13. April 2007
Der Container ist nun hier im Hafen von Sansibar angekommen. Eigentlich hätte er dies Mitte März, nach zwei Monaten Reise spätestens tun müssen. Da war er auch bereits sehr nahe, im Hafen von Daresaalam und wartete auf den Transfer auf die Insel. Gerüchtehalber hat es nicht Probleme gegeben ein passendes Schiff zu finden, doch die zwei Lastkräne, die hier im Hafen Container entladen können sind beide ausser Betrieb, was den Transfer natürlich verkomplizierte. – Wie dem auch immer sei, nun ist er hier. Das bedeutet aber nicht, dass ich meine Sachen bereits hätte, das ganze muss nun erst noch den Zoll passieren. Auch das braucht seine Zeit.
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was ich vor drei Monaten alles in Majids Container mitgegeben habe. Monikas Waschmaschine, Gerds Computer, Vätus alten Fernseher und meine neu gekaufte „Bernette“ eine simple mechanische Nähmaschine. Weil ich wieder etwas Kleider kreieren möchte. Daneben auch zusammen gebeteltes Küchengerät, das mir das Kochen hier enorm vereinfachen wird und – da erinnere ich mich ganz genau – drei Säcke Birchermüesli Mischung. Was ich dummerweise damals noch nicht wusste und deshalb auch nicht besorgte: Katzenspreu für Laila. Die gibt es hier nirgendwo zu kaufen. Doch nächste Woche werden wir wahrscheinlich einmal nach Daresaalam fahren. Vielleicht gibt es dort solch verrückte „Mzungus“, Weisse, die Katzenspreu benötigen.
Nach Daressalam werde ich wegen einer Zufallsbegegnung gehen. Am Sonntag vor zwei Wochen hat Ali im Restaurant einen alten Freund aus Arusha getroffen, der gerade in Sansibar zu Besuch war. Ich habe eine Weile zugehört, doch beim Swahili verstehen kann ich nicht lange mithalten. Nach einer Weile fliesst das an mir herab wie murmelndes Wasser. Deshalb stand ich nach einiger Zeit auf und wollte einen Spaziergang im Quartier machen und dabei auch noch gerade Zucker einkaufen. Unterwegs bog ich vom gewohnten und geplanten Weg ab, weil ich mich erinnerte, dass auf dieser Seite doch noch irgendwo ein Haus zu verkaufen sei, das mich interessieren könnte, und kam so auf unbekannte Pfade. Auch an zwei kleinen Läden vorbei, die hier ja meistens ein sehr gemischtes Sortiment anbieten. Bereits vorbeigelaufen, kam mir dann wieder der Zucker in den Sinn und ich ging zurück zu dem einen Laden, der eher so aussah, als ob er solchen verkaufen würde. Das tat er auch. Neben mir stand noch ein Mann, den ich erst gar nicht beachtete. Der sprach mich dann in gutem Englisch an und ein Gespräch ergab sich. Irgendeinmal fragte er mich, was ich denn hier arbeite. Ich antwortete, ich sei Journalistin und mache Illustrationen, denn mein Beruf ist immer gerade das was ich im Moment mache. Und erwartete nicht, dass er wisse, was Illustratorin sei, da müssen ja selbst in der Schweiz die Leute häufig passen. Diesmal war es aber ganz anders. Der Mann zeigte sich äusserst interessiert und meinte, er sei Verleger von illustrierten Schulbüchern, das sei aber sehr interessant. Später, in dem Haus mit Kinderklinik, das er zusammen mit seiner Familie bewohnt, gab er mir verschiedene seiner Schulbücher und ich war erstaunt, wie gut die gemacht waren. Vom Inhalt wie von den Illustrationen her. Das hätte ich hier nicht erwartet. Und natürlich interessiert es mich, hier für Schulbücher zu arbeiten, auch wenn die hiesigen Gagen sicher noch viel jämmerlicher sind als die der deutschen Verleger. Immerhin hätte ich das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun. – Nun, es ist noch nicht so weit. Der Leiter des Verlages ist nämlich der Vater des Mannes mit Namen Suleiman. Er sei gleichzeitig in Tansania ein bekannter Schriftsteller. Statt Suleiman Mohamed wie er, heisse er Mohamed Suleiman Mohamed. Hier gar nichts Erstaunliches. Eigentlich wollte ich schon lange im Internet nach diesem Namen suchen, aber zum Surfen bin ich bisher noch nie gekommen. Auch verleitet das Tempo der Leitungen hier nicht unbedingt dazu. Trotzdem: Auch unter Vermietungen - Sansibar wollte ich mal schauen, ob es nun etwas im Internet gibt. Vor zwei Jahren sah ich da noch nichts und bin nach wie vor überzeugt, dass sowohl eine Nachfrage an Ferienwohnungen besteht, wie auch an günstigen Wohngelegenheiten für Studenten, die hier jetzt in grosser Zahl Swahili lernen kommen.
Doch eigentlich war das Thema der Zufall. Weshalb gerade ging ich zu diesem Zeitpunkt einen Weg, den ich sonst nie gehe und treffe diesen Verleger? Wo ich eigentlich bereits vorher im Kopf hatte, irgendetwas mit Schulbüchern, mit Erziehung überhaupt, hier zu machen? – Häufig laufe ich einfach in Sachen hinein. Wie damals, als ich im riesigen Paris auf Marianne aus Langental traf, die mir dann eine Wohnung einer Baslerin vermittelte und damit auch gleich noch meinen ersten Job für das Musée d’histoire Naturelle. Was der Grundstein für viele weiteren Arbeiten und Abenteuer war.
On verra, noch hat sich nichts Konkretes ergeben, doch habe ich im Sinne, nächste Woche den Verlag in Daresalaam besuchen zu gehen. Und dabei gleich auch noch tonnenweise Katzenspreu, sicherlich zu einem absurd teueren Preis, zu kaufen - wenn überhaupt erhältlich.
Eine kleine Anekdote zu dem Verleger noch. Er stellte mir seine Frau, eine Ärztin und seine zehn Kinder vor. Ich hatte Mitleid mit der Frau. Beruf und zehn Kinder und sah eigentlich noch gar nicht so alt aus. Ich solle am nächsten Tag vorbeikommen und das versprochene Beispiel einer Illustration – ich erwähnte das WWF-Tischset, viel Auswahl habe ich hier nicht – bringen, er fahre am übernächsten Tag nach Daresaalam. Wenn er nicht dort sei, so solle ich die Sachen seiner Frau geben. Als ich am nächsten Tag vorbeiging, traf ich auf drei Frauen im Empfang der Klinik. Nein, Herr Suleiman sei nicht hier. Seine Frau? Ja welche denn? – Eine Frage, die wir uns nicht unbedingt gewohnt sind zu hören, ich war etwas verwirrt. Schliesslich hat er mir nur eine Frau vorgestellt. Wohl seine Hauptfrau?
Noch etwas zu den Vorräten. Ich habe bereits erzählt, dass hier niemand etwas auf Vorrat hat. Wenn man eine Zwiebel braucht, dann kauft man eben eine und eine Glühbirne im Vorrat, damit man notfalls eine ersetzen kann, auch dies scheint absolut absurd. Genauso steht Ali jeden zweiten Tag lange an um Elektrizität für das Restaurant einzukaufen. Die bezahlt man im voraus – aber natürlich nicht für Wochen im voraus. Einzig hier Zuhause kaufen wir soviel Elektrizität ein, dass es wieder eine Weile reicht, aber das liegt wohl an mir.
Nun erstreckt sich dieses keine-Vorräte-haben aber keineswegs nur auf Geld und Waren. Wenn Ali ein frisches Hemd anziehen will, dann bügelt er es zuerst, da ist er sehr strickt, würde nie mit ungebügelten Kleidern herumlaufen wie ich. Er würde aber auch nie nach der Wäsche einen ganzen Stapel Hemden oder Hosen bügeln. Einfach gerade das, was im Moment gebraucht wird. – Das führt mich wieder zu meiner Tropentheorie: Des mehr oder weniger ganzjährig günstigen Klimas wegen haben die Leute hier nie gelernt vorzusorgen. Vorausschauen, das scheint für sie absurd zu sein.
Im Zusammenhang damit stehen die meist nur kurzlebigen Geschäfte. Lange im voraus Planen und Rechnen, das liegt den Leuten einfach nicht. Ali gibt zu bedenken, dass auch die Geschäfte der Weissen hier nicht langlebiger seien. Was ich bekräftigen kann. Nur denke ich, dass „Mzungus“, die hierher kommen, halt häufig auch Abenteurer sind, nicht typische Geschäftsleute eben. Die planen genauso wenig seriös wie die Schwarzen hier. Sicher selten Vorbilder.
Zum Wort „Mzungus“, Weisse. Eigentlich hat das ursprünglich gar nicht Weisse bedeutet sondern Reiche, aber da die Weissen offensichtlich immer auch reich waren, ist dann die ursprüngliche Bedeutung verloren gegangen. - Erst heute kommen arme Weisse ins Land, die Rucksacktouristen. Auch sie haben einen speziellen Namen erhalten: „Kishuka“, im Plural „Vishuka“. Kishuka kommt von „shuka“ einem Lendentuch für Männer. Es wird im allgemeinen nur zu Hause getragen. - Manchmal stören mich diese Billigsttouristen, die möglichst lange mit möglichst wenig Geld unterwegs sein wollen und selbst hier, wo für sie doch alles ganz unwahrscheinlich günstig ist um jeden Rappen feilschen können. Da schäme ich mich etwas für sie – sie selbst tun das offensichtlich nicht im geringsten.
Auch bei anderen Kleidungsstücken kann es Missverständnisse geben. Das „kanga“, das Tuch für Frauen, das einem Jupe gleich um die Lenden gebunden wird, zusammen mit einem zweiten solchen Tuch, welches in unterschiedlichen Varianten manchmal sehr kreativ um Schulter und Kopf geschlungen wird, gehört ebenfalls nicht auf die Strasse. Mindestens hier in der Stadt nicht. Stattdessen wird hier meist ein „Buibui“ ein mantelartiges schwarzes Kleidungsstück getragen, gleich wie dies auch arabische Frauen tun.
In der Stadt ist einiges anders als auf dem Lande. Hier tragen die Frauen ihre Kinder auch nicht in Lendentüchern herum. Entweder werden sie ganz simpel auf den Armen getragen, man geht ja hier nicht stundenlang, oder dann – seltener zwar – in Tragkörben oder Kinderwagen. Auch schickt es sich nicht, in der Öffentlichkeit Kinder zu stillen, was auf dem Lande wiederum etwas ganz normales ist. Woran man dann sehr einfach erkennen kann, ob eine Frau vom „shamba“, vom Lande kommt, oder hier wohnt.
Eine weitere Story über den „Lukmaan“ das Restaurant. Alis Partner Othmani, ein sehr arbeitsamer und zuverlässiger Mann, da kann man wirklich nichts sagen, hat kürzlich von seiner Mutter, die ihr Haus in der Altstadt verkaufte, etwas Geld ausleihen können. Und damit die offene Front des Restaurants zu der Strasse hin verglast und eine Klimaanlage gekauft. Ich fand das vollkommenen Unsinn. Bevor man sicher ist, dass das Restaurant über die Runden kommen wird solche Investitionen zu tätigen. - Sie fanden das notwendig. Zu viele Fliegen und Staub im Raum, der Geruch von Frites und Fisch der benachbarten Bratküche, der Rauch der Kohlefeuer, da sei ein geschlossener Raum einfach besser. Und ich muss zugeben, dass der nur leicht gekühlte Raum – denn für mehr Kühle reichte der einzelne kleine Klimakasten sowieso nicht – nicht unangenehm war. Doch ich spreche bereits in der Vergangenheit, den die Klimaanlage funktioniert seit drei Wochen nicht mehr. Sei zu stark verschmutzt, der Kohlefeuer wegen, das habe sie enorm abgenutzt, meint der Verkäufer. Man hätte sie auf der anderen Seite des Gebäudes anbringen müssen. – Othmani erzählt mir das ganze mit erstaunlicher Gelassenheit. Bei ihnen mache man halt manchmal einfach etwas, da könne man nicht immer nur überlegen. Und bete dann, dass Gott einem helfen wolle, da müsse man daran glauben.
Wie dem auch sei, seit drei Wochen also keine Kühlung mehr. Und hinter den Glasscheiben verdrängen die immer noch funktionierenden Ventilatoren die Hitze nur unwillig. Mindestens an windigen Tagen ist es nun heisser im Raum als draussen.
Meistens gehe ich am Abend in das kleine Internet eines Inders nahe vom Markt. Seine Computer sind zwar uralt, aber die Telefonleitungen mindestens ebenso gut wie die der Geschäfte im Touristenquartier. Und kosten tut das ganze einen Viertel davon, -.50 Rappen pro Stunde, wenn man ein regelmässiger Kunde ist wie ich. – Was mich auch gleich von dem Vorhaben abgebracht hat, ein Geschäft mit Internet zu eröffnen. Mit diesen -.50 pro Stunde kann man weder die Miete des Lokales, noch die Telefonleitungen - letztere mindestens ebenso teuer wie in der Schweiz - noch die Klimaanlage, noch den Unterhalt der Computer bezahlen. Da muss man wirklich schlecht rechnen können. Mein Inder macht sein Geschäft vor allem durch Telefon- und Computerzubehör das er hier ebenfalls verkauft.
Wenn ich dann in der fortgeschrittenen Dämmerung wieder auf die Gasse hinaus trete, so erschrecke ich jeweils über die feuchte Schwüle, die mich sofort umschlingt, obwohl doch nun die Sonne verschwunden ist. Die Klimaanlage beim Inder funktioniert bestens. Alle Internetkaffees haben hier eine Klimaanlage. Ich nehme an, wegen dem vielen Staub, der den Computern kaum gut tut und der salzigen Luft. Möglich ist aber auch die Temperatur. Ich stelle fest, dass auch mein Labtop sich bei 30 Grad stärker erhitzt als gewohnt.
Nun ist es bereits fast Nacht, nur noch ein schwacher roter Schein über dem Meer. Und im Norden ein einziger, ein extrem heller Stern, der sich zeigt. Jedes Mal, wenn wir am Abend dem Strand entlang laufen bewundern wir diesen merkwürdigen Stern. Auch wenn es dann Nacht ist und viele tausend Sterne sich am Himmel zeigen, bleibt er etwas ganz besonderes, stärker leuchtend als alle übrigen. Kann mir wohl jemand seinen Namen sagen? Ich kann mich nicht erinnern, den bereits einmal von der Schweiz aus gesehen zu haben.
Mittwoch, 25. April 2007
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