Dienstag, 29. Juli 2008

16. Juli 2008


Am Sansibar-Filmfestival gibt es drei Typen von Filmen: Einerseits Filme von Weissen, über Afrika, andererseits Filme von Afrikanern, die an Europäischen Filmschulen eine Ausbildung gemacht haben und schliesslich noch Filme von Afrikanern, die nie in Europa waren und Filme, öfters wohl das Fernsehen einfach kopieren. Das führt dann zu Filmen im Stil der „Nolywood Production“. Actionfilme und Komödien werden afrikanisch adaptiert, die Vorbilder sind erkennbar, doch kann man bereits von einem eigenen Stil sprechen. Die Filme der ersten beiden Gruppen sind für mich einfacher zugänglich, können besser oder schlechter gemacht sein, aber entsprechen irgendwie meiner Psyche, meinem Verstand. Die wirklich afrikanischen Filme machen es mir weit schwerer und ich frage mich nun, ob man zwischen Kulturen überhaupt neutral beurteilen, einen Film bewerten kann. Wahrscheinlich nicht. Wir messen die Filme nach unseren Ansprüchen, nach unserem Geschmack und Diktat. Unserer Art zu denken und zu empfinden. Ich stelle fest, dass bereits der Job, für die Touristen am richtigen Ort in der Stadt Werbeposter aufzukleben von einem Einheimischen ganz anders angegangen wird als von einem Mzungu. Wir schauen an andere Orte hin, wir haben eine andere Logik und glauben deshalb, die Afrikaner hätten keine. Alles eben aus unserer Sicht.
Für meinen Geschmack sind eigentlich bei allen afrikanischen Filmen die Plots, die Geschichten sehr schwach. Viel zu viele Leute kommen vor und die werden nicht eingeführt oder angehängt an bereits bestehendes Filmpersonal. Die Storys sind ebenso undurchsichtig wie die afrikanischen Verwandtschaftsverhältnisse komplex. Vielleicht haben die Leute hier eine bessere Gabe, solche Zusammenhänge zu erfassen? Ich konnte das bisher nicht austesten, Ali wollte mich nie ans Festival begleiten, doch ich hoffe, ich komme noch dazu, dies mit Afrikanern zu diskutieren. Erschwerend zum Verständnis der Handlung ist für mich sicherlich immer noch, dass ich Schwarzafrikaner nicht leicht auseinander halten kann – obwohl ich da grosse Fortschritte gemacht habe. Auch die Art der Filmaufnahmen, häufig sind die Gesichter zu wenig gut ausgeleuchtet. Eine weitere erschwerende, „auch“ afrikanische Mode ist es, mit der Kamera sehr nahe an die Gesichter heran zu gehen, Kinn und Stirne werden oft angeschnitten, manchmal sogar noch mehr.


Einerseits sind die Geschichten für mich also nur beschränkt fassbar. Andererseits natürlich auch die Themen. Gestern Abend sah ich den Ugandischen Film „Battle of the souls“. Das fing mit Zeitungsausschnitten zu unerklärlichen Unfällen an. Eine Geschichte von drei Freunden, die sich regelmässig des Abends im Ausgang treffen. Darum herum drapiert die Geschichten, die jeder einzelne in seinem sonstigen Leben noch hat, Frauen, Kinder, Freundinnen, Arbeit, doch es geht noch, ich folge dem ganzen im Ganzen. Eines Abends taucht in der Bar ein Typ auf, bei dem mir von Anfang an klar ist, dass dies der Teufel sein muss. Warum könnte ich nicht sagen, denn er hat weder einen Geissfuss, noch ist er sonst absonderlich hässlich, doch sein Auftreten, sein Blick macht das klar. Der Typ nun bezahlt die ganze Abendrunde und verlässt dann das Lokal diskret, indem er einen Aktenkoffer mit sehr viel Geld zurücklässt. Bis hierher ist die Anlage des Filmes wirklich spannend: Werden die drei Freunde der Versuchung widerstehen? Das Geld behalten, es zurückgeben? Und warum hat dieser unheimliche Fremde sie eingeladen? Es ist klar, dass dieser Koffer Zwietracht bringen wird, die drei Freunde auseinander reissen. Nach vier Tagen kommt dann der Teufel zurück, zusammen mit einer Frau, der man auch sofort ansieht, dass sie zur Gattung der Dämonen gehört. Aber eben subtil, nicht plump, das ist gut gemacht. Der Teufel nun ist nicht böse, dass bereits ein Teil des Geldes weg ist, bedankt sich im Gegenteil bei den Dreien und lädt sie ein, mit ihm zusammen zu arbeiten, er habe da sehr lukrative Geschäfte. Die drei zögern jedoch, das ganze kommt ihnen unheimlich vor. Weiter geht der Film mit einer abstrusen Party, Sexspiele, die immer noch nicht verschmerzte Ex-Freundin des einen taucht mit einem anderen Mann auf, die Geschichte entgleitet mir immer mehr, wird irgendwie auch unheimlicher, zwei der Freunde fliehen von der Party, weil sie etwas spüren, einer bleibt dort, immer weniger ist klar, wer zu den Dämonen gehört und wer Opfer ist, die Situation und auch der Film werden chaotisch. Bilder vom Teufel, der neben dem Zurückgebliebenen aus trüb sumpfigem Wasser auftaucht und ihn dann brutal zusammenschlägt. Derselbe Mann abwechselnd im Gegenschnitt in einer Kirche, vor einem Prediger am Boden liegend, sich in Krämpfen und schäumend windend, es muss sich um eine Teufelsaustreibung handeln. Schliesslich ein Autounfall (das war doch am Anfang, die Zeitungsausschnitte), einer der Freunde stirbt, ein zweiter muss bereits gestorben sein, das ist mir entgangen, und schliesslich sehen wir den dritten zusammen mit den zwei, in persilweiss strahlende Roben gekleideten Verstorbenen, es ist klar, dass sie nun Engel sind, die ihrem Freund erklären, er sei noch nicht im Jenseits, aber er müsse jetzt kämpfen, zu Gott halten, sich vom Teufel losreissen. Der Film endet schliesslich mit einem passenden Bibelspruch, Schluss. – Ein undenkbarer Film bei uns, denn das ganze ist ernst gemeint. Mindestens bemerke ich, dass das afrikanische Publikum äusserst betroffen sitzen bleibt. Ich selber habe eher ein müdes Lächeln auf dem Gesicht, was soll das, und dann diese oberkitschigen Schlussbilder und die Moral. Der Anfang des Filmes hätte Besseres verdient und hat auch Besseres erwarten lassen.

Heute Abend wird mein Film gezeigt. Ich habe viel Werbung gemacht unter der lokalen Bevölkerung, Flyers verteilt, denn ich möchte, dass möglichst viele Einheimischen kommen, ein Publikum, das sehr schwer ins Kino zu locken ist. Ob sie mit meinem Film etwas anfangen können?

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