Mit Problemen hört es nie auf, hier gibt es immer etwas zu Flicken, etwas zu Organisieren und selbst, wenn man das Gefühl hat, etwas getan zu haben, bleibt, scheint es, mindestens gleich viel zu tun. Das ist wohl das Geheimnis dieser Stadt. Ebenso schnell, wie etwas neu entsteht - neue Läden auch diesmal wieder, neue Hotels, die Leute sind so optimistisch, Liegenschaften, die renoviert werden, was sehr positiv ist - vergeht es auch wieder, und der Zerfall der Altstadt hält immer schön Schritt mit den Erneuerungen. Wohl deshalb, habe ich jedes Mal wieder das Gefühl, dass die Leute dem Schicksal ergeben herum sitzen, erst gar nicht anfangen zu tun und trotzdem, auf eine unerklärliche Art und Weise immer überleben, selbst wenn das wider alle Vernunft ist, selbst wenn ich nicht verstehe, wie das mit den Finanzen aufgehen kann.
Gestern Abend bin ich zum ersten Mal wieder in die Forodhani Gardens gegangen, mit meiner schlecht ausgeheilten Grippe lag ich erst ein paar Tage flach. Was mich vor allem beunruhigt, ist die Tatsache, dass mich alle Essensgerüche anwidern, am besten gehen noch Früchte und Jogurt. Aber wieder einmal so richtig Appetit auf Essen zu haben, das wäre etwas Wunderschönes. Gestern Abend also ging ich in die Forodhani Gardens und habe ein „Urojo“ gegessen, eine scharf-säuerlich schmeckende Suppe mit Falafel, gekochten Eiern, Fleischstücken, gerösteten Zwiebeln, weiteren undefinierbaren Sachen und auch rohem Grünzeug. Geschmeckt hat es mir nicht, obwohl die Frau das gut machte wie immer. Endlich sah ich auch wieder einmal „den Nigerianer“, einen Rasta von undefinierbarem Alter, sicherlich nicht mehr jung, ich habe ihn vor meiner Abreise vor Weihnachten während Wochen vergeblich gesucht. Er überlebt seit gut 10 Jahren hier in Sansibar mehr schlecht als recht, macht Schmuckstücke und verkauft sie an Touristen. Er erzählt mir, er sei wieder einmal von der Immigration aufgehalten und ins Gefängnis gesteckt worden, zur Revolutionsfeier habe man ihn zusammen mit anderen Gefangenen frei gelassen. Im Gefängnis habe es Afrikaner aus verschiedenen Ländern, Ugander, Ruander und weitere, die illegal auf der Insel seien und immer wieder ins Gefängnis gesteckt würden. Er kenne nun den „Immigration Officer“, mit dem könne man sprechen. Wenn man ihm jeden Monat sein Schmiergeld abliefere, dann werde man in Ruhe gelassen. November und anfangs Dezember seien jedoch schlechte Monate, wenige Touristen, da habe er nicht bezahlen können.
Die meisten Häftlinge seinen wegen Drogen im Gefängnis. Sansibar sei ein wichtiger Umschlagplatz für alle Arten von Drogen, auch konsumiert würde viel, vor allem in den Vororten seien die Süchtigen. Die Drogenhändler würden ebenfalls in Ruhe gelassen, wenn sie genug Schmiergeld bezahlen könnten. Sogar im Gefängnis gäbe es Drogenhändler. Die wollten gar nicht hinaus, denn das Geschäft dort sei sehr gut. Natürlich alles mit dem Wissen und der Unterstützung, bzw. den notwendigen Abgaben an die Wärter. Mit Geld könne man im Gefängnis sehr gut leben, da kriege man alles. Und zwischendurch sage man, man sei krank, dann werde man ins Spital gebracht, gehe nach Hause zu seiner Frau und kehre dann nach drei Tagen ins Spital zurück, von wo man wieder ins Gefängnis gebracht werde. Alles mit dem Wissen der Angestellten. Und mit Geld. - Ihm mache die Entwicklung auf der Insel in den letzten 10 Jahren Angst, meint der Nigerianer, viele junge Leute ohne Arbeit, viele Süchtige, das könne nicht gut kommen. Hat nicht Muhammad in einem unserer letzten Gespräche etwas ganz Ähnliches erzählt? Immer mehr junge Arbeitslose. Vorläufig gehe das gut, die meisten Familien hätten noch genügend Geld, so dass man mit diesen Jungen ohne Perspektiven leben könne. Doch bald einmal wären all diese schlecht ausgebildeten Sansibari, die nun von gut ausgebildeten Leuten vom Festland und anderswo verdrängt würden, ein Problem für den sozialen Frieden. Schnell komme da Missgunst auf.
Das Essen im Gefängnis sei schlecht, sagt der Nigerianer, eine Mahlzeit pro Tag und man müsse hart arbeiten. Über die Behandlung hingegen beklagt er sich nicht. Ich erfahre, dass er Subeti heisst und 44 Jahre alt ist, ich hätte ihn älter geschätzt. Erstaunlich, sage ich ihm, bei uns würden die Gefangenen nicht zum Arbeiten gezwungen, die würden sich eher zu Tode langweilen. Doch eigentlich erstaunt mich nicht, dass hier in Sansibar - wo das Arbeiten die schlimmste Strafe zu sein scheint - Häftlinge zu Arbeitseinsätzen verknurrt werden. Vielleicht braucht es deshalb in den Gefängnissen immer genügend Insassen.
Der Nigerianer lebt auf der Gasse. Am Strand, in der Nähe vom Livingstone Restaurant übernachte er, dem Restaurant, das einem der Präsidentensöhne gehört. Was er dort des nachts sehe, da mische er sich gar nicht ein. Am Strand neben dem Livingstone sind früher die kleinen, flachen Fährschiffe mit Waren gelandet, bis dass eines, überladen mit Menschen, was eigentlich verboten war, gekentert ist, viele Tote, anschliessend wurde das verboten. Doch auch jetzt kämen des nachts Schiffe, erzählt mir Subeti. Mitten in der Nacht würden Benzinfässer ausgeladen. Die verschwänden direkt in den Kofferräumen von wartenden Autos, der Preis sei viel billiger als normal. Da tue er so, als sähe er nichts, alles andere wäre nicht klug.
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