause angekommen, wasche ich meine Hände gründlich. Momentan leiden viele Leute unter einer ansteckenden Augenentzündung. Das soll sehr schmerzhaft, aber dann in etwa drei Tagen wieder vorbei sein. Trotzdem, mir graut vor diesen blutroten Augen. Und blass kommt die Erinnerung an ein Buch hoch, in dem die Leute plötzlich alle erblinden. Auch diese Krankheit (eine erfundene?) ist ansteckend. Nachdem die ersten Erkrankten noch liebevoll gepflegt werden, versinkt die Welt immer mehr in einem Chaos, Erkrankte werden sofort ausgesondert, niemand kümmert sich mehr um sie. Gänzlich verloren sind sie in ihrer Dunkelheit. Von wem war wohl dieses Buch? Es war sehr beklemmend geschildert. Ich habe es nicht zu Ende gelesen.

Montag, 11. Juni 2007

11. Juni 2007












11.Juni 2007

Gestern waren wir im Josiany Forest, einer der Sehenswürdigkeiten der Insel. Bekannt ist dieser Ort vor allem wegen der dort lebenden kleinen Affen, die sehr selten sind. Diese Affen, Red Colobus Monkeys heissen sie, haben wir auch wirklich gesehen. Eine ganze Herde und offensichtlich waren sich die Tiere derartig an Touristen gewohnt, dass sie sich überhaupt nicht in ihrer Tätigkeit, dem Fressen von jungen Blättern und Blüten, stören liessen. Schon fast beleidigend, mit keinem Blick haben sie unser Erscheinen gewürdigt, da war nicht die geringste Neugier. Den Wald haben wir natürlich auch besucht, doch der war für mich als Botanikerin eher eine Enttäuschung. Ein 50-ig jähriger angepflanzter fast reiner Mahagoniwald, der nun nicht mehr genutzt wird. Trotzdem bleibt er eine Art Monokultur, zwischen den dicht stehenden Mahagonibäumen kommen kaum andere Bäume oder Gebüsch auf. Gerade ein dichter Teppich von Farnen, doch auch hier sind nur zwei Arten häufig vertreten - und ich habe wieder einmal gehofft, nun einmal einen ursprünglichen Regenwald anzutreffen. Ursprünglich war hingegen der angrenzende Mangrovewald, der durch einen Steg gut erschlossen war. Enttäuschend in Wäldern ist aber immer, dass man kaum Tiere sieht, die sind hier einfach zu gut versteckt. Im kleinen Museum dann einige schlechte Illustrationen, so dass man sich vorstellen kann, was man hätte sehen können. In Sansibar scheint es nur noch kleine Säugetiere zu geben, die übrigen haben die Insel gar nie erreicht – oder sind schon längstens ausgerottet. Auch kein grosser Reichtum an Vögeln. Kaum Wasservögel, das ist vielleicht das auffälligste. Wo man doch sonst überall in Meeresnähe Möven, Kormorane, Fregattvögel und wenn es gut geht, sogar Pelikane sieht.

Über die Flora wird im Josiany Zentrum wenig geschrieben. Ich muss mir dringend endlich Literatur beschaffen. Ich habe das Gefühl, dass auf der Insel ausser den Mangrovewäldern wohl am ersten noch die Buschwälder auf trockenen Böden, dort wo der Korallenstein häufig an die Oberfläche tritt, natürlich sein könnten. Etwas ähnlich der Macchia im Mittelmeergebiet. Schön sind dort die zerstreut stehenden Baobabbäume und eine als Schlingpflanze wachsende gelbe Lilie. Die übrigen naturnah aussehenden Wälder scheinen mir eher verwilderte Kokosnuss-, Gewürz- oder Fruchtbaumplantagen.

Die Einnahmen aus dem Josiany Zentrum - es gibt Führer, die einem in den Wald begleiten, ein Restaurant und einen Souvenirladen - sollen zu einem Teil der in den umliegenden Dörfern wohnenden Bevölkerung zugute kommen. Hoffen wir, dass das Geld wirklich dorthin fliesst.

Sonntag, 3. Juni 2007

2.Juni 2007




2.Juni 2007

Anfangs Juni und ich habe das Gefühl, dass die Regenzeit erst Mitte Mai so richtig eingesetzt hat. Häufig seither war es drei bis vier Tage nacheinander trübgrau mit Regen. Keine Sturzfluten mehr, leises Tröpfeln. Aber das andauernde Grau, das Fehlen des Wechsels zwischen Regenguss und grellem Sonnenschein mit abenteurlichen Wolkenbildern, das schlägt mir viel mehr aufs Gemüt. Etwas wie November in der Schweiz. Nur natürlich wärmer. Heiss aber auch nicht mehr, manchmal bin ich sogar froh, dass unser Haus Glasfenster hat und schliesse sie.
Und beginne auch gleich Umzudenken an meinem Hausplan für das Grundstück in Bububu. Häufig, auf der Südseite vor allem, habe ich nicht Fenster, sondern die von durchbrochenen Steinen gebildeten lichten Fensterstreifen eingesetzt. Wie man sie auch in arabischen Ländern sieht: Mit in regelmässigen Abständen herausgebrochenen Kreisen, Sternen, Monden oder anderen geometrischen Figuren. Diese Mauerstreifen filtern das Licht auf eine ganz spezielle Art und lassen den Wind durch. Ich fand das mysteriöser und spannender als offene Fenster. Schliesslich war in meinem Plan bei jedem Zimmer auch eine Türe auf die Terrasse hinaus vorgesehen, die normalerweise sicher offen stehen würde und die Sicht aufs Meer freigeben. Nun jedoch, beim Herannahen der trockenen Winterzeit, die Mitte Juni beginnen sollte, stelle ich fest, dass es hier offensichtlich durchaus Wetter geben kann, das einen geschlossenen Raum wünschen lässt. Glasscheiben also müssten auch noch hinter die spitzenartig herausgebrochenen Mauern kommen - oder mindestens Läden, die man in seltenen, aber eben doch vorkommenden Wetterlagen schliessen könnte. - Das ist überhaupt ganz spannend. Bisher habe ich meine „Hausgespinste“ für Schweizer Witterung geplant. Da denkt man ganz anders, als in den Tropen. Hier sind beschattete Fenster wichtig und ein Aufbau, der den Wind durch das Haus streichen lässt. Schon nur wegen der hohen Luftfeuchtigkeit.

Gestern endlich habe ich mich aufgerafft und das längst fällige Telefon an Josephine, meine Swahili-Lehrerin gemacht. Einerseits ist da meine altbekannte Scheu vor dem Telefon, andererseits habe ich eben auch immer genügend zu tun gehabt. Das Gefühl, gar keine Zeit zu haben. Schliesslich habe ich täglich an meinem Vokabular gearbeitet und mich auch durch die Grammatik aus diesem DDR-Buch hindurch gebissen. Nun jedoch habe ich das Gefühl, dass ich so nicht weiter komme. Diese Sprache widersetzt sich meinen Bemühungen. Funktioniert ganz anders, als alle bisher gelernten. Alles, was man sagen kann, kann auf sehr verschiedene Art ausgedrückt werden. Und das betrifft nicht nur das Vokabular, sondern auch die Grammatik. Die ist irgendwie noch nicht zurechtgefeilt, erlaubt immer verschiedene, aber eben doch nur ganz bestimmte Lösungen. Und macht mir diese Sprache damit ungewohnt verschwommen. Wahrscheinlich muss man einfach ein Gefühl dafür bekommen, was alles möglich ist. Doch das widerstrebt natürlich meiner geordneten Art Sprachen zu lernen. -
Vielleicht kann man das Swahili vergleichen mit einem Spaziergang durch die Altstadt hier. Auch da muss man den Weg eher spüren, sich immer wieder nach bereits Bekanntem ausrichten, als dass man den auswendig lernen könnte.

1.Juni 2007


1.Juni 2007

Mehr als die Hälfte meines Aufenthaltes sind bereits verstrichen.
Die vergangenen Wochen habe ich damit verbracht, das Gästezimmer zu streichen – Ihr seit übrigens alle herzlich auf einen Besuch Sansibars eingeladen - und das war offensichtlich etwas viel; danach wurde ich krank. Etwas Grippeartiges, von dem bis heute Schnupfen und Husten übrig geblieben sind.

In dieser Zeit sind wir auch ein Grundstück in Bububu, quasi einem Vorort der Stone Town etwa sechs Kilometer nördlich an der Küste gelegen, anschauen gegangen. Es hat mir sofort gefallen. Weniger als fünf Fussminuten von der Haupt- und Geschäftsstrasse gelegen, ruhig, mit wunderschöner Sicht auf Meer, Inseln und sogar die Stone Town. Zwischen dem Grundstück und dem Meer nur ein schmaler Streifen niedrigwüchsiger Mangrove, eine kleine Düne und dann der wunderschöne Sandstrand. Eigentlich fast besser als direkt am Strand. Falls hier der Tourismus irgendeinmal richtig einsetzen würde, wäre man etwas geschützt auf der kleinen Anhöhe.
Sofort begann ich zu träumen, obwohl das Land eigentlich viel zu teuer ist. 60'000.-SFR für etwas 1000m2. Doch die Lage so nahe an der Stadt ist sehr beliebt. Und in der Nacht danach konnte ich nicht schlafen und habe mir im Kopf oben bereits mein Haus konstruiert. Und es am nächsten Morgen auch aufgezeichnet. – So wie ich bereits mehrere Häuser in meinem Kopf oben gebaut oder umgebaut habe. Oder auch Kleider kreiert. Nicht vieles davon hat sich jemals realisiert. Doch ist dies so wichtig? Für mich ist es jeweils ein berauschendes Erlebnis.

31.Mai 2007



31.Mai 2007

Lange Zeit habe ich nichts geschrieben. Auch keine Notizen gemacht in dem Büchlein, das ich immer bei mir trage. Nach dem Einlesen mit dem Text vom 17. Mai jedoch, spinne ich Gedanken weiter, die ich bereits damals gehabt habe. Mehr Belege, neue Beispiele zu meiner Behauptung, dass die Leute hier Schwierigkeiten haben, ihre Träume, ihre Wünsche klar von der Realität zu trennen. - Und von ihrer chaotischen Lebensart, dem Ungeplanten.

Gestern war ich wieder einmal in dem kleinen Laden, der nahe bei unserem Haus liegt, weil ich seit ein paar Tagen ein bestimmtes Produkt erfolglos suche. Sonst gehe ich selten dorthin, denn die Gestelle sind meistens halb leer. So muss das im Ostblock gewesen sein, doch die Gründe dafür sind hier anderer Art. Erhältlich wären die Produkte schon, doch der Besitzer des Ladens hat nicht genug Kapital, um einen grösseren Einkauf zu tätigen. - Nun war ich gestern höchst erstaunt, dass in dem kleinen Raum statt nur ein Warengestell in der Mitte wie bisher, gleich zwei Gestelle den Raum teilen. Natürlich nicht minder leer als vorher die zwei. Nur dass es unangenehmerweise nun kaum mehr möglich ist, sich in einer der Gassen zwischen den Gestellen überhaupt noch richtig zu drehen und die Waren zu betrachten, zu eng sind sie geworden. Offensichtlich hat niemand daran gedacht, dass man Raum und Gestelle zuerst ausmessen müsste, den fiktiven Raum begehen, bevor man sagen könnte, ob ein weiterer Kauf sinnvoll sei. - Da kommt mir wieder der Othmani, Alis Partner in den Sinn, der, sobald er zu einem grösseren Betrag Geld gekommen ist, investiert hat. In eine Klimaanlage, die viel zu klein für den Raum ist und übrigens jetzt, wo es nicht mehr so heiss ist auch nicht mehr eingeschaltet wird – anstatt sich zu überlegen, ob das wirklich nützlich sei. Ob es nicht viel sinnvoller wäre, das Geld in einen grösseren Vorrat an Lebensmitteln zu stecken, damit günstiger eingekauft und gearbeitet werden kann.

Von vielen Geschäften hier kann man sich nicht wirklich vorstellen, dass sie Geld abwerfen könnten. Zum Beispiel das kühl gestaltete Fastfood-Restaurant mitten in der teuren Touristenzone im Shangani-Quartier. Welcher Tourist hat schon Lust auf solch eine zwar saubere, aber absolut unromantische Umgebung? Und für die Einheimischen selbst, ist das Lokal erstens viel zu teuer und zweitens auch noch am falschen Ort gelegen. Selten sehe ich einen Gast in dem geräumigen Lokal. Trotzdem existiert es seit meinem ersten Besuch Sansibars, also seit zweieinhalb Jahren. Hier müsse eben gar nicht jedes Geschäft rentieren, meint Ali. Manche Reichen gefielen sich einfach darin, einen Laden, ein Restaurant oder ein Hotel zu besitzen. Das brauche dann keinen Gewinn abzuwerfen. Genauso wie die zwei riesigen im Rohbau hochgezogenen Bürohäuser gerade neben der Altstadt. Das „Stone Town Conservatory Office“ hat vergeblich gegen die Bauten interveniert; von höchster Stelle, vom Präsidenten, wurde die Bewilligung trotzdem gegeben. Und dann gebaut. Obwohl mindestens zur Zeit hier kaum ein Bedürfnis besteht für soviel Büroraum. Ein Denkmal eben für einen der Reichen.

Nicht alles hier muss also rentieren. Doch auch was sollte, hat Mühe, dies zu tun. Anissa, eine Aussteigerin aus Australien, die seit zwei Jahren in Sansibar lebt und sich auch schon mit einem Ressort an der Ostküste versucht hat, meint, dass solche Lokale für die Einheimischen gar nicht rentieren könnten. Viel zu klein sei die Gewinnmarge, das sei unmöglich. Umgekehrt beteuern mir aber Ali und Othmani, dass die Einheimischen keinesfalls mehr Geld für das Essen ausgeben könnten. Die kämen einfach nicht mehr, bei einer weiteren Preiserhöhung. Zu teuer für die meisten Einheimischen ist das Lokal bereits jetzt, das ist mir schon klar. Gerade all die Büroangestellten und Politiker, die in der Stone Town arbeiten, kommen hierher essen, oder die vielen Guys, die mit den Touristen Geld verdienen, können sich das leisten oder lassen sich in den „Lukmaan“ einladen. Und trotzdem: Vielleicht müsste man eben doch den Mut haben. Gerade dieses Publikum könnte sich wohl auch noch mehr leisten. Das Problem ist eher, dass es die anderen auch nicht tun. Alle Restaurants für Einheimische arbeiten mit sehr niedrigen Preisen und kämpfen sich mühsam durch. Machen sich gegenseitig das Leben schwer, denn alle glauben, ihre Preise gar nicht erhöhen zu können.