Mittwoch, 11. Juli 2007
2007-7-9
9. Juli 2007
„Malaika“ heisst Engel, Körperbehaarung und auch Kleinkind. Wobei mir Kleinkind noch einigermassen logisch scheint. Schliesslich werden Bebes oft als Engel bezeichnet. Oder umgekehrt mollige Kleinkinder nackt in alten Gemälden als Engel eingesetzt. - Hingegen habe ich mir Engel immer ohne Körperbehaarung vorgestellt. Wie dem auch immer, Swahili eben.
Die Mütter hier. Mohamed habe auf die Frage, was am wichtigsten im Leben sei, geantwortet, die Mutter. Auch an zweiter und dritter Stelle kam nochmals die Mutter. An vierter Stelle dann der Vater. Das sage man nie, wenn man darüber klage, im Islam würden die Frauen unterdrückt. Dabei seien die Mütter hier das Allerwichtigste. Und einer Mutter widerspreche man nicht, der gehorche man.
Eine sansibarische Angelegenheit: Eine Cousine von Ali macht zusammen mit ihrer Freundin - beide wohnen gemeinsam in einem Haus und sind mit zwei Brüdern verheiratet - Chapatis für das Restaurant, was ihnen einen nicht schlechten Verdienst einbringt. Nun ging sich einer der Ehemänner bei Alis Mutter beklagen, die Frauen hätten nicht mehr genug Zeit, ihren Haushalt zu erledigen, das gehe so nicht weiter, sie, die Ehemänner, würden vernachlässigt. Sofort lässt die Mutter Ali zu sich kommen und erzählt ihm die Geschichte. Man wolle schliesslich Frieden in der Familie. Ali frägt nun den Ehemann direkt, was los sei, doch der weicht aus, das sei nicht schlimm, nein, er werde nicht vernachlässigt. - Die Mutter ist damit nicht zufrieden. Gemeinsam mit einer anderen Verwandten ist sie der Meinung, dass die Ehemänner wohl eifersüchtig seien, dass Ali zweimal pro Tag dort vorbeifahre um die frischen Chapatis abzuholen. Denn eigentlich müssten sowohl Chapatis, wie Haushalt für die beiden jungen Frauen, die nur ein einziges kleines Kind haben, zu erledigen sein. Das müsse einen anderen Grund haben. So übernimmt es die Mutter, der Cousine zu erklären, dass nun fertig sei mit dem Nebenverdienst, denn der stifte Unfrieden. Die zwei Frauen wiederum sind damit gar nicht zufrieden und gehen sich beim Vater der Ehemänner beklagen. Dieser seinerseits ruft Ali herbei und schlägt vor, dass die Frauen halt nicht mehr – wie bisher – 100 Chapatis pro Tag zu backen hätten, sondern nur noch deren 60. Damit müsste ihnen wirklich genug Zeit bleiben, sich richtig um den Haushalt zu kümmern. Ali wiederum findet diese salomonische Lösung gut, muss aber das ganze zuerst mit seiner Mutter besprechen. Diese schliesslich befindet, das bringe überhaupt nichts. 60 Chapatis oder 100, das komme doch gar nicht darauf an. Wenn die beiden Brüder eifersüchtig seien, könne man das Problem so nicht lösen. Sie übernimmt es, den Frauen mitzuteilen, dass nun Schluss mit diesem Nebenverdienst sei, denn der sei schlecht für den Zusammenhalt der Familie. Worauf die Sache endlich erledigt ist, denn das Urteil der Mutter respektieren alle. – Die ganzen Verhandlungen haben viel Zeit und Energie gekostet. Und ich frage mich, weshalb sich denn die Ehemänner nicht direkt bei den Frauen beklagen konnten. Und umgekehrt auch die Frauen nicht direkt mit ihren Männern sprachen. Aber das ist eben der afrikanische Weg.
Gestern ist das zehntägige Filmfestival von Sansibar zu Ende gegangen. Ab dem dritten Tag gab es dann auch ein Programmheft zu kaufen, das ich aufmerksam durchgelesen habe und mir Filme herausgestrichen, die ich sehen wollte. Ein grosser Teil der Filme waren Dokumentarfilme, einige Musikfilme und wenige Spielfilme. – Leider habe ich nur teilweise das gesehen, was ich auch sehen wollte, denn häufig hat der Programmablauf nicht mit dem Programmheft übereingestimmt. Nun war es überhaupt nicht so – wie man dies hier vielleicht erwarten würde – dass alles verspätet war. Nein, im Gegenteil war die Technik erstaunlich gut, keine Pannen und wo der Ton schlecht war, da war er dies bestimmt bereits im Film, daran lag es nicht. Häufig jedoch waren die Filme, die ich sehen wollte, bereits am Laufen, oder zu Ende. Denn konnte ein Film aus irgendeinem Grunde nicht gezeigt werden, dann fügte man lückenlos den nächsten an. Was dazu führte, dass das Filmprogramm eigentlich immer früher fertig war als geplant. - Nach drei Tagen habe ich mich daran gewöhnt früher zu gehen und so im allgemeinen auch gesehen was geplant. Zumal das ganze ja auch wirklich billig war, einen Franken für das ganze Tagesprogramm und 1.50 am Abend – allerdings nur für Einheimische, ich habe ja nun eine Aufenthaltsbewilligung.
Die wichtigsten Themen waren dieses Jahr die Sklaverei, Aids natürlich, dann aber auch das Leben der Migranten in Europa. Mein Lieblingsfilm war „Juju factory“, eine Tragikkommödie über das Leben von Kongolesischen Einwanderern in einem Quartier Brüssels, das fast ausschliesslich schwarz sein soll. Der Film war witzig gemacht und zeigte sehr viel typisch Afrikanisches. Ein Beispiel: der Bruder einer der Protagonistinnen kommt nach Belgien studieren. Sie holt ihn am Flughafen ab und er kauft sich zu ihrem Erstauen Schuhe für 450 Euros - um sie anschliessend um 5 Euros zu bitten, denn er habe kein Geld mehr für die Zugfahrt zur Uni. Worauf sie wütend meint, dann solle er eben die 30km mit seinen neuen Schuhen zu Fuss zurücklegen. Oder der Schriftsteller - der erst am Ende des Filmes zu seinem verdienten Erfolg kommt - und eben von den Pfändungsbeamten heimgesucht wurde. In seiner Wohnung bei Kerzenschein lesend, weil der Strom abgestellt wurde, erhält er ein Telefon aus Afrika: Ob er nicht rasch 100 Dollar senden könne.....
Die Filme tagsüber wurden in einem Saal im zweiten Stock des „House of wonders“ gezeigt. Ein etwas mühsamer Aufstieg jedes Mal, denn die Stockwerke dieses Palastes sind sicherlich zwei- bis dreimal so hoch wie normale. Und der Lift, der erste in ganz Sansibar, der dem Gebäude auch seinen Namen gab, ist seit langem ausser Betrieb.
Belohnt wurde man dafür in den Pausen mit der prachtvollen Aussicht, die man von der Dachterrasse des Gebäudes auf Stadt, Hafen und Meer hat. Das Gras in den Forodhani Gardens, dem Park, der gleich darunter liegt, ist nach drei praktisch regenlosen Wochen bereits gänzlich gelb gebrannt und staubig. Im Norden fallen mir die knallgrünen Dächer einer Dachterrasse auf, die sich weit über die übrigen Gebäude erhebt, das „Emerson“ Restaurant und Hotel, das nun nach der berühmten Sansibari Sängerin Bi Kidude auf „Kidude“ umgetauft worden ist. Ein Film war übrigens auch dieser über hundert jährigen Legende gewidmet, die noch letztes Jahr auf Tournee in Europa war. Bi Kidude soll mit mehreren Tausend Franken aus Europa zurückgekehrt sein. Die sie innerhalb von zehn Tagen an ihre Familie, Freunde, Nachbarn losgeworden sei. Kranke Mutter, Schulgeld nicht bezahlen können, was auch immer, es gibt der Gründe deren viele hier. Bi Kidude lebt sehr einfach. Geld sei ihr nicht mehr wichtig. Die Sansibaris haben ein zwiespältiges Verhältnis zu ihr, eine viel zu unabhängige Frau. Raucht und trinkt und steht in den Filmen dazu. Auf die Frage, wie sie so gesund ihr hohes Alter erreicht habe, was denn ihr Geheimnis sei, meint sie: barfuss herumgehen. Eine schlagfertige witzige Frau bei der man nie so ganz sicher ist, wo sie etwas ernst meint und wo sie einem auf den Arm nimmt.
Ich nehme mir vor, vor meiner Abreise noch einmal auf die Terrasse des Emerson Hotels hinaufzusteigen. Traumhaft muss von dort die Aussicht sein. Obwohl ich eigentlich dagegen bin, dass hier alle beim Renovieren gleich noch ein bis zwei Stockwerke darauf setzen. Am Schluss werden in der Stone Town Hochhäuser stehen, denn wenn der Nachbar aufstockt um eine bessere Aussicht zu haben, dann ist meine Aussicht verdorben, also muss ich auch aufstocken, worauf der nächste nicht mehr bis zum Meer sieht und aufstocken muss,.......
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