Mittwoch, 4. Juli 2007

1. Juli 2007


1. Juli 2007

Hapana, siyo, la: Drei Swahili Wörter, die „nein“ bedeuten. Daneben gibt es aber auch das etwas meckernd gesprochene „ä-ä“ (das kann man gar nicht richtig in Buchstaben umsetzen), das für einen Berner leicht zu verstehen ist. Einzig die Aussprache unterscheidet sich etwas.

Eine negative Antwort erhalte ich auch gestern, als ich am zweiten Tag des Filmfestivals, das als grösstes von ganz Ostafrika angepriesen wird, nach einem Katalog mit den Beschreibungen der Filme frage. Der sei noch nicht fertig gedruckt. Vielleicht Morgen. So gehe ich auf gut Glück zwei Filme anschauen. Beides sind Dokumentarfilme, von Europäern gedreht. Bedingung ist ja, dass entweder der Filmemacher aus Afrika kommt, oder das Thema mit Afrika zu tun hat. Beide Filme enttäuschen mich etwas. Der eine vom Inhalt her, der andere von Inhalt und Form. Obwohl mich das Thema des zweiten Filmes sehr interessiert hätte: Moderne Architektur in Daresaalam. Doch der holländische Filmemacher vermischt Architektur und Politik. Die Zeit nach der Unabhängigkeit Tansanias soll illustriert werden. Weder Architektur noch Politik werden dabei richtig gezeichnet.

Etwas Positives will ich nun doch noch über die Afrikaner schreiben, nachdem ich das Gefühl habe, sehr viel Negatives gesagt zu haben. Die Hilfsbereitschaft der Leute hier. Als Saidi, ein Freund Alis, der immer noch in der Schweiz lebt, hier auf einen Besuch kommt, ist es für Ali selbstverständlich, dass er auf einen Anruf hin sofort zum Flughafen fährt und den Freund abholt. Ich finde, der Saidi hätte das ja auch etwas vorher ankündigen können, der wusste doch im voraus, wann er in Sansibar landen werde. Ali stellt ihm seine alte Wohnung zur Verfügung, das ist ganz selbstverständlich, weil dieser, nach sieben Jahren Schweiz, nicht in den einfachen Verhältnissen, in denen seine Familie weit draussen in den Vororten lebt, übernachten will. Selbstverständlich ist für Ali auch, dass er den Saidi jeden Morgen mit dem Motorrad dort hinausbringt und am Abend wieder zurück in die Stadt holt. Ich bin etwas erstaunt darüber, da sich ja die Beziehung der beiden merklich abgekühlt hat, nachdem Saidi eine Schweizerin geheiratet hat, mit der sich Ali überhaupt nicht versteht.
Doch dann umgekehrt. Wir sind in Daresaalam und beschäftigen uns mit dem überbordenen Papierkrieg. Die meisten Papiere stellt die sich für autonom haltende „Revolutionäre Regierung Sansibars“ zwar immer noch selbst aus und lässt sie sich auch bezahlen. Doch werden diese im Ausland nirgendwo mehr akzeptiert, denn ein Land „Sansibar“ gibt es seit mehr als 40 Jahren gar nicht mehr. Deshalb müssen wir versuchen, die nötigen Dokumente in Daresaalam zu beschaffen. Hier kennt sich der Ali aber nicht aus. Telefoniert einem Bruder von Saidi, der ein erfolgreicher Geschäftsmann ist. Eine halbe Stunde später treffen wir diesen im Marktquartier „Kariakoo“. Mit einem Taxi führt er uns in der Stadt herum. Das Büro hat leider gezügelt, die erste Adresse stimmt nicht mehr. Unterwegs erledigt der Bruder noch seine Bankgeschäfte, kommt aber nach kurzer Zeit zurück und die Fahrt geht weiter. Endet in einem Büro, in dem bereits sehr viele Leute warten, der Bruder bleibt mit uns gut zwei Stunden dort, bis er die Gelegenheit hat, mit einem der Beamten zu sprechen, den er von früher her kennt. Er legt ihm unser Anliegen vor und der Beamte verspricht, die Papiere zu beschaffen. Gegen ein Entgeld von 50.-SFR, schliesslich übernimmt er Arbeiten, die uns für einige Tage in Daresaalam festgehalten hätten. – Ich überlege mir nun, welcher Schweizer einfach kurzfristig seine Arbeit für drei Stunden hätte liegen lassen, um einem Freund seines Bruders, den er vorher ein einziges Mal gesehen hat, zu helfen. Das ist doch unvorstellbar. Und hier einfach normal. Nimmt den Leuten ganz klar viel Arbeitszeit weg, doch wenn es eben alle tun, dann geht die Sache auch irgendwie auf. - Obwohl mir Ali bestätigt, dass diese Hilfe wirklich normal sei, bedanke ich mich bei dem Bruder herzlich. Und stelle fest, dass ihm dies Freude macht. Sich bedanken wiederum, ist nämlich nicht die Stärke der Afrikaner. Gegenseitige Hilfe ist normal, was soll man da gross Worte verlieren.

Auch Majid, ein anderer Freund Alis, der in der Schweiz alte Kühlschränke, Waschmaschinen und weiteres Elektronikgerät einkaufte und dann nach Sansibar spedierte, fand es absolut normal, in seinem Container etwas Platz für meine Sachen frei zu halten. Unmöglich, ihm etwas dafür zu bezahlen, obwohl ihn der Versand des Containers auch 4000.- gekostet hat. Einzig für ein Mittagessen lässt er sich einladen. – Als wir die Waren hier in Sansibar bei seinem Vater in Empfang nehme, möchte ich diesem etwas geben, doch Ali hält mich zurück. Das sei beleidigend, ein anderes Mal könnten ja vielleicht wir etwas für den Vater oder Majid tun, das müsse man so sehen.
Seit gut einem Monat nun ist Majid in der Schweiz im Gefängnis. Niemand weiss genau unter welcher Begründung. Ich nehme an, das sei die von Blocher eingeführte Beugehaft, Majid war illegal in der Schweiz und hätte seit langem ausreisen sollen. Sein Vater ist ein gebrochener Mann. Der Sohn, der in der Schweiz einkaufte und ihm ein einigermassen florierendes Geschäft ermöglichte inhaftiert. Obwohl ich nie genau begriffen habe, wie zwischen den Okkasionspreisen in der Schweiz, Transport und Steuern und schliesslich dem Verkaufspreis hier überhaupt noch gross ein Gewinn zu erwirtschaften war. Majids Vater erzählt, dass er Dämonen in die Schweiz geschickt habe, um seinem Sohn zu helfen, schliesslich lebt eine ganze grosse Familie hier von diesem Geschäft. Ali ist entsetzt ob solchem Aberglauben. Findet, vielleicht sei das ja auch gut so für den Majid. Schliesslich lebe der in der Schweiz in einem Lügengebilde und ein solches Leben sei für einen gläubigen Muslim unmöglich. Es sei gut für Majid, wenn er gezwungen werde, diesen Zustand aufzugeben, da dürfe man sich nicht dagegen auflehnen.

Sonntagnachmittag. Wir fahren mit dem Motorrad aufs Land, weil ich endlich einmal „Durians“ essen will, diese unangenehm riechenden, grossen stachelig-grünen Früchte, die es überall in den Tropen zu kaufen gibt. Vielerorts werden am Strassenrand unterschiedlichste Früchte verkauft, wir halten an und lassen uns eine Durian öffnen. Unangenehm weisslich-schleimig, wie riesige Maden aussehende fleischige Samen finden sich darin, die sehr scharf riechen. Ich riskiere es. Der Geschmack ist viel schlimmer als erwartet, extrem stinkender Käse ist da nur ein Vorwort. Das salzig sehr ungewohnt würzig riechende Fleisch erinnert in nichts an eine Frucht, nach dem ersten Samen gebe ich es auf. Da müsse man sich eben daran gewöhnen, meint Ali. Als er als Kind von Pemba nach Sansibar – Unguja eigentlich, den Sansibar ist der Name für das ganze Archipel – gekommen sei, da habe er diese Frucht zum ersten Mal gesehen. Und beim ersten Mal essen auch überhaupt nicht genossen. Das sei eben eher wie Käse, als wie eine Frucht. Nun möge er die Durians. Und die Inder hier, die seien ganz verrückt danach. - Ich glaube nicht, dass mir dies jemals passieren wird.

Schön wäre es, auch im Landesinneren spazieren gehen zu können. Doch dies ist schwierig, weder ausgeschilderte Wanderwege, noch aufschlussreiche Karten, die dabei helfen könnten. Einzig schmale Pfade, die sich im Gebüsch verlieren und sicherlich zu irgendwelchen Häusern führen, doch als nicht Ortsansässiger nützen die einem nichts. So bleiben einem eigentlich nur die langen Strände. Schade eigentlich, ich bin sicher, viele Touristen würden Spaziergänge durch die von Bäumen beschattete Landschaft geniessen.

Überall fahren wir auch an angefangenen Häusern vorbei. Meist wächst nun Gebüsch, gar Bäume zwischen den Grundmauern, man hat das Gefühl, dass diese Bauvorhaben aufgegeben worden seien. Doch dem ist nicht so. Manchmal dauert es eben 20 Jahre, bis ein Haus dann einmal fertig ist. Man baut wieder ein wenig, wenn man gerade genug Geld hat um das Material für eine neue Mauer zu kaufen. Meistens sind die Grundrisse der Gemäuer sehr grosszügig. Häuser mit bis zu zehn Zimmern sollen entstehen. Statt dass man erst einmal ein kleines Haus fertig bauen würde, in dem man dann auch wohnen kann und das man - sobald finanzierbar - auch erweitern kann. Aber das ist eben die afrikanische Denkweise. Man träumt von einem grossen Haus, also beginnt man auch damit, ein grosses Haus zu bauen. Und denkt nicht daran, dass dieses Gebäude wahrscheinlich erst nach Jahren einmal bewohnbar sein wird.

Bei Sonnenuntergang kehren wir in die Stadt zurück, noch bevor es finster ist. Trotzdem schliesse ich jetzt die Fenster, mich fröstelt etwas, der kühle Wind ist mir unangenehm.

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