Sonntag, 7. Oktober 2007

3, Oktober 2007



Meinen ersten Ramadan-Fastentag habe ich bereits überstanden. Wie es war? Eigentlich viel weniger schwierig als ich gedacht habe. Hunger verspürte ich kaum, nicht einmal Gelüste, was mich etwas erstaunt hat. Vielleicht auch, weil es hier tagsüber kaum Essensgerüche gibt. Selbst die Touristen-Restaurants servieren momentan nur drinnen, man nimmt Rücksicht. Den einzigen Geruch, an den ich mich erinnere, ist der Geruch von frischem Popcorn. Der kleine Lebensmittelladen hier im Quartier hat nun auch so eine Maschine angeschafft und tagsüber wird Popcorn produziert und in Säcklein abgepackt. Auf der Strasse hat es Händler, die Getränke, Nüsse und Früchte verkaufen, doch denke ich, dass die aus Gewohnheit dort sitzen, ein grosses Geschäft ist das jetzt kaum tagsüber.
Der Hunger war also kein Problem. Auch die Lust auf Zigaretten eigentlich kaum. Der Durst schon eher und da war ich nicht ganz strikt. Den Mund darf man nämlich mit Wasser spülen, doch sollte man das nachher ausspucken. Was ich nicht gemacht habe. Wenn mein Mund trocken war, dann habe ich eben mit Wasser gespült und dann runter geschluckt. Allerdings auch dies sehr bewusst.
Das auffälligste am Tag: Er war sehr lang, obwohl ich heute erst spät aufgestanden bin, bin immer noch müde von der Reise und dem Klimawechsel. Der Morgen scheint mir unheimlich weit weg und damit natürlich auch bereits wieder mein Leben in der Schweiz. Essen und Trinken sind eben schon Pausen im Tagesgeschehen, wenn das wegfällt, bleibt viel mehr Zeit. Zwar leben die Leute jetzt schon etwas langsamer als sonst, doch bin ich erstaunt, wie viele eben trotzdem auf der Strasse sind. Wie viele auch auf dem Bau arbeiten, das muss ja eindeutig das Schlimmste sein, Bauarbeit ist hier körperlich sehr hart. Zum Glück ist es momentan gar nicht so heiss. Oder bin ich mir die Hitze bereits derart gut gewohnt?

Der Sinn des Ramadans. Da höre ich Verschiedenes. Ali sieht das Ganze vor allem als Übung der Disziplin, als Unterwerfung unter Allahs Gesetze wohl auch. Nützlich auch, um unser Bewusstsein dafür zu stärken, wie es den Leuten zumute ist, die nicht genug zum Essen und Trinken haben. - Othmani, Alis Partner, hat etwas andere Erklärungen. Ramadan sei etwas, wie eine verordnete Ruhezeit für Körper und Geist. Für Alkoholiker und Raucher eine gute Gelegenheit, ihre schlechten Sitten abzulegen, denn viele würden nach diesem Monat dann gar nicht wieder anfangen. Den Dicken helfe die Fastenzeit abzuspecken. - Gleichzeitig eine Übung, vorzusorgen. Denn eigentlich sollte man im Ramadan nicht arbeiten müssen, für einen Monat im voraus genügend Geld beiseite gelegt haben. Nur sei das eben lange nicht allen Leuten hier möglich, weshalb so viele trotzdem arbeiteten. Den Reichen wiederum, die sich gut einen Monat ohne Arbeit durchbringen könnten, denen solle es die Augen öffnen für die Armen, die selbst jetzt schuften müssten.

Am Abend um halb sieben, wenn die Sonne im Meer versinkt und der Muezzin zum Gebet ruft, ist „Breaking Time“, Fastenbrechen. Ich gehe in den „Lukmaan“ und stelle fest, dass er voller hungriger, eifrig essender Männer ist. Kaum Frauen. Es müssen alles Junggesellen sein, denn normalerweise, so sagt man mir, werde das Fastenbrechen im Familienkreis durchgeführt. Da alleinstehende, geschiedene oder verwitwete Frauen hier bei den Eltern bleiben oder in der Familie eines Bruders oder sonstigen Verwandten, machen Frauen das Fastenbrechen im Familienkreis. Und dass der „Lukmaan“ offen sei, das sei ein Geschenk an all die alleinstehenden Männer, sehr wenige einheimische Restaurants sind während dem Ramadan geöffnet. Bei meinem Gang durch die Gassen, ist es überall fast unheimlich ruhig. Verschlossene Eingangstüren, doch Licht drinnen, man will offensichtlich ungestört essen. Kaum Leute auf der Strasse, Othmani findet, Touristen sollten da nicht in der Stadt flanieren, denn was noch draussen sei, das seien düstere Gestalten. – Wobei das Leben dann von neun bis elf Uhr nachts nochmals loslegt. Alle Läden offen, vor allem auch die Kleiderläden, denn zum Fest am Ende des Ramadans erwarten alle Familienmitglieder neue Kleider und die müssen jetzt gekauft werden. Das sei etwas wie Weihnachten bei uns, meint Othmani.

Ich wollte eigentlich zum Fastenbrechen in die Forodhani Gardens gehen, dem Sonnenuntergang zuschauen und dann einen frischen Kokosnusssaft trinken. Unterwegs aber stosse ich auf Moddy. Der lässt etwas geniert eine Dose Orangina hinter seinem Rücken verschwinden. Zum Fastenbrechen meint er, noch nicht geöffnet. Ich gehe dann mit ihm sein neues Boot am Strand anschauen, das eben gerade mit Touristen von einer „Sunset-Segeltour“ zurückkehrt. Er habe die „Sandra“ gut verkaufen können und für etwas mehr Geld nun ein neues Boot gekauft. Doch, es ist schön, das neue Boot, und ich bin glücklich, dass Moddy es offensichtlich nun ohne meine Hilfe schafft.

Was man beim „Lukmaan“ leider noch immer nicht sagen kann. Eine neue Überraschung: Othmani hat nun doch seine vielen Reiswarmhaltekocher gekauft, neue Gestelle bauen lassen und präsentiert die Speisen nun so. Für mich sieht dies kantinemässig aus, jedoch muss ich zugeben, dass nun, während den Ramadan-Stosszeiten, wo alle gleichzeitig essen wollen, dieses System - die Speisen müssen nicht mehr in der Küche gewärmt werden - seinen Vorteil hat. Nur gibt es im Rest des Jahres ja kaum solche Stosszeiten und eine Person in der Küche, da habe ich mich erkundigt, wurde so auch nicht eingespart.
Auch der Moddy hat häufig an seinem Boot herumgebastelt, abändern lassen, investiert. Zum Beispiel die scheusslichen Plastiksessel aus irgend einem abgetakelten Restaurant, die er als Sitze hat installieren lassen. Zum Glück brachen die innert kürzester Zeit auseinander. Viele Fehlinvestitionen also ebenfalls. Auch bei Moddy der dauernde Drang, zu verändern, in der Hoffnung, oder im Glauben, zu verbessern. Und dennoch scheint Moddys Geschäft nun zu stehen.

Von der grossen Nachlässigkeit der Leute hier. Beim Zwischenhalt in Nairobi schaue ich zu, wie aus unserem Flugzeug kleine Container ausgeladen werden. Offensichtlich wurden hierfür unlängst neuste Technologien angeschafft. Ein Wagen mit allseitig drehbaren Rollen auf der Ladefläche, der das Einordnen der Waren erleichtern soll. Der Typ in dem Gabelstapler schmeisst einen ersten Container darauf, dann gleich den zweiten nach, ohne zu schauen, ob sich der erste gut eingeordnet habe. Was der nicht hat, er hat sich quergestelt. Und nun beginnt das grosse Gemurkse. Mir tun die nicht sehr stabil aussehenden Flugzeugcontainer leid. - Oder der Pilot, der mich von Daresalaam nach Sansibar fliegt. Ein Afrikaner, eine Seltenheit, der grösste Teil der Piloten sind europäische Abenteurer, die hier einen – kaum gut bezahlten - aber eben noch spannenden Job finden mit den kleinen Fliegern. Der Pilot also kommt im letzten Moment, lässt sich vom Bodenpersonal die Türe öffnen und die Leiter bereitstellen. Kein Testen der Motoren. In der Warteschlaufe zum Abflug – das sehe ich ganz genau, denn ich sitze direkt hinter ihm – beginnt er bereits den Sportteil seiner Zeitung zu lesen. Schliesst zwischendurch auf, wenn es weitergeht, liest wieder. Während dem Flug, sobald wir über dem Meer sind, beginnt er irgendwelchen Papierkram auszufüllen, sieht überhaupt die ganze Zeit gänzlich unkonzentriert aus. Dass er am Schluss dann aber erstaunlich elegant landet, muss ich zugeben. Trotzdem, diese Haltung beginnt mich zu nerven. Von gleicher Mentalität ist auch die Tatsache, dass die Quaimauern, die nun wirklich repariert werden müssten, weil in höchstem Grade Einsturz gefährdet, dies nicht nur nicht gemacht werden; selbst eine Absperrung fehlt, die Passanten vor einem möglichen Unfall bewahren könnte.

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