Freitag, 19. Oktober 2007

13. Oktober 2007




Eine Erdgeschosswohnung in der Mizingani Road, in den Wohnblöcken aus der DDR Zeit. Abfallhaufen rings um die Häuser, nackter Boden, von Vegetation ist wenig übrig geblieben. Wir treten direkt ins Wohnzimmer ein, und das ist erstaunlich geräumig, nimmt die ganze Tiefe des Gebäudes ein und hat so beidseits Fenster. Ein mit Spannteppichen ausgelegter Raum, einziges Möbelstück ist das Tischchen, das den laufenden TV – natürlich eine Sendung mit predigendem Muslim, diesmal in Englisch, Peace TV nennt sich das - trägt. Sonst ist der Raum gänzlich leer und sauber.
Die Haustür wird vom Hausherrn geöffnet und nach einer Weile springen hinter dem schweren Vorhang, der den Raum von der übrigen Wohnung trennt, noch vier Kinder hervor, zwei Mädchen, etwa acht, neun Jahre alt, haben erstaunlich weisse Haut, ihr Vater ist Araber erfahre ich später, der Hausherr hier nicht ihr leiblicher, eine weitere Patchworkfamilie also. Daneben leben in diesem Haushalt noch die Mutter der Frau und vorübergehend, denn sie wird im November auch heiraten, noch eine Cousine, Aisha. Und das sehr dunkle Mädchen, kaum älter als die zwei hellen, das ist die Hausangestellte, erklärt mir Ali. Später treten dann auch die Frauen ein, die Gastgeberin gibt mir Küsschen, ich erwarte das hier nicht, denn das ist ja nicht Brauch, so bin auch ich verlegen und das ganze wirkt sehr ungeschickt. Der Mann am Fernseher spricht über Jihad und Terrorismus, hätte mich eigentlich sehr interessiert, dieses Thema von einem Muslim diskutiert zu hören, doch zusammen mit den Gesprächen am Tisch wird das zuviel. Halb neun Uhr morgens, wir sind zu dem ersten Festmahl nach Ramadan eingeladen, die Männer waren um sieben Uhr in der Moschee beten, die Frauen vermutlich eifrig am kochen. Bald wird eine Hühnersuppe aufgetragen. Das Huhn selbst ist für meinen Geschmack etwas zu zäh, die Bouillon davon jedoch sehr schmackhaft. Kein Gemüse trübt die Flüssigkeit und auch der Rest dieses reichhaltigen Frühstückes lässt nicht auf Vitamine hoffen. Nebst Chapatis, sehr guten, das muss ich sagen, gibt es noch sechs verschiedene Sorten Gebäck, alles selbst gemacht, von Cakes bis staubtrockenen Güetzis, von eher salzig, über würzig, bis sehr süss. Dazu wird Gewürztee mit Milch serviert und gegessen wird alles zusammen. Das ist hier das Auffälligste: Die Leute machen keine Unterscheidung zwischen süssen und salzigen Speisen, Zucker auf Fleisch, das stört überhaupt nicht. Ich muss von allem versuchen und bin am Schluss entsprechend satt, muss aber sagen, dass das meiste wirklich sehr gut mundet, die Gastgeberin ist als gute Köchin bekannt.

Zwischendurch wird heftig an die Wohnungstüre geklopft, jemand wird hineingelassen, die üblichen langfädigen Grussformeln ausgetauscht, beim Hinausgehen drückt der Hausherr oder die Hausfrau dem Besucher diskret Geld in die Hand. Niemand wird eingeladen abzusitzen und mitzuessen, in was für einer Beziehung die Bittsteller, denn darum muss es sich handeln, zu dem Haushalt stehen, bleibt mir unklar. - Ramadan ist die Zeit, wo sich alle Muslime an ihren Glauben erinnern und Almosen geben ist darin Gebot.

Später gehen die Männer, Ali und der Hausherr sind das, hinaus und ich werde eingeladen, die Frauen und Kinder hinter den schweren Vorhang zu begleiten. In einem recht geräumigen, blau gestrichenen Zimmer stehen zwei Betten, eines davon ein doppeltes. Hier ist die Cousine daran, den zwei hellhäutigen Töchtern Festfrisürchen zu machen, geduldig und stolz sitzen sie da. Und werden anschliessend in schönst-kitschige Festroben und neue Schuhe gesteckt, die in der Hitze hier äusserst unbequem sein müssen, aber mit den weissen Kniesocken zusammen einfach dazu gehören. Alle Festtage hier, es gibt deren viele, scheinen mir vor allem für die Kinder zu sein. Die werden dann sehr sorgfältig, vor allem die Mädchen, zurecht gemacht, häufig auch noch geschminkt, und dann stolz in der Stadt herumgeführt, zu Verwandten gebracht auch, die ihnen darauf Geld zustecken. Womit sie anschliessend auf die „Chilbi“ gehen und sich Süssigkeiten und billiges Spielzeug aus China kaufen. Ich bin etwas erstaunt, dass der Junge, das älteste Kind, der mag gut 13-jährig sein, ebenfalls mit den Mädchen und uns auf dem Bett sitzt. Auch die Frauen machen sich nun schön, zeigen mir ihre reich geschmückten Unterkleider, ich bemerke, dass dies doch schade sei, man sehe das ja gar nie, sei eh später unter schwarzem Umhang und Schleier verborgen. Das sei eben so bei ihnen, meinen die Frauen, das sei nur für den Ehemann bestimmt. Auf meine Bemerkung hin, da müsste der aber häufiger zu Hause sein um dies gebührend zu geniessen, lächeln sie nur verlegen. Was mir auffällt und ich nicht erwartet hätte ist, dass auch häufig Männer hinter diesen Vorhang in die Wohnung kommen - die Frauen werfen sich dann rasch ein Tuch über den Kopf – und schwatzend zuschauen bei dieser Schmückungszeremonie, die später dann auch die Frauen selbst ergreift, wobei hier, logischerweise eigentlich, bei den Frisuren nicht derartig viel Aufwand betrieben wird.

Die Cousine ist gebildet, ihr Englisch perfekt – obwohl sie beim Essen kaum ein Wort gesagt hat, doch dass sie versteht, das habe ich ihrem Gesicht angesehen, wir haben nun ein sehr anregendes Gespräch. Wann denn die Mädchen einen Schleier zu tragen begännen, frage ich. So mit dreizehn Jahren, meint sie. Aber man sehe doch häufig sehr viel kleinere Mädchen bereits einen Schleier tragen. Ja schon, aber das sei nicht obligatorisch, das werde nur gemacht, damit sich die Mädchen gut daran gewöhnen würden, den mit dreizehn Jahren sei das eben etwas spät. Die Cousine Aisha, sie arbeitet in einem Reisebüro, und ich, versprechen, uns bald einmal wieder zu sehen.

1 Kommentar:

beta(test)-blogger hat gesagt…

Liebe Eva,
Du musst mal Dein Email-Kto leeren, quillt über!

Dann kriegste auch wieder Poscht.

lg Gerd