Sonntag, 6. Juli 2008

1. Juli 2008


Einkaufstour, oder der Ausflug nach Dar es Salaam.
Die zweistündige Fahrt mit dem Schnellboot ist heute Morgen nicht sehr gemütlich. Sobald wir etwas vom Ufer entfernt sind, werden die Wellen heftiger, das Schiff schaukelt, die Stewards, so kann man sie nennen, denn die Innenausstattung der Schnellboote ist Flugzeugen nachempfunden, verteilen Plastiktüten extra stark, zur Aufnahme von allfällig ausgeworfenen Speisen. Inzwischen liegen bereits überall in den Gängen und sonst an freien Plätzen Frauen und Kinder flach am Boden, den Schleier oder sonst ein Tuch über den Kopf gezogen. Das scheint hier die Methode gegen Seekrankheit zu sein - vielleicht überhaupt gegen jegliches Übel. Erstarren, Augen zu und am besten noch ein Tuch darüber. Der Rest der Fahrgäste döst in seinen Sesseln vor sich hin, ich staune immer wieder, wie Afrikaner überall und jederzeit und ungeniert dieser Untätigkeit frönen können, der Actionfilm findet heute nur wenig Beachtung. Ich bestelle einen Milchtee und versuche an den Bildschirmen vorbei zu gucken, der Film ist brutal, Kämpfe, Schiessereien und noch üblere Tötungsmanöver, Blut in Mengen, das bringt auch meinen Magen durcheinander. Erst als ich hinausgehe auf das winzige Aussendeck im Heck des Schiffes, fühle ich mich besser. Hier hat eine afrikanische Familie ihre Strohmatte ausgelegt, alle lagern am Boden, doch es hat noch Stehplätze frei. Als das Fährschiff ein paar besonders heftige Luftsprünge macht, kommt eine Mutter heraus mit einem aus Panik wie am Spiess schreienden Knaben. Der Junge wird zu Boden gedrückt, die Mutter legt sich daneben und hält das Kind fest und irgendeinmal hört es dann auf zu schreien, erschöpft wohl, oder an den mütterlichen Leib geschmiegt beruhigt. Später werde ich von einem Mann in Swahili angesprochen, Rasta-Typ von höherem Jahrgang, ein paar Zähne fehlen bereits, und kriege ein Kompliment für meine aus hiesigen Stoffen gefertigten Kleider. Schliesslich stellen wir fest, dass auch er einmal in der Schweiz gelebt hat, in Herzogenbuchsee gar, nicht weit von Bern. Und nun seit 9 Jahren mit seiner schweizer Frau, einer Krankenschwester namens An, an der Ostküste, in Bweju ein Ferienressort betreibt. Die sei schon gänzlich eine Sansibari, meint er, mehr als zwei Wochen pro Jahr mache man nicht mehr Ferien in der Schweiz. Das Besondere an der Geschichte: Kürzlich wurde ich auf dem Markt von einem sehr gut Swahili sprechenden Weissen in Englisch angesprochen. Ich müsse hier wohnen, er habe mich schon häufig angetroffen. Woher denn? Er aus Deutschland. Es gebe eine andere Schweizerin auf der Insel, die An von Bweju, eine sehr sympathische Frau, mit ihrem Paradise Ressort, ob ich die kenne? - Merkwürdig die Zufälle manchmal. Ich tausche mit dem Mann dieser An Adressen aus und verspreche, sie dort einmal zu besuchen. Könnte ja auch ein Geheimtipp sein für zukünftige Gäste hier, die etwas Strandluft brauchen.

In Dar es Salaam ist es hektisch wie immer und ich finde, der Ali werde hier genauso wie ich angequatscht wie ein „Mchamba“, ein Mann vom Land eben, ein Landei, das man hereinlegen kann. Wie immer ist unser Ausflug schlecht organisiert oder besser gesagt afrikanisch. Ich habe es nicht geschafft in den zwei Tagen die genaue Adresse des Ladens herauszufinden, der hier Malmaterial verkauft. Einen Namen kriege ich dann glücklicherweise noch per SMS zugeschickt. Telefonbücher gebe es hier nicht meint Ali und wir gehen ins Nyumba ya sanaa, ins Künstlerhaus, ein Tipp vom Zak, doch wenig Aufsehen erregendes, eher für Touristen gemacht scheint mir, trotzdem ein Einblick in die hiesige Malerei, und fragen einen Künstler nach diesem Laden. Der weiss das zwar auch nicht, kennt aber einen anderen Künstler, der das weiss und bringt uns so breitwillig erst zu diesem. Bereits sind wir gut eine halbe Stunde durch die Stadt gelaufen, es ist heiss jetzt, Mittag, als wir den zweiten Künstler antreffen und zu viert nun weiterwandern auf unserer Pilgerreise. Ali verzweifelt schon fast, beziehungsweise bezweifeln wir beide jemals anzukommen, als wir vor einem Laden anhalten, Handwerkerbedarf, ich sehe rot. Doch oben steht effektiv der Geschäftsnamen, den ich habe ausfindig machen können. Und wirklich, es gibt hier Künstlerölfarben, in riesigen Tuben zwar nur, doch Windsor & Newton steht darauf, für rund 8 Franken das Stück. Das scheint mir korrekt, viel zuviel Farbe zwar für mich, doch das kann ich immer verschenken. Ob das Windsor & Newton über chinesischem Schriftzeichen stehend, echt oder nachgemacht ist, werde ich kaum jemals erfahren. Ebenso bezweifle ich die Echtheit des Kleides meiner Nachbarin auf der Rückreise - einer sehr hübschen Afrikanerin übrigens - auf dem Dolce & Gabbana riesig und mehrmals auf einem hässlich gemusterten Stoff in Rostbrauntönen geschrieben steht.
Doch vorerst betreten wir die Fähre noch nicht und gehen ins „Chef’s pride“ essen, dem Restaurant, das einem Sansibari gehört. Wie immer gut, für mich etwas zu grosse Portionen, doch die Festländer, sagt man, essen mehr, mindestens unser Tischnachbar mit seinen drei überfetteten Töchtern, er selbst von üppiger Statur, scheint dies zu erhärten. Was die vier alles auf den Tisch gestellt bekommen und verdrücken ist überwältigend. Plötzlich geht der Strom aus, ich merke dies, als ich in die fensterlose Toilette will, das weckt schlechte Erinnerungen. Auf unserem weiteren Weg durch die Stadt werden wir vom Generatorengeratter begleitet und das erste, das ich schaue, als wir bereits im Finsteren wieder im Hafen von Sansibar einlaufen, ist, ob es in den Fenstern der Häuser Licht hat. Es hat, ich bin beruhigt, war wohl nur ein kleinräumiger Stromausfall.

Auch die Rückfahrt mit dem Schnellboot war weniger angenehm als erwartet. Stürmten die Wellen heute Morgen von vorne rechts auf unser Schiff zu, so verfolgen sie uns jetzt von hinten links. Die Schaukelbewegung ist nicht dieselbe, weniger hart, es macht mir nichts aus, vielleicht bin ich auch entspannter als am frühen Morgen oder abgekämpft schlaff, mein Körper stemmt sich nicht gegen die Bewegung. Das Meer ist sehr unruhig, die Wellen gross, nicht unbedingt hoch aber chaotisch, keine geordneten Wellenzüge. Ich vermute, dass sie unter dem Schiff hindurch laufen, es überholen und anheben, aus dem Kurs drängen. Der Kapitän fährt Zickzackkurs wie ein Besoffener, das sehe ich an der hellen Spur, die das Schiff hinter sich herzieht. Am Himmel nistet sich eine Wolke in Adlerform ein, gerade unter einer schwarzen lang gestreckten Bank, unter der die Sonnenstrahlen hervorblitzen. Der Wolkenvogel begleitet uns lange auf der Fahrt, bis die Sonne im rosa Dunst eintaucht, der ganze Himmel verblasst und schliesslich grau wird. Auch jetzt werden Plastiksäcke verteilt und benutzt und auf der anderen Seite der Schönen sitzt eine Afrikanerin vom Festland mit ihren drei Söhnen, der Jüngste noch ein Baby. Ungeniert packt die Frau ihre Brust aus, der Knabe schläft daran ein und die übrigen Frauen auf dem Deck sind tief verschleiert. Nein, eigentlich sind nicht wir Touristen der Kulturschock in Afrika. Das kam bereits früher. Naturreligionen, Christentum und Islam, Natürlichkeit und Prüderie. Da traf so vieles aufeinander. - Die Mutter hält das Kleinkind, der älteste den mittleren Buben in den Armen, der geniesst es, das sieht man ihm an. Irgendeinmal hängen dann alle drei Knaben an der Mutter, dösen alle gemeinsam - was denn sonst - und die Frau kommt mir wie eine Art Urmutter vor.

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