Mittwoch, 25. April 2007

Osterblog



8.April 2007

Heute ist Ostersonntag und ich habe Zeit. Wir wollten zwar eigentlich aufs Land fahren, etwas Abwechslung. Auch brauche ich Bambusstäbe für meine nun recht gut wachsenden Pflanzen. Zwar eine etwas langweilige Kollektion, ich lasse wachsen, was wachsen will, das ist im Moment besser so, denn Vieles will nicht und Weniges wächst gewaltig. Zum Beispiel die Morgenblume. Zuerst hat es mich gestört, dass die Pflanze alles überwuchert und uns Licht wegnimmt. Jetzt jedoch, nachdem ich bemerkt habe, dass die südhemispärische Wintersonne doch recht anders scheint als die Sommersonne, bin ich froh darum. Unser Innenhof und die nach Norden ausgerichtete Terrasse sind jetzt viel stärker von der Sonne beschienen, so dass es bereits um zehn Uhr Morgens zu heiss wird, um auf der Terrasse zu sitzen, die Blätter können ja vielleicht etwas die Hitze wegisolieren. Auch die neuen, wie Spiegel glänzenden Dächer werfen die Sonne an das Gebäude. Aber am meisten erstaunt mich eigentlich wirklich, dass der Sonnenstand sich hier doch recht stark verschiebt. Im Winter, bzw. hiesigen Sommer stand die Sonne derartig steil, dass eigentlich durch den Tag kaum Wände beschienen wurden.

Angefangen habe ich mit dem Zeithaben. Eigentlich wollten wir ja eine Ausfahrt machen, das Motorrad kam gestern von einer Reparatur zurück. Doch offensichtlich ist bereits wieder etwas kaputt, Ali ist unterwegs zu einem „fundi“, einem Handwerker. Die haben auch sonntags offen hier – immerhin das. Vorher stand das Mottorad für eine Woche in der Garage. Nicht weil es nicht hätte repariert werden können, sondern weil es keine Ersatzteile gab. Ganze vier Motorräder dieses Typs soll es in Sansibar geben. Ersatzteillager natürlich keine. Weshalb Ali dann ein ganzes anderes Motorrad dieses Typs kaufen musste. Bzw. nicht ganz ein Ganzes, dem anderen fehlte der Motor. Nun steht also unten im angehenden Gästezimmer noch ein motorloses Motorrad. Als Ersatzteillager.
Manchmal ist man in dieser Beziehung glücklicher, braucht nicht Ersatzteile des selben Gerätes. So bei den Waschmaschinen. Unsere machte einen fürchterlichen Lärm beim Schleudern und soviel ich von technischen Dingen verstehe, waren das die Lager. Die wurden nun ersetzt. Durch Kugellager aus Toyota Autos. Die scheinen fast allen Waschmaschinentypen wieder auf die Beine zu helfen. Hoffen wir nur, dass es genügend auszuweidende Toyotas gibt – oder bei Toyota vielleicht doch Ersatzteile.

Ich habe vorher von Winter gesprochen - das stimmt natürlich nicht ganz. Statt wie in Europa Frühling, ist nun hier Herbst und eigentlich Regenzeit. Nur dass ich davon bisher wenig gemerkt habe. Nur einmal ein wirklich starker Regenguss, der uns zeigte, dass die neuen Dächer nun fast dicht sind. Einzig im Treppenhaus läuft das Wasser noch die Wand hinunter, aber dort ist das ja nicht so wichtig. Und als wir kürzlich aufs Dach hinaufstiegen und ich mir die Arbeiten besah, war mir auch sofort klar weshalb, der Anschluss des Wellblechdaches an die Wand ist alles andere als sauber ausgeführt. Je nun, hier unten muss man aufhören, pingelig zu sein, ich muss mich da immer wieder an der Nase nehmen.

Aufs Dach hinauf gestiegen sind wir, weil ich mir unser Nachbarhaus, dass ich vor zwei Jahren ebenfalls besichtig habe und als zweitbeste Kaufgelegenheit einstufte, nochmals von oben ansehen wollte. Ein Gebäude mit Innenhof. - Das beste Haus, auch hier im Quartier gelegen, sowie das zweitbeste, eben unser Nachbarhaus sind inzwischen bereits beide verkauft. Ich ärgere mich darüber. Ich hätte vor zwei Jahren kaufen sollen. Damals war der Häusermarkt noch nicht derartig verdorben. Aber es war eben noch nicht Zeit.

Auch hier sind die Leute überzeugt, dass sich etwas mit dem Klima verändert hat. Mohamed, der Architekt, der erst kürzlich von siebzehn Jahren Studium in Paris zurück gekehrt ist und nun für das Stone Town Conservatory Office arbeitet, meint, das sei in seiner Kindheit ganz anders gewesen. Einen Monat lang düster schwarze Wolken, Regengüsse, nie Sonne und das ganze Leben sei stillgestanden. Ali bekräftigt das. Jetzt laufe ja sogar der Tourismus normal weiter. Auch im „Lukmaan“ hat es immer mehr „Vishukas“, Rucksacktouristen. Und viele Asiaten, wobei das oft auch hier Ansässige sind. Seit der kommunistischen Zeit arbeiten sehr viele Chinesen im Gesundheitswesen von Sansibar.
Mohamed meint, dass sich die Stone Town in den nächsten zehn Jahren extrem verändern werde. Die eingefallenen Häuser, die überall als freie Abfalldeponien verwendet werden müssten verschwinden, eingestürzte Häuser innerhalb von zwei Jahren wieder aufgebaut. Oder dann halt vom Staat konfisziert, das dürfe man nicht mehr tolerieren.

Über die Dämonen. Hier in Afrika gebe es viel mehr von Dämonen besessene Leute als in Europa, meint Ali. Das sei hier ein Leiden, wie bei uns der Krebs, oder die Depressionen. Ich treffe ihn im Restaurant an einem Tisch, eine junge Frau heftig auf ihn einredend. Ich verstehe aus dem Gespräch in Swahili etwas von Krankheit. Sie mache unkontrollierte Sachen, renne gegen Wände und selbst drei starke Männer könnten sie dabei nicht festhalten, solche Kräfte würden sich in ihr entwickeln. Sie erhofft Hilfe von Ali. Doch der meint, das könne er nicht und gibt ihr den Namen eines Mannes an, der ein guter Heiler sei.
Auch Ali glaubt an Dämonen. Die scheinen im Koran auch vorzukommen und vermutlich ebenfalls in der Bibel. Die Dämonen seien beleidigte Geschöpfe Gottes. Wie die Engel bereits vor dem Menschen erschaffen. Als Gott dann schliesslich den Letzteren erschaffen habe , habe er diesen als das höchste Wesen vorgestellt. Die Engel hätten sich damit abgefunden, die Dämonen hingegen nicht. Weshalb sie noch heute versuchen würden, sich zwischen Gott und die Menschen zu stellen. Als falsche Vermittler quasi. Man müsse da sehr aufpassen. Und dürfe nicht zu Aberglauben greifen um solche Dämonen in sich wieder loszuwerden, denn genau dies wollten sie. Die Menschen dazu verführen, vom rechten Weg abzukommen.
Häufiger hier in Afrika seien Dämonen – ja, eigentlich ein sehr alltägliches Phänomen - weil man hier eben an sie glaube. Und wir „Mzungus“, Weisse, zusammen mit dem Verlust der Religionsgläubigkeit, auch den Glauben an Dämonen verloren hätten. Die Dämonen infolge dessen, bei uns auch keine Arbeit hätten. Wir würden ja gar nicht an sie glauben, sie nicht wahrnehmen und könnten so auch nicht verführt werden. Deshalb sei dies eine spezifisch afrikanische Krankheit. So wie wir in Europa den Krebs hätten eben.

Ali hat in den letzten drei Wochen mehr als 20 Häuser angeschaut. Die Besseren bin auch ich besichtigen gegangen. Es ist jetzt sehr vieles im Verkauf. Auch viel Schrott. Die Leute wollen ihre düsteren verlotterten Altstadthäuser loswerden, es geht schon lange nicht mehr um Paläste. Oder nur noch um wenige, denn die sind bereits fast alle der Spekulation erlegen. Um normale Stadthäuser handelt es sich nun also. Und Häuser mit Meersicht sollte ich eh nun wohl vergessen.

Gegenüber räumen sie die Bar aus, ein weiteres Unternehmen, das nicht lange gedauert hat. Auf den Wagen eines „mkokoteni“, eines Transporteurs mit Handwagen, in den engen Altstadtgassen die einzige Möglichkeit. Oder dann vielleicht noch die Esel betriebenen Wagen, aber da gibt es bereits mehr Probleme beim Um-die-Ecken-biegen. Billig kartonartiges Material wurde verwendet für die Innengestaltung. Was wird wohl nun aus dem Haus? Ein „Mzungu“ habe es übernommen, allerdings nur in Pacht. Das Haus gehört einem Frauenverein und ist offensichtlich als Investitionsobjekt gedacht. Vom Verein mindestens habe ich bisher nichts bemerkt. Ich nehme nicht an, dass die Prostituierten, die vorher die Bar bevölkerten, dazugehört haben. Grosse Gebäude wie dieses, mit Sicht auf das Meer, waren hier alles Paläste. Schon früher wussten die Reichen, wo sich gut leben lässt. Jetzt gibt es bereits keine solchen mehr zu kaufen. Es gab auch nie viele im Verkauf. Der Staat hat nach der Revolution vor 40ig Jahren die meisten dieser Gebäude konfisziert. Und seither systematisch verlottern lassen. Als Ministerien, Schulen, Spitäler. Wenige wurden als Hotels verkauft.

In der Altstadt haben schon immer Araber, Weisse und Inder gelebt. Diese grossen Steinhäuser haben keine Schwarzen bewohnt, sie haben in einfachen Lehmhütten gelebt und leben heute in billig konstruierten einstöckigen, Wellblech gedeckten Backstein- und Betonhäusern in den weitläufigen Vororten. Das ist billiger. Diese Altstadthäuser haben sie nur vorübergehend nach der Revolution - als Inder, Araber und Weisse davonrannten, nachdem einige von ihnen massakriert wurden - besetzt oder günstig gekauft und bewohnt. Die Zeit der Schwarzen geht nun zu Ende. Die Häuser sind im Unterhalt teuer, viel günstiger kann in der Umgebung Neues gebaut werden. Weshalb die Leute zu träumen begonnen haben. Glauben, das gewöhnlichste, finsterste Haus in einem verlotterten schmutzigen Quartier auch noch für 50'000.- bis 90'000.- SFR verkaufen zu können.

Ali bastelt unten an seinem Motorrad herum. Vielleicht fahren wir ja heute doch noch irgendwohin. Es ist nun bereits sehr heiss, die Regenzeit macht ihrem Namen überhaupt keine Ehre. Die Pflanzen, die im Hof unten gerade von der Sonne getroffen werden beginnen alle sofort, ihre Blätter hängen zu lassen, doch zum Glück erholen sie sich wieder, sobald die Sonne dem Schatten weicht. Hier im Hof hat jede Pflanze nicht mehr als zwei Stunden Sonnenschein pro Tag und das ist auch gut so.
Ich dusche heute zum zweiten mal, beginne sofort wieder zu schwitzen, streiche mir Sonnencreme ein und warte auf den Ostersonntäglichen Ausflug.

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