Samstag, 28. März 2009
Sansibar, den 23. März 2009
Alis Freund Juma, der mit seiner Familie - auch sie eine Frau aus Sansibar - in Kanada lebt, ist wieder einmal hier. Er hat ein Grundstück in Mwera gekauft, etwa eine halbe Stunde von der Stone Town, wenn man ein Fahrzeug besitzt. DalaDala fahren zwar auch dort hinaus, doch das Grundstück ist dann noch recht weit von der Hauptstrasse entfernt. Mwera liegt etwas in der Höhe – soweit man in Sansibar von so etwas reden kann, 200m über Meer vielleicht – gleich nach einer Senke mit sumpfigem Fluss und Reisfeldern. Fruchtbar und grün ist es. Dort steht nun der Rohbau von Jumas Traum: Wände, Fenster, hier nicht aus Glas, sondern Holzrahmen mit Gitterstangen, sind bereits gebaut, das Wellblechdach ebenfalls aufgesetzt, die Elektrizität ist gelegt und auch die rund zwei Meter hohe Mauer mit imposantem Eingangstor steht bereits. Obwohl das in dieser Gegend eigentlich gar nicht Brauch ist. Da leben Bauern, die einfachen Häuser zerstreut zwischen den Bäumen, Ziegen, Rinder und Gemüse. Keine Mauer soweit das Auge reicht. Juma, obwohl er erklärt, er sei einmal Bauer gewesen (das sind hier fast alle irgendeinmal, will heissen, sie sind auf dem Land aufgewachsen und die Eltern haben überlebt, indem sie sich ihr Haus selber zwischen die Bäume gestellt haben und gegessen, was es dort gab. Etwas Maniok angepflanzt, ein paar Ananas, Bananen natürlich. Brotfrüchte, Mangos und Weiteres pflückt man direkt von den Bäumen). Juma also, ist nun ein Städter, deshalb braucht er eine Mauer um seinen Besitz. Und gestern, bei unserem Besuch dort, schlägt er die unreifen Orangen von den Bäumen herunter und nimmt sie mit in die Stadt. Reifen lassen, das könne man die Früchte hier nicht, meint er, denn sonst würden sie sowieso gestohlen. Trotz hoher Mauer fühlt er sich offensichtlich dort nicht sicher. Zu recht? Und: Will man so leben? -
Ich werde von den Mädchen des Weilers hilfreich unterstützt, als ich beim Brunnen Wasser heraufziehen will, um die Pflanzen zu giessen, die wir eben eingesetzt haben. Die jungen Frauen sind sehr nett, etwas erstaunt, dass ich es auch schaffe, einen Eimer hoch zu ziehen, und zeigen mir später, wo ich Kuhmist finde, denn ich frage sie darum, für meine Blumen in der Stadt. Mir wird geholfen, ich packe den Mist in einen Plastiksack und bin meinerseits erstaunt, wie gut die Mädchen Englisch sprechen, denn hier draussen gibt es kaum Touristen. Aus der Schule in Mwera, meint die Anführerin. Vor dem Haus ein uraltes Auto, ein Junge liegt auf der Kühlerhaube und döst, im Auto läuft laut und scheppernd ein Radio, auch mein Mädchen summt mit und tänzelt etwas zu dem englischen Popsong. Discostimmung am Sonntagnachmittag im Busch. Das sieht alles andere als gefährlich aus.
Juma, der seit einigen Jahren in Kanada lebt und als Lastwagenchauffeur arbeitet, hat seinen Job verloren. Seit einem Jahr nur Gelegenheitsjobs. Die Krise eben, ihm sei das verleidet. Und dieses kalte Klima. Doch nun eben kein Geld um an seinem Haus weiter zu bauen, denn bewohnbar ist das noch lange nicht. Nicht einmal die Böden sind zementiert, das braucht noch viel Geld. Doch, so Ende April werde er wieder nach Kanada gehen. Und natürlich, seine Frau wäre gerne auch gekommen, aber die habe keine Wahl, die sei mit den Kindern in Kanada geblieben, zu teuer.
Hier oben also habe ich gestern meinen Avocadobaum eingepflanzt, der aus einem Stein einer besonders guten Frucht gewachsen ist. In gut einem Jahr ist der so hoch geworden, dass er in einem Topf nur noch schlecht Platz fand. Ist schon extrem, wie rasch hier die Pflanzen wachsen, da bin ich immer wieder verblüfft. Der Hof ist nun bereits sehr schön zugewachsen und jedes Mal, wenn ich komme, muss ich zurückschneiden, roden auch. Wahnsinnig, wie gross der Oleander bereits ist, den ich vor fünf Monaten als Steckling aus Daresalaam mitgebracht habe. Der kriegt nun den Topf der Avocado, die wir in die Freiheit entlassen haben. – Was sich hier ebenfalls unheimlich schnell ausbreitet, das sind die Parasiten. Weisse Wolläuse, die von den Ameisen in die Triebspitzen getragen werden, auch Schildläuse, die an den Stängeln harte Beläge bilden, so dicht stehen sie. Alles Leben ist hier viel grosszügiger, viel üppiger, etwas beängstigend.
Ein eigenes Haus, davon träume eben jeder Sansibari, meint Ali. Statt sich zuerst eine Existenz aufzubauen. Denn was wolle der Juma einmal da draussen in Mwera, wenn er kein Einkommen habe? Viel Geld werde in die Häuser gesteckt, alle, die im Ausland arbeiteten, würden erst einmal beginnen, sich ein Haus zu bauen. Von was sie dann einmal leben wollten, das überlegten sie sich kaum. Ich frage mich zusätzlich, wie einfach es für diese Leute dann jeweils ist, heimzukommen. Das dauert doch Jahre, bis solch ein Haus, denn die werden ja nicht bescheiden geplant, das sind kleinere einstöckige Villen mit komplizierten Wellblechgiebeln, dann einmal fertig wird. Ich frage mich also, ob Juma, seine Frau und die Kinder sich wohl hier überhaupt einmal wohl fühlen werden. – Immerhin, falls sie wirklich noch hierher kommen sollten, dann werden sie einen Garten vorfinden, in dem bereits grosse Bäume stehen. Orangen, Avocados, Zitronen und Rambutan. Die Bananen und Ananas, und der Maniok, die im Moment dort wachsen, die werden bis dann längstens aufgegessen sein und durch neue Pflanzen ersetzt.
Noch immer lächelt mich Barak Obama von unzähligen „Kangas“, den Sansibarischen Frauentüchern, in den diversen Läden ausgehängt an. Ein ausgesprochen hässliches Foto wurde da verwendet, finde ich. Sein Mund entblösst weisse Haifischzähne und auf diesem grob gerasterten Druck wirkt er alles andere als anziehend oder sympathisch. Doch auch da scheinen sich unsere Geschmäcker zu scheiden. Wer diese Kangas kaufen soll, das ist mir schleierhaft. Nicht dass es etwas Besonderes wäre, das Kangas mit dem Portrait eines Politikers bedruckt würden, auch die Präsidenten hier tun das vor den Wahlen und geben die Tücher gratis ab. Aktualitäten fliessen oft ein, so gab es auch ein Kanga zu der Fussballweltmeisterschaft. Doch auch dieses sah ich sehr selten von Frauen getragen. Vielleicht werden diese „Sonderausgaben“ in den Stuben aufgehängt.
Apropos Lachen: Da sind sie ja gut, die Afrikaner. Nicht nur, dass ihre weissen Zähne besser aus der dunklen Haut hervorstechen, nein, Afrikaner lachen gerne und häufiger als wir. Und etwas erstaunt stelle ich fest, dass mich hier auch Touristen beim vorbeigehen häufig anlächeln. Das ist wohl ansteckend und überträgt sich auch auf Mzugus. - Doch manchmal frage ich mich dann auch, ob an mir etwas Besonderes sei, vielleicht eben auch etwas nicht mehr Weisses, das macht, dass ich von Touristen beachtet werde. Und häufig auch um Auskunft gefragt. Das ist mir bereits in Paris aufgefallen. Wie man irgendeinmal klammheimlich vom Touristen zum Einheimischen mutiert. Sich offensichtlich anders, selbstsicherer, sicherer wohl auch, bewegt, und so sowohl von Einheimischen wie auch von Touristen als Bewohner taxiert wird.
Dieses Einheimischsein, auch Einheimischsichfühlen hat auch Nachteile. Der Reiz des Neuen entfällt bereits etwas. Wohl bin ich noch Zuschauer, beobachte gerne Leute und Dinge, auch den Sonnenuntergang täglich mit gleicher Begeisterung. Und doch, ich bin eben nicht mehr unterwegs, es ist hier Alltag geworden. Was ich einerseits schön, aber auch etwas traurig finde. Ich mag eben das Aussergewöhnliche, das Gewohnheiten brechende. Ich mag es, dauernd und täglich überrascht zu werden.
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