Mittwoch, 21. Dezember 2011

18.Dezember 2011




Afrika verändert sich in einem rasenden Tempo. Wenn man näher hinschaut. Der neue Flughafen in Sansibar ist zwar noch nicht fertig gebaut, doch auf dem Alten steht nun bereits gross „International Airport of Zanzibar“. Ein Wellblechdach wurde vor das alte Gebäude gestellt, so dass man beim Cheque-In wenigstens nicht mehr unter der gleissenden Sonne oder einem Tropensturzregen warten muss. Auch sonst ist alles „zivilisierter“ geworden, selbst die Toiletten durchaus brauchbar, man nähert sich rasend dem Standart der 1.Welt an.

Wie wichtig ist wohl in diesem Zusammenhang, dass der Dollar hier seit meiner Ankunft von 1670 Shillingi am 30. November, über 1615 Shillingi am Tag, wo ich das Haus gekauft habe, also vor drei Tagen auf 1600 Shillingi und hier in Daresalaam heute gar auf 1570 Shillingi abgestürzt ist? Euro und Schweizer Franken haben sich parallel entwickelt. - Selbst in Afrika glaubt man nicht mehr an uns.

In Daresalaam fällt dann vor allem die neue Maschine auf, mit der die Fingerabdrücke gescannt werden. Erst vier Finger der rechten Hand, dann der Daumen, dann vier Finger der linken Hand und schliesslich der Daumen der dazugehörigen Hand. Und wenn man dazu lacht – ich kann mir das dummerweise nicht verklemmen, es ist das erste Mal, dass ich diese Prozedur durchmache - dann wird man böse angeguckt und muss nochmals von vorne anfangen. Dass auch die Pässe gescannt werden ist da nur noch ein Detail und ebenfalls, dass man zweimal durch einen Sicherheitscheque hindurch muss und auch durch 2 Passkontrollen. Jetzt warte ich im „Julius Nyerere International Airport“ von Daresalaam, wie er offiziell heisst und schaue einem jungen Schwarzen zu - offensichtlich einem Europagewohnten - wie er sein Mac Laptop hervor nimmt. Unterwegs beim Reisen, habe ich manchmal das Gefühl, dass alle Leute mit Macs arbeiten. Reisen Mac-user häufiger oder sind sie derartig abhängig von ihrem Baby, dass sie es nie alleine Zuhause lassen können, oder sind sie in jeder freien Minute am arbeiten?

Der Abschiedstag von Sansibar war wie immer hart, plötzlich schlechte Laune, ich kann nicht genau sagen weshalb, doch lasse ich die dann an Ali ab. Das ist ein gut eingespielter Ablauf, den der Ali bereits bestens kennt und in seiner stoischen Art erduldet, besser ihm ausweicht. Ich mag Abschiede nicht, werde da immer borstig, doch irgendwie schaffen wir es doch immer zu einem passablen Schluss. Eine Reise nach China. Da wollte der Ali schon immer hin. Ich habe das dann vor zwei Jahren alleine gemacht. Vielleicht nun doch noch einmal gemeinsam, er ist überzeugt, dass man dort die Baumaterialien, vor allem Bad- und Küchenausrüstungen, die in Sansibar schlecht erhältlich sind - alles importiert – viel günstiger kriegt als in der Schweiz. Vielleicht schon, doch die Reise dorthin...... On verra. Doch, ich denke, auch Ali wäre beeindruckt von China. Auch wenn das Reisen dort schon eher beschwerlich ist. Nicht wegen mangelnden Transportgelegenheiten. Nein, die fehlende Sprache, die macht vieles schwieriger.

Gestern sind wir dann zusammen zur Feier des Hauskaufes in das Restaurant des Serena Hotels essen gegangen. Das Essen ist ungefähr halb so teuer wie in einem 5-Sternhotel in der Schweiz. Die Bedienung allerdings ebenfalls lange nicht so versiert und auf dem Dessertbuffet tummeln sich ganze Ameisenheere, ohne dass dies jemand wahrzunehmen scheint. Das Essen ist gut und wird neben dem Pool serviert, dahinter eine Lifeband und eine Show mit afrikanischen Tänzern vom Mainland. Die Kellnerinnen sind individuell und nach Festlandstil gekleidet, die Kellner in weissem Kanzu und Kufia, der typisch sansibarischen Kopfbedeckung, die der Ali so speziell und elegant zu tragen weiss. Alles ein kulturelles Kauderwelsch, der Aga Kahn ist schliesslich Inder und scheint es mit der afrikanischen Folkolore nicht allzu genau zu nehmen. Ali ist trotzdem beeindruckt davon und bedankt sich für den Besuch. – Vor zwei Jahren hätte er bei den Vorstellungen noch wütend weggeschaut. Solch heidnische Tänze und Frauen mit dürftiger Kleidung! Jetzt kommentiert er mir die alten Songs, die gespielt werden und ich merke, dass er da viel besser Bescheid weiss als ich. Er habe vor Jahren einen Musik-Laden gehabt. Der sei recht gut gelaufen.

Swissport bewirtschaftet den Flughafen Daresalaam und soll auch im neuen International Airport of Zanzibar zum Zug kommen. Immerhin das. Vielleicht gibt es dann einmal Direktflüge der Swiss nach Sansibar, das wäre praktisch. Obwohl ich den Zwischenstop in Daresalaam eigentlich gar nicht so ungern habe. Eine Nacht zwischen den Welten. Beim Rückflug ist das Warten hier hingegen lästig. Überhaupt, ich mag Nachtflüge nicht. Heute scheint der Flug auch noch Verspätung zu haben. Abflug gegen elf, Nachtessen nach der Landung in Nairobi gegen 1 Uhr morgens. Nicht ganz mein Geschmack.
Warten im Boarding-Raum, Schweizer nun wohl mehrere, ein Stimmengemurmel, ich verstehe nicht wirklich, die Leute scheinen mir äusserst expressiv zu sein. Sprechen mit den Händen. Einige Residents – offensichtlich, zwischendurch wird auf Swahili telefoniert. Viele Mzungus verbringen die Weihnachtstage zu Hause, ich erwarte nicht unbedingt einen ruhigen Flug. Geschäftsleute schliesslich. Zwei Weisse und ein Afrikaner. Die beiden Weissen sondern sich ab und sprechen aufgeregt zusammen. Ich habe das Gefühl alles zu verstehen, da braucht es keine Sprache. Irgendetwas ist schief gelaufen hier unten in Afrika.

17.Dezember 2011






Please taa, Licht, ruft der Superpower, unser Nachbar, als wir nach dem Einnachten vom Fischerstrand zurückkommen. Superpower und eine Gruppe Frauen sitzen auf der breiten Treppe vor unserem Haus und sehen nichts. Normalerweise brennt bei unserem Eingang die ganze Nacht eine Lampe, heute sind wir etwas spät. Auf diese privaten Beleuchtungskörper sind die Leute hier angewiesen. In unserer Gasse hat es keine öffentliche Beleuchtung. Doch insbesondere die Hotels beleuchten ihre Eingänge gut, so dass sich alle sicher fühlen können. – Unsere Strasse hat übrigens auch keinen Namen, das haben nur die wichtigen Strassen. Ich habe etwas Mühe, dies einer ob solcher Umstände etwas fassungslosen Schweizer Bankangestellten beizubringen. Im Shangani Quartier wohne ich, reicht das nicht?


Heute sind wir zusammen nochmals in das frisch gekaufte Haus gegangen, denn jetzt können wir es in Ruhe anschauen, es gehört uns. Vorher war ich vorsichtig. Wenn man zuviel Interesse zeigt, treibt das nur die Preise hoch. Ich habe versucht, das Gebäude in Schrittlängen auszumessen und denke, dass ich damit bereits bessere Skizzen herstellen kann. Bis fertige Pläne des Hauses erstellt worden sind geht es bestimmt eine Weile. In den Dimensionen habe ich mich kaum getäuscht. Gut 10 auf 20 Meter ist die Grundfläche. Also ein stattliches Gebäude auf drei Stockwerken.
Ein tolles Gebäude, ich habe Mühe, nicht sofort anzufangen, in meinem Kopf oben zu planen. Ich will mich da zurückhalten, nur den obersten Stock, der mir gehören wird, bearbeiten, denn das Gebäude habe ich ja eigentlich für den Ali gekauft und der macht das, wie er bereits bewiesen hat, auch sehr gut. Er sieht bereits im Parterre, dort wo momentan ein Reisebüro einquartiert ist, eine Filiale des Lukmaan. Etwas gediegener, Essen auf Reservation. Der stattliche Raum mit der schönen Holzdecke eignet sich bestens dazu.

Am letzten Abend hier möchte ich den Sonnenuntergang am Fischerstrand erleben. Immer noch einer der speziellsten Orte für mich. Diese Fischer, die auf einfachste Weise in Bandas, Palmblatthütten leben. Zwischen Ziegen und Hühnern, Strom hat es keinen, nur der Geruch ist schwer zu ertragen.
Wir wandern dann den Strand entlang Richtung Stone Town. Als die Sonne untergegangen ist will ich zurück. Erinnerungen an den Überfall, bereits sind nicht mehr viele Leute am Wasser. Zurück im Fischerdorf wasche ich dann noch die neu gekauften Kangas und Kitenges im Meer und reibe sie mit Sand ein. Das soll verhindern, dass die Farben später beim Waschen zu stark ausfärben. Ich weiss nicht, ob das stimmt, mag jedoch dieses Ritual.

Sonntag, 18. Dezember 2011

16.Dezember 2011








Keki, Keki, rufen die Leute einem dicken Mofafahrer nach, der durch die engen Gassen der Altstadt kurvt. Er lächelt gemütlich dazu. Keki, supu, saladi sind Wörter im Swahili, die eigentlich keine Übersetzung brauchen. Und warum dieser beleibte Mann den Übernamen Keki - was ihn überhaupt nicht zu stören scheint - hat, das braucht auch keine Erklärung.

Bei anderen Wörtern ist es etwas schwieriger. Sawa, betont auf der ersten Silbe beispielsweise, heisst etwas wie ja, okay, ist schon gut. Dass das aber ursprünglich vom Französischen „ça va“ kommt, das hätte ich nicht von selber heraus gefunden.

Orange ist diese Saison Modefarbe, die Frauen mögen knütschorange Kangas und Schleier, häufig mit einem starken Giftgrün kombiniert. Wohl mit ein Grund, weshalb ich dieses Jahr äusserst Mühe habe, Kangas zu finden für meine Sammlung. Diese Farbe mag ja auf schwarzer Haut ganz hübsch wirken, an mir sehe ich sie aber überhaupt nicht. Speziell am Design dieses Jahres sind ferner die graphisch vereinfachten Muster. Tupfen sind sehr beliebt, Zickzackmuster ebenfalls. Nicht mehr so verspielt wie andere Jahre. Und vor allem starke kontrastreiche Farbkombinationen mit teils riesigen Mustern. Die Palme ist wieder à la mode. Allerdings farblich etwas anders, als in dem Modell, das vor ein paar Jahren der letzte Schrei war.

In der Altstadt trifft man gegen Abend immer ganze Gruppen von italienischen Touristen an, die einen Nachmittagsausflug in den Hauptort gebucht haben. Stone Town plus Sonnenuntergang an der Westküste. Erstaunlich viele der Guides sprechen nun ein perfektes Italienisch, man passt sich den Gästen an. Auch Hochdeutsch will man mit mir üben, denn die deutschen Touristen sind ebenfalls häufiger geworden. Und nächstens wird der neue internationale Flughafen auf Sansibar eröffnet, die Landepiste ist bereits fertig, das Gebäude im Bau. Was wird das der Insel bringen?

Gestern haben sich zwei Männer um ein Telefon gestritten, Freunde vom Super Power. Da hat einer ein Messer hervor genommen und den anderen in die Hand geschnitten. Blutspritzer überall im kleinen Gässchen, das am Haus des ehemaligen deutschen Konsuls vorbei geht, ich mag diesen Weg jetzt nicht mehr benutzen. Mindestens bis zum nächsten Regen. - Blut auch in der Hauptgasse heute, vier Männer sitzen am Strassenrand, ich sehe verblutetes Verbandzeug am Boden liegen und gehe rasch weiter. Etwas viel Blut für meinen Geschmack.

Endlich kriege ich heute mein men’s bread, das ich bereits vor Tagen beim Ali bestellt habe. Deshalb so schwierig erhältlich, weil die Männer eben lange nicht jeden Tag arbeiteten, scherze ich. Ali lacht. Sansibaris haben im allgemeinen einen ähnlichen Humor wie ich, das erleichtert vieles. Nein, meint er dann, das Männerbrot sei eben etwas veraltet, heute gäbe es andere Brotarten. Doch immer noch gesund.
Männerbrot heisst das Fladenbrot, weil es in Backöfen ausserhalb der Häuser gebacken wird. Das sei eben traditionellerweise kein Ort für Frauen. Chapatis und Mandazis und weitere Brotarten werden in Pfannen drinnen im Haus hergestellt. Allerdings sind diese Gebäcke dann auch meistens fetttriefend, mir ist das Männerbrot lieber.

Heute Nachmittag gehen wir erstmals zusammen Alis zweite Frau in ihrem momentanen Zuhause bei den Eltern besuchen. Ein strammer Sohn, der Ahmedi. 4 Kilogramm bei der Geburt und auch jetzt noch - nach vier Monaten, zwei Malariaanfällen und, wie es heisst, ein schlechter Esser, Muttermilch hat er nie akzeptiert - sieht der Bube überhaupt nicht krank aus. Kein Wunder, dass die Frau den nur mit Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat. Die Familie wohnt in einem einfachen, staubigen und schattenlosen Vorort, keine Bäume weit und breit. Trotzdem ist das Haus innen erstaunlich gross und luxuriös eingerichtet. Polstergruppe und Fernseher und glitzernde synthetische Vorhänge. Nicht nur gerade eine Bodenmatte am Boden wie bei Alis Familie. Die Eltern sind Beamte, beide, und der Vater spielt auch noch in einem Tarab-Orchester mit. Die Frau arbeitet ebenfalls und der Sohn wird von einem jungen Mädchen vom Festland betreut. Wie das hier so der Fall ist, die sind billig. – Ali ist damit nicht einverstanden. Er findet, man könne die Erziehung eines Kleinkindes nicht einem selber-noch-fast-Kind überlassen. Und überhaupt. Was werde denn aus diesen Mädchen, die 15-jährig die Schule verliessen und dann nichts mehr lernten? Er würde es bevorzugen, wenn eine ältere Frau tagsüber zu dem Buben schauen würde.
Auch Moddy hat seine Ansichten dazu, wie Kinder erzogen werden müssen. Als ich ihn frage, weshalb er denn jetzt, wo er ja eigentlich nichts arbeite und seine Frau in Chwaka eine Ausbildung mache und nur am Wochenende nach Hause komme, nicht selber zu seinen Kindern schaue und die der Mutter der Frau überlasse. Er lacht mich ganz ungläubig an. Das könne doch ein Mann nicht, was ich denn meine. Und dass der Marco auch zu seinen Kindern schaut, dass dies die Männer in der Schweiz häufig tun, das findet er äusserst extrem und wohl etwas abartig.

Bei Sonnenuntergang ist die Flut nochmals höher, sie wird nun wohl nächstens den Höchststand erreicht haben. Das halbe Fussballfeld am Strand ist überschwemmt, die Wellen lecken bereits am Tor. Trotzdem wird weiter gespielt - halt teils im Wasser. Und als der Muezzin zum Sonnenuntergangsgebet ruft, wenden sich drei spitzbärtige Fussballer hinter dem Tor gegen Norden und beginnen zu beten.

15.Dezember 2011


Das House of wonders



nachts im Hafen


Weshalb bin ich plötzlich schlecht gelaunt? Nur weil mich der Ali die 100'000.- Dollars in 100-er scheinen alle alleine abzählen liess und draussen mit den Mitgliedern der Besitzerfamilie geplaudert hat? Junge Leute die meisten, westlich gekleidet, obwohl bei den Mädchen, einige sind sehr hübsch, der Schleier doch nicht fehlt. - Oder weil die Notarin, eine gebildete Frau, die sich elegant und teuer traditionell kleidet - natürlich ebenfalls verschleiert - mir den Islam ans Herz legt. Bereits als ich kürzlich auf dem Land vor einer Moschee wartete und junge Männer mich in gutem Englisch fragten, was ich hier mache. Auf meinen Mann warten, sagte ich. Warum ich denn nicht auch bete, meinten sie, diesmal nicht sanft, sondern aggressiv – auch dies hat mich genervt. Und vielleicht ebenfalls, dass ich in meiner Handtasche eine neue Gebetskette, eine Art Rosenkranz finde. Hat der Ali die für mich gekauft?

Obwohl ich ja eigentlich sehr zufrieden sein müsste. Der Hauskauf ist geglückt. Dass man das Geschäft mit all den vielen Verwandten, die zustimmen mussten, in solch kurzer Zeit erledigen konnte hat mich erstaunt. Die waren eben alle gierig auf Geld - vielleicht nervt auch dies. Besonders der Alte, ein Lehrer, mit seinen wässrigklaren Augen wie dies manchmal bei Schwarzen auch vorkommt, der mich wie ein Junky umwedelte, als ich einen Papiersack voller Dollarnoten herumtrug. Nun sind alle unten im Hof und zählen Geld. Jedem sein Teil, die wollten das direkt und bar auf die Hand, denn keiner traut hier keinem. Ich selber fühlte mich höchst unwohl mit 100'000.- Dollar in der Handtasche und es regte mich auf, dass Ali so cool tat. Das sei normal in Afrika. Das laufe hier eben so. Zuhause, drücke ich ihm den Papiersack mit all den 100-Dollarnoten in die Hand und verziehe mich, ich mag bei diesem Hyänenschmaus nicht zuschauen. Und bin froh, dass die Notarin dabei bleibt und Quittungen erstellt und schaut, dass alle ihren Teil erhalten.
Obwohl: Den Grundbucheintrag, den haben wir bereits und das dazugehörige Dokument ebenfalls. Das ist dann eben schon erstaunlich. Vor 10 Tagen hatten wir das erste Treffen mit der Familie und nun gehört das Haus bereits uns. Beziehungsweise dem Ali, ich wollte ihm dies quasi als Vorbezug seines Erbes schenken. Ich werde nur ein Wohnrecht im obersten Stock haben. Auf 50 Jahre und vererbbar. Das müssen wir noch regeln. Doch nun bin ich zuversichtlich. Manche Sachen gehen in Afrika eben schneller als bei uns. – Obwohl: Sicherlich war es auch wichtig, den Muhammad zu kennen. Der ist nun ein hohes Tier hier und das hat natürlich alles beschleunigt. Ein wenig Glück hätten wir auch gehabt, meinte die Notarin dazu.

13.Dezember 2011






Auf der Rückfahrt von Mangwapani halten wir in einem Vorort an, weil der Planer seiner Familie eine frische Ananas vom Lande bringen will. Im Auto wartend fällt mein Blick auf einen Occasions-Kleiderladen und dort auf ein paar Hosen mit Palmen darauf. Die finde ich wahnsinnig toll, sie kosten etwa 4 Franken und passen mir ausgezeichnet – das weiss ich allerdings erst Zuhause, wo ich sie ausprobiere. Für den Ali kaufe ich ein Kikoi, ein Männertuch mit einem Leopardendruck darauf. Stark abstrahiert, orange Flecken von schwarzen Rändern umrahmt auf weissem Grund, ein schöner, witziger Druck, finde ich. Der Ali erstaunlicherweise ebenfalls. Obwohl er damit vermutlich der einzige Leopardenkönig auf Sansibar sein wird. Ananas, Palmen und Leoparden kommen auf wundersame Weise zusammen. Eine neue Geschichte könnte erzählt werden.

Dass ich früh morgens am Fischerstrand oder, wenn das Wasser tiefer ist, auf der Shangani-Halbinsel Joggen gehe, das wissen bereits alle. Gut sei das, meint einer. Vor allem gegen die Krankheiten, die schwitze man einfach hinaus. Gut möglich, ich war bisher erstaunlich gesund, keine Erkältungskrankheiten, einzig ein paar Tage heftiger Durchfall.
Eine andere Volksweisheit hier befindet, dass das Eingraben in feuchten Sand heilend sein soll. Des Morgens treffe ich viele Leute an, die statt oder nach der Gymnastik, sich die Beine oder gar den ganzen Körper eingraben und aufs Meer hinaus schauen. Gut für Gelähmte soll das sein, meint Ali. Vielleicht bereits der Blick auf das Meer.

Beim Nachtessen torkelt eine riesige Kakerlake aus unserem Vorratsraum heraus. Sie bewegt sich merkwürdig, zum Sterben aus der Kanalisation hinaus gekommen, nehme ich an. Wenn ich die Wohnung mit Mückengift voll sprühe, finde ich danach immer tote Kakerlaken am Boden. Die scheinen auf dieses Insektizid besonders empfindlich zu sein, es trifft sie selbst in den Abläufen unten. - Der Kakerlake legt sich wirklich schon bald auf den Rücken und zappelt noch etwas. Nach dem Essen will ich ihn wegräumen, denn ich möchte nicht im Finsteren darauf treten. Doch bereits zupfen hunderte von winzigen Ameisen an ihm herum, eine ganze Strasse führt zu dem toten Insekt. Ich solle den lassen, findet Ali, ein Festmahl für die Ameisen und bis Morgen früh sei er weg. - Am Morgen habe ich wirklich nichts mehr von ihm gesehen, weder Bein, noch Flügel, noch Fühler.

Freitag, 16. Dezember 2011

7.Dezember 2011





Beim Joggen am Fischerstrand begegne ich immer Frauen, die den Fang der Nacht abholen kommen. Sie tragen nun alle orange Schwimmwesten. Obwohl ich noch nie eine Frau im Wasser oder auf einem Boot gesehen habe, sie sitzen wartend im Sand, bis die Fischer auftauchen. Fischer hingegen, die solche Schwimmwesten effektiv gebrauchen könnten, da nicht wenige des Schwimmens unkundig sind, die habe ich noch nie mit Schwimmwesten angetroffen. Wohl irgendeines, dieser gut gemeinten, doch sinnlosen Hilfsprojekte für Afrika.

Ich habe ein paar Tage im Ferienhaus eines Schweizer Paares in Jambiani verbracht. Wundervoll erholsam der Strand, hier gibt es glücklicherweise noch keine Disco mit hämmernden Bassschlägen bis in den Morgen hinein. Nur das Rauschen der Blätter im Wind und entfernt das Meer. Einmal in der Nacht als ich erwache, ist das Wasser ganz nah, Flut. Ein beklemmendes Gefühl im Finsteren, der Tsunami kommt mir in den Sinn. Überhaupt kämpft die Küste hier – wie an vielen Stellen im Osten und oben in Nungwi an der Nordspitze, mit starker Erosion. Das Meer hat sich in den letzten 20 Jahren weit ins Landesinnere hinein gefressen, die Häuser müssen durch Mauern geschützt werden. Trotzdem sieht man ab und zu von einer unheimlichen Kraft zerschmetterte Mauern, eine Springflut. Weshalb ausgerechnet an dieser Stelle das Meer besonders stark gewütet hat, wissen die Götter.
Das erinnert mich an eine Stelle im Buch eines bekannten peruanischen Autors. Dass keine Wissenschaft berechnen könne, an welcher Stelle genau ein Wellenbrecher gebaut werden müsse, an manchen Stellen werde der stärkste Wellenbrecher immer wieder zerstört. Im Buch kommt ein merkwürdiger Alter vor, der die Gabe hat, die günstigen Stellen voraussagen zu können. Literarische Fantasie oder Wissenschaft?

Themen, von denen ich in der Stone Town nichts gehört habe. Die Fischer sind wütend, weil man ihnen verboten hat, mit engmaschigen Netzten zu fischen. Zu ihrem eigenen Schutz, werden so doch die Jungfische vor der Geschlechtsreife herausgefischt, der Fischbestand ständig dezimiert. Doch die Fischer wollen das nicht einsehen. Kurzfristig gesehen bringt das weniger Fisch. Und überhaupt: Man hat immer mit diesen Netzen gefischt, was soll jetzt daran schlecht sein? – Nein, findet Ali, in der Stone Town merke man auf dem Fischmarkt nichts von dieser neuen Regelung. Diese kleinen Fische, die seien sowieso für den Eigenbedarf der Fischerfamilien gewesen und nie hier verkauft worden.


9 Fischer von Jambiani wurden mit den verbotenen Netzen erwischt und müssen sich vor Gericht verantworten. Das halbe Dorf geht zu den Verhandlungen nach Makunduchi. Allerdings werden die dann auf Januar vertagt. Ein Nachbar berichtet dann noch über den folgenden Prozess, der ihn beschäftigt. Ein Prozess gegen drei Massai, die sich mit Einheimischen gestritten haben und handgreiflich geworden sind. Kürzlich sollen Massai sogar einem Einheimischen mit einem Messer die Kehle aufgeschlitzt haben. Massai sind ein Kriegervolk aus dem Landesinneren und hüten normalerweise Rinderherden. Häufig werden sie jetzt auch in Hotels und Lodges als Wachmänner angestellt. Nun hat es eine ganze Gruppe dieses Volkes aus dem Norden Tansanias aufs Meer hinaus geschwemmt. In Sansibar gestrandet beglücken sie unwissende Touristen mit Folklore und Souvenirs. Die gut gewachsenen hohen Krieger laufen immer in ihrer traditionellen Kleidung herum. Und in der wird eben auch ein grosses Messer versteckt. – Ab nächstem Jahr soll das verboten werden, nur noch Massai in normaler Kleidung. Ali findet das gut. Sowieso sei das lächerlich, wenn Massai hier die Kultur der Gegend repräsentieren wollten. Da hat er natürlich recht, doch zu beschimpfen sind eben auch die Touristen, die überhaupt nicht an der Kultur ihres Ferienortes interessiert sind und dann quasi in der Deutschschweiz Tessiner Zoggeli kaufen.

Ja, ein Riesenproblem, diese Küste, meint Muhammad, der Planer und Architekt zu meinem Anliegen, er möge doch dafür schauen, dass pro Dorf wenigstens eine Landparzelle am Strand offen bleibe und nicht bebaut werde. Damit die Einheimischen noch Zugang zum Meer hätten. Auch die Erosion natürlich. - An und für sich habe Sansibar bereits Gesetze, die es verbieten würden, näher als 30m vom Strand weg zu bauen, meint Muhammad. Etwas spät wohl, diese Gesetze nun noch durchsetzen zu wollen. Und: Wie wird das gemessen? 30 Meter von der Wasserlinie bei Springflut? Wohl kaum, denn sonst wären so ziemlich alle Gebäude an der Küste unrechtmässig errichtet worden.

Gesetze und ihre Durchführung in Sansibar. Da man nicht damit rechnen kann, dass die Leute, die hier etwas Unrechtmässiges gemacht haben auch wirklich bestraft werden - mit Geld kann man hier alles - greifen die Leute eben selber zu Racheakten.
Zum Beispiel das Niederbrennen von Liegenschaften, mit deren Besitzern man eine Rechnung offen hat. Etwa die Bar in einem Innenhof mitten in der Stone Town, ein Ort, an dem ich zwar bereits gewesen bin, den jedoch kein Tourist ohne einen Führer findet. Die sei kürzlich einfach niedergebrannt worden berichtet mir Zack empört. Sein Vater ist Christ, die Mutter Muslimin. Extremisten meint Zack, religiöse Fanatiker, auch Läden von Leuten aus dem Mainland hätten sie bereits angezündet und im Radio will er gehört haben, dass in Sansibar auch zwei Kirchen gebrannt hätten. – Ali weiss nichts von diesen Geschichten. Mir gefallen sie trotzdem nicht. Und erinnern mich an den glühenden Diskurs, den Muhammad kürzlich hielt. Die Araber, die Inder, die Christen, die Mainländer, die Leute aus Pemba. Überall Gruppen nun, die sich gegeneinander aufhetzten würden. Ihm gefalle diese Tendenz gar nicht. Als er noch jung gewesen sei, da habe man in Sansibar zwar materiell sehr schlecht gelebt. Doch alle zusammen. In die gleichen Schulen sei man gegangen, habe Freunde aus allen Gruppen gehabt. Jetzt Privatschulen für Inder, für Araber, für Europäer, alle sonderten sich ab. Eine gefährliche Tendenz, meint er. Und die Regierung unternehme überhaupt nichts dagegen.

6.Dezember 2011




Ich weiss nicht, ob Mücken intelligent sind oder nicht, doch stechen sie ganz bestimmt mit System. Am liebsten unten bei den Füssen, häufig dicht oberhalb der Fusssohle. Wissen sie, dass sie dort weit weg von der Abwehr und geschützt sind? Ich mindestens, sehe eine Mücke aus dieser Distanz ohne Brille nicht mehr. Und fühle ihren Stich auch kaum im Moment. Schlägt der Ali am Abend wild herum und beklagt sich über Mücken, dann merke ich dies erst am nächsten Morgen an der Anzahl der Stiche. - Unterdessen habe ich das mit der Abwehr übrigens bereits wieder aufgegeben. Das ist wie mit den Ameisen: Man muss mit ihnen leben.

Gestern ist unsere neue Waschmaschine geliefert worden. „Westpoint“ die Marke, Energiezertifikat A, darauf habe ich gepocht, wenn wir schon eine fabrikneue Maschine kaufen. Doch ob dieses Zertifikat echt ist und nicht gefälscht? - Weshalb glaube ich hier weniger daran als in der Schweiz? Auch dort ist es ja nur ein beschriebenes Stück Papier.
Eine neue Maschine nun doch, weil das Schiff mit den Occasionsmaschinen immer noch nicht angekommen ist und ich ja auch noch etwas von der neuen Maschine profitieren möchte. Allerdings startet sie dann auch nicht, als wir sie in Betrieb nehmen wollen. Ein Angestellter der Firma Muzamil, bei der wir das Gerät gekauft haben, kommt vorbei. Er stellt rasch fest, dass es nicht an der Maschine, sondern an der Steckdose liegt, die gestern ein Fundi installiert hat. Die beiden Drähte verwechselt. Und so etwas nennt sich Elektriker. Inzwischen haben wir eine supergut waschende Maschine. Hoffentlich widersteht sie dem Zerfallsstreben Afrikas für eine Weile.
Obwohl es durchaus Sachen gibt, die hier erstaunlich lange überleben. Beispielsweise die Küchentücher, die ich aus der Schweiz mitgebracht habe, da die hiesige Qualität lausig ist. Da hat es uralte, die immer noch zu gebrauchen sind. Trotz intensiver Nutzung in der Restaurantküche. Oder die Unterhosen von Coop Naturaline, die ich Ali immer mitbringe, weil hier alles aus synthetischen Materialien ist. Auch für sie könnte man mit Afrikatauglichkeit werben.

Occasionen werden nun an jeder Strassenecke verkauft. Ausrangierte Kühlschränke, Elektrokocher, Mixer und weitere Haushalthilfen sehe ich. Auch eine uralte Bernina Nähmaschine. Dieselbe, die ich einmal von meiner Mutter geerbt habe und dummerweise gegen eine neue eingetauscht. Für 6 Franken könnte ich sie haben. Allerdings fehlt das Stromkabel und auch der Fusstritt oder Kniehebel mit dem man die Maschine in Betrieb setzt.

Heute fahren wir nochmals mit dem Planer, der die Fundamente der Moschee ausgemessen hat, nach Mangwapani. Ganz erstaunt stelle ich fest, dass in den vergangenen zwei Wochen sehr vieles geschehen ist. Gräben wurden ausgehoben und die Fundamente der Gebäude aus Korallenstein gesetzt. Riesig finde ich die Anlage für das kleine Dorf immer noch. Nicht die Moschee, die ist eher bescheiden, doch die Madrasa, die Schule mit einem Zimmer für Knaben und einem für Mädchen, hat stattliche Formate. Ich kann auch gleich noch filmen, wie ein Lastwagen heranfährt und Zementbausteine für die Wände ausgeladen werden, denn mit dicken Korallenmauern werden heute nur noch die Fundamente erstellt. Der Rest sind für unsere Verhältnisse furchtbar dünne Wändchen. - Das ist auffällig seit meinem letzten Besuch. Die kleinen, mit Zweigen geflochtenen und mit Lehm bestrichenen Häuser werden durch Zementbacksteinhäuser ersetzt, die Palmdächer durch Wellblech. Das ist dauerhafter und verlangt weniger Unerhalt. Auch wenn wir Touristen das bedauern mögen.

Auf der Fahrt nach Mangwapani wird im Auto geschwatzt und gelacht. Ich verstehe bereits wieder erstaunlich viel, würde ich noch einen weiteren Monat bleiben, dann wären meine Lücken gestopft. Zweieinhalb Jahre ohne Swahili sind nicht ideal. Und dazwischen noch vom Chinesischen und Brasilianischen abgelenkt. Ein Wort, das ich häufig aus den Gesprächen im Wagen aufschnappe: „management“, das gefällt ganz offensichtlich. Man will das selber übernehmen, bereits streiten sich verschiedene Clans um die Führung in dieser erst entstehenden Moschee. Der Ali will den Unterhalt der Anlage durch Verkauf von Früchten und Gemüsen gewährleisten, die man im Garten der Moschee anbauen soll. Überhaupt träumt er von einem blühenden Garten dort, zu dem er dann jeweils am Sonntag schauen gehen will. Keine schlechte Idee, der wunderschöne Strand von Mangwapani ist ja ganz in der Nähe und von einem Garten hat er immer geträumt.

Ich befinde mich momentan in einer etwas merkwürdigen Situation, was mich jedoch, ganz afrikanisch bereits, nicht weiter beunruhigt. Hier in Tansania bin ich offiziell verheiratet und eine der zwei Frauen von Ali, alias Salum Sharif Hamad, der Ali ist ja ein Überbleibsel aus seiner Zeit in der Schweiz. Dort hat er sich unter dem Namen Ali Hadschi aus Somalia bei der Aufnahmestelle für Asylanten gemeldet. Ein Salum Sharif Hamad ist zwar in die Schweiz eingereist, darauf jedoch haben sich seine Spuren verwischt, Ausreisebelege gibt es nicht. - In der Schweiz bin ich weder mit Salum Sharif Hamad noch mit Ali Hadschi verheiratet, sondern ledig. Mir soll das recht sein.

Zum Sonnenuntergang treffe ich mich mit Moddy im Tembo Hotel, ich muss mich nun aufmachen. Denn bis ich hier alles abgeschlossen habe, dauert es immer eine Weile, so manche Türe muss verriegelt werden. – Froh bin ich darüber, dass ich inzwischen meine Angst vor Schwarzen wieder gänzlich verloren habe. Nachdem ich erst hier am Strand und später in Paris von zwei jungen Schwarzen überfallen wurde habe ich nämlich, wenn ich alleine einer Gruppe Schwarzer begegnet bin, immer Angst gekriegt. Das war schwierig zu bekämpfen. Inzwischen ist das zum Glück wieder weg. Sansibar ist immer noch eine friedliche Gegend. Und ich als „Bi Hawageniesse ein besonderes Ansehen und damit einen Schutz. Mindestens hier in der Stown Town.

Moddy hat schon wieder finanzielle Probleme. Sein Schiffsmotor wurde gestohlen, klagt er mir, nun könne er nicht mehr arbeiten und für das Schiff schauen, die „Sandra“ ist in einem jämmerlichen Zustand, das ärgert mich. Dafür hat er kürzlich einen uralten verlotterten Wagen gekauft. Wollte ins Taxigeschäft einsteigen, obwohl eigentlich seit Jahren klar ist, dass da nichts mehr zu holen ist, weil es bereits viel zu viele Taxis gibt. Das Auto kann er nun auch nicht wieder verkaufen, weil das nämlich niemand will. Moddy hat noch nicht gemerkt, dass die Ansprüche nun auch in Sansibar gestiegen sind, die Leute kaufen neue Wagen und keine verlotterten Rostkisten mehr. Und da er das Auto nicht mehr verkaufen kann, kann er sich auch keinen Motor mehr kaufen und deshalb fragt er mich um Hilfe. Das macht mich wütend, weil ich dem Moddy schon so häufig geholfen habe. Auch weil ich nicht glaube, dass dieses Geld ihm wirklich zu einer gesicherten Existenz verhelfen wird, er ist einfach kein Geschäftsmann. Ich sage ihm das auch. - Und werde ihm wohl doch helfen.

Im Lukmaan spreche ich heute Mittag mit einem Sansibari, der ursprünglich aus dem Oman stammt. Seit Generationen hier, meint er. Und ja, ein schöner Anblick, als er feststellt, dass ich die nackte Taille und den Piercing bewehrten Bauchnabel einer jungen Touristin anschaue. Ja, muss ich zugeben, ein schöner Bauch. Aber vielleicht hier doch nicht ganz so passend, die Religion. Da werde man sich daran gewöhnen mit der Zeit, meint er. Auch hier in Sansibar. Und rühmt den Lukmaan. Ein sehr gutes Restaurant sei das geworden. Wie immer erfüllt mich dies mit Stolz. Obwohl ich eigentlich nichts dazu getan habe. Ausser zum Durchhalten zu mahnen am Anfang, als alles schwierig war.

Moscheen kümmern sich nicht nur um das geistige Wohl ihrer Schützlinge, nein, meistens sind sie auch das Wasserversorgungszentrum des Quartiers, denn von der öffentlichen Leitung kommt selten Wasser mit genügend Druck. Leute, die von der Moschee ihr Wasser beziehen, zahlen einen monatlichen Beitrag, der für den Unterhalt der Leitungen und Pumpen eingesetzt wird. Daneben können Moscheen auch als Parkplätze dienen. Der kleine Vorhof der Moschee gleich nebenan, beherbergt nun auch Alis Motorrad, jetzt wo unser Eingangsraum als Wohnstube genutzt wird.

Von Simone und Christoph, dem Schweizerpaar, das mich in Jambiani so freundlich als Gast aufgenommen hat, erbe ich die Restposten ihrer Vorräte. Ein schönes Stück Sbrinz und eine Bitterschokolade mit Salz. Ich, normalerweise eine Schokoladenverachterin, freunde mich sofort mit dieser Variante an. Die Leute hier hingegen, mögen schwarze Schokolade überhaupt nicht. Auch dem Ali schmeckt sie nicht, obwohl er doch sonst einen recht europäisierten Geschmack hat. Ich überlege mir warum. Hier in Sansibar gibt es praktisch keine bitteren Speisen oder Getränke. Haben hier weniger Pflanzen Bitterstoffe eingelagert als bei uns? Wie dem auch sei, entweder gibt es hier eine grundlegende Ablehnung der Geschmacksrichtung bitter. Oder man mag bitter nicht, weil man sich dies nicht gewohnt ist. - Den Rohschinken, der mich auch sehr gereizt hat, habe ich dankend abgelehnt. Obwohl Ali viel toleranter geworden ist, mag ich Schweinefleisch nicht im Kühlschrank lagern. Und ohne Kühlung geht das hier nicht.

Auch ich neige bereits zu afrikanischen Lösungen. Nachdem ich heute Abend neben dem Kühlschrank einen grossen Haufen irgendeiner klebrigbraunen Flüssigkeit antreffe, versuche ich den erst mit Papier wegzuwischen. Ohne Erfolg. Deshalb klebe ich ein ganzes Stück Papier darauf, denn ich möchte wirklich nicht in diese Sache hineintreten. Ich werde den Küchenboden aufwaschen müssen. Doch nicht mehr heute, kesho, morgen.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

3.Dezember 2011




Das Häuserfieber hat mich wieder gepackt, ich kann das einfach nicht lassen. Und dies in einem Moment, wo auch vom geplanten Umbau in Bern neue interessante Ideen gekommen sind, die es zu prüfen gilt.

Heute Morgen sind wir zusammen mit Muhammad, dem Architekten, der früher in Paris lebte, und einem weiteren Mann aus seinem Büro ein Inderhaus mit geschnitzten Veranden anschauen gegangen. Sie beide finden, es habe keine grösseren Probleme oder Schäden, eine Renovation könne man auch nach und nach machen, da eile nichts. Und finden die Architektur des Gebäudes wunderschön. Kaufen also, der Preis von rund 100'000.- SFR ist vernünftig, das Haus ist noch bei keinem Agenten, die Besitzer selber wollen verkaufen. Nur sind das natürlich afrikanische Verhältnisse. Vier Brüder, drei davon gestorben, dafür mit Nachkommen, das werden in der Regel hier viele sein, die alle erbberechtigt sind. Solches kann kompliziert werden. Morgen treffen wir uns zusammen mit einer Notarin mit der Familie, ich hoffe, da kommt es zu einer Einigung. Denn es eilt etwas. Am 10. Dezember kommt ein in England lebender Somalier zurück, der ebenfalls bereits Interesse für den Kauf gezeigt hat. Ich hoffe, das wird den Preis nicht hochtreiben.

Meine Idee: Hier in Sansibar auch ein Standbein haben, man weiss ja nie. Falls ich einmal in der Schweiz verarmen sollte, dann könnte ich immer noch hierher kommen, denn ich will von Ali ein lebenslanges Wohnrecht im obersten Stock. Und vielleicht bin ich ja romantisch, eine Träumerin, doch glaube ich wirklich, dass der Ali, was auch kommen möge, bis an mein Lebensende für mich schauen wird. Selbst wenn ich einmal eine uralte Frau werden sollte. Bereits seine Kultur gebietet ihm das.
Bereits jetzt bin ich natürlich ungeheuer froh, dass ich ihm alles überlassen kann. Als Mzungu ist es unheimlich schwierig, hier die verworrenen Pfade durch die üppig wuchernde Bürokratie zu finden.

Ali ist übrigens auch ein sehr geschickter Lehrer und Patron. Das habe ich gestern gesehen, als er einen der Kellner, der gerade an seinem Mittagessen war, zu uns an den Tisch gerufen hat. Sein Teller war überfüllt mit Speisen, Fleisch, Fisch, Saucen, alles. Er lade ihn hier nicht privat ein, meinte Ali, da wäre das ja noch okay. Hier sei sein Arbeitsort, solche Übertreibungen seien unhaltbar. Das beste aber, und alles in einem ruhigen festen Ton vorgetragen, er sei doch ein guter Muslim (mindestens einer, der Kanzu trägt, also äusserlich). Im Islam jedoch, sei jede Völlerei verboten und Zurückhaltung, Selbstdisziplin gefordert. Wie er denn sein Verhalten mit seinem Glauben in Einklang bringen könne? - Der Junge war gänzlich geknickt und ist zerknirscht mit seinem Teller aufgestanden. Eine geniale Art, Geschäft mit Religion zu verbinden. Ali ist ein guter Redner und die Leute hier sind leicht zu beeindrucken. So schnell wird der das nicht vergessen.

Gestern Abend haben wir über Steuern gesprochen. Die Steuereintreiber seien eben hier unverschämt. Wie Parasiten, die ihren eigenen Wirt umbringen würden. Ein viertel der Einkünfte wollten sie bei der Vermietung einer Wohnung. Und Kosten, die könne man keine Abziehen. Dasselbe im Lukmaan. Wissen wollten die nur, wie viel verkauft würde. Wie hoch dann der effektive Gewinn sei, das interessiere die nicht. Aber dass sie mit ihrem Verhalten Geschäfte kaputt machen würden und dann überhaupt keine Steuern mehr einnehmen, an solches dächten die nicht. Viel zu gierig.
Deshalb müsse man ja eigentlich betrügen, denn wenn man alles ehrlich angebe, dann gehe die Rechnung nicht mehr auf. Das verstehe ich. Und wende ein, dass wohl umgekehrt diese Steuereintreiber eben von vornherein denken würden, dass sowieso jeder nur einen Teil der Einnahmen angebe und deshalb möglichst viel davon wollten. Das ganze beisst sich in den Schwanz. Und hilft natürlich nicht dabei, zu einer ehrlicheren Gesellschaft zu kommen.

Heute wurden wir von einem Polizisten angehalten. Ich habe meinen Helm nicht getragen, das tue ich in der Altstadt normalerweise nicht. Ali musste darauf seine Papiere zeigen und dabei ist herausgekommen, dass sein Fahrausweis seit 10 Tagen abgelaufen ist. Fahrausweise sind hier immer nur für 1 Jahr gültig. Nicht dass man dann nochmals irgendwie geprüft würde, ein neuer Ausweis kostet einfach etwas. Eine weitere Art Steuern einzutreiben. Das ist dasselbe mit der Niederlassungsbewilligung. Die ist recht teuer, praktisch gleich viel wie ein Visa in der Schweiz. Im letzten Jahr habe ich das nicht bezahlt und habe nun also keine Karte als „Resident“ mehr. Das hat Nachteile: Flugzeug und Schiffe aufs Mainland kosten für mich wieder das Doppelte. Und bei der Ankunft mit dem Flugzeug kann ich beim Zoll nicht mehr durch den Durchgang „East African Residents“. Etwas, das mich merkwürdigerweise immer mit einem gewissen Stolz erfüllt hat.

Im Lukmaan hängt ein Bild vom Meer. Heftige Wellen, ein Sturm, und mittendrin ein Schiff. Ich finde das Bild schlecht. Das Wasser zwar lebhaft und etwas verschwommen gemalt, so wie es dem Bewegten entspricht, das Schiff hingegen ebenfalls und so kaum als solches zu erkennen. - Auch Ali findet das Bild schlecht. Ein ehemaliger Fischer aus Nungwi sei zu ihm gekommen und habe gesagt, dieses Bild sei nicht gut. Das Schiff, der Sturm, das müsse doch nächstens untergehen. Und das darzustellen, bald gäbe es da doch Tote, so etwas könne nicht gut sein.

Im Restaurant habe ich einen spanisch sprechenden Schwarzen kennen gelernt. Swahili spricht er kaum, Englisch auch schlecht, ich habe ihn gefragt, woher er komme. Aus Kuba meinte er. Und wohne hier, weil er im Spital Medizin unterrichte. Primitiv sei das hier in Sansibar, die Leute würden ja noch mit den Fingern essen. Überhaupt, die Schulen, Strassen, das Spital sei eine Katastrophe, schlecht eingerichtet, kaum genügend Medikamente. Das sei dann in Kuba schon viel besser. Alles gratis und gut, einzig die ökonomische Situation sei schlecht. Wegen dem Embargo der Amerikaner.
Für mich ein neues Bild von Kuba. Zwar wusste ich, dass der Fidel Castro zu seinen kommunistischen Brüdern immer grosszügig war, der Ali ist in ein Gymnasium gegangen, das von den Kubanern gesponsert wurde, auch Muhammad, der Architekt und Osman, Alis Partner im Lukmaan kommen von dieser Schule. Doch irgendwie habe ich immer geglaubt, Kuba sei arm und rückständig. Ich muss mein Bild wohl revidieren.
In den Lukmaan kommen übrigens auch Chirurgen aus dem nahen Mnasi Moya Spital. Noch in ihren Chirurgenkitteln, doch wohl vor der Arbeit, denn Blut klebt keines daran.

Am Morgen früh kreischt die Frau, die die Strassen reinigt mit ihrer Schubkarre durch die Gassen. Dass da vielleicht ein Tropfen Öl helfen könnte, daran denkt sie offensichtlich nicht. Und der alte Transportmann, dem ich einmal die Reparatur der Achse seines Wägelchens bezahlt habe, weil ich feststellte, dass die kaputt war und ihm viel Mühen bescherte, der grüsst mich auch noch nach Jahren freudig. Der andere Innenstadttransporteur, der grosse starke Mann vom Festland, der bei uns auch sonst verschiedene Arbeiten gemacht hat, dem geht es leider nicht mehr gut. Aufgedunsen sein Gesicht, der Alkohol.

Letztes Wochenende bin ich mit dem Muhammad Tarab-Musik, die traditionelle Swahilimusik, die mehr von der arabischen Kultur als von der afrikanischen hat, hören gegangen. Er ist ein grosser Fan dieser Musik, das waren die Klänge seiner Jugend, bevor er in die Türkei, später nach Paris, studieren ging. – Ich selber mag Tarab nicht besonders. Doch der Spektakel im Alten Fort ist schon sehenswert. Die Musiker spielen eigentlich einen ganz guten Groove, doch die Sängerinnen meist, selten Sänger, singen schmalzig dazu wie bei uns Schlagersänger. Alles verstehe ich zwar nicht, doch meistens geht es um Liebe und Sehnsucht. Spannend ist dann vor allem das Publikum. Das seinen Lieblingssängern Geld bringt und dazu tanzend herumhüpft. Und ganz nebenbei informiere ich mich wieder über die neusten Moden der Sansibarifrauen. Zwar im allgemeinen verschleiert, das schon, doch die Roben darunter sind zum teil recht körperbetont sexy. Und mit Glitzersteinen vollgestickt. Selbstbewusst zeigen sich die Frauen. Tarabvorstellungen seien wie bei uns die Fasnacht, meint Muhammad, hier sei alles erlaubt, was im normalen Leben verboten.

2.Dezember 2011




Das neue Laptop ist nach einer Woche nun doch noch hier in Sansibar angekommen, nachdem es von Freitag bis gestern auf dem Zoll in Daresalaam weilte. Was die dort die ganze Zeit gemacht haben ist mir schleierhaft, öffnen durften sie das DHL-Packet nur in Anwesenheit des Besitzers, da galt es also einzig die Deklarationspapiere anzuschauen und dann einen Stempel darauf zu drücken und das ganze wohl irgendwo noch in einer Liste einzutragen. Man liebt die Bürokratie hier ausserordentlich. Als ich am Flughafen den Computer endlich beim Zoll von Sansibar – ja, den gibt es auch noch - abholen durfte, da liess man mich auch ein Papier unterschreiben, das eigentlich für DHL bestimmt war. Ohne vorher zu schauen, was das überhaupt für ein Schreiben war.

Item, all das hat meine Nerven gewaltig gebraucht. "Das isch haut Afrika" meint der Ali dazu. Das Schlimmste kam aber am Schluss, denn da war ich der Esel. Als ich den Computer schliesslich auspackte und mit der Kamera verbinden wollte, kam mir siedend heiss in den Sinn, dass das neue Laptop eine Generation jünger ist als die Kamera und die externe Harddisk, die Anschlusskabel folglich nicht mehr passen, denn jetzt gibt es eine neue Firewire-Generation, die Sophie hätte mir also noch den Zwischenstecker, der von alt auf neu verbindet mitsenden müssen. Ein kleines Ding nur, doch hier sehr schwierig zu beschaffen.

Der Lukmaan läuft wirklich erfreulich und nun kennen alle das Restaurant. Ich bin natürlich sehr froh darum, geniesse jetzt noch mehr Ansehen als „Mama Lukmaan“ oder „Bi Hawa“ und esse täglich wunderbar und nun auch noch in nochmals ansprechendem Interieur oder auf der Pflanzen umrankten Terrasse. - Allerdings mache ich mir zwischendurch auch Sorgen, ob das wohl so bleibe, denn Ali ist nur noch wenig dort, immer etwas zu tun. Diese Woche sind wir in den Geburtsort der omanischen Besitzerin unseres Hauses, nach Mangwapani gegangen. Eine wunderschöne Bucht mit einem Restaurant des Serena Hotels, sonst unverbauter Tropenwald und Felskegel, die den Strand umrahmen. Für mich der schönste Strand von Sansibar. Doch wird er das bleiben, jetzt wo sie die Strasse dorthin schon fast fertig ausgebaut haben? Im Hinterland wohnt ja auch noch die Familie Alis. Dort soll der Ali eine Moschee bauen lassen, die Omanifrau will das stiften. Es ging darum, mit einem Architekten - eigentlich ist der zwar Flugzeugingenieur und macht das für den Ali aus Freundschaft - die Lage der Fundamente der Moschee auszumessen. Bevor er nach England studieren ging, hat er hier etwas mit Architektur gemacht. Seine Arbeit war erstaunlich professionell, Triangulation nach Pythagoras, Instrumente hatte er ausser einem Messband keine und trotzdem kamen die Ecken präzise rechtwinklig und die Wände parallel. - Erst mussten allerdings auch noch zwei Kokospalmen und zwei Orangenbäume gefällt werden und das Gebüsch gerodet. Dafür hat Ali eine ganze Equipe von Arbeitern angestellt und ich habe das ganze gefilmt.

Heute Morgen bin ich bereits bis zu der Stelle gejoggt, wo ich einmal mit meiner Schwester am Strand überfallen wurde. Morgens zwischen 6 und 7 Uhr hat es dort nur sportliche Leute, Männer wie Frauen jetzt, letztere allerdings meist noch mit Schleier und allem drum und dran. Absolut ungefährlich also, die bösen Buben sind noch im Bett. Die Strandlinie im Morgendunst, Fischerboote, die zurückkommen oder hinausfahren, am Morgen früh ist die Welt dort in Ordnung. - Es braucht zwar immer etwas Überwindung, bereits in der Morgendämmerung aufzustehen, doch in den Tropen lohnt es sich wach zu sein, bevor die Sonne glühend heiss jede Energie verbrennt.

Eine Maus hat mein Badezimmer besucht. Das wäre mir eigentlich egal, denn zu essen gibt es dort nichts. Doch dass diese Mäuse es nicht unterlassen können, immer auch noch Spuren zu hinterlassen, das stört mich doch sehr. Bisher hatten wir Mäuse nur unten, im neuen Wohnraum gerade nach dem Eingangstor. In der Küche fand ich gestern Abend einen Geko – sind das überhaupt Gekos, diese weissen Echsen mit den grossen schwarzen Augen? Ich hatte Freude daran, denn mir gefallen diese Tiere. Er wartete neben der Lampe auf Insekten. Doch Ali meinte, auch Gekos würden scheissen und alsbald fiel etwas herunter, das dem Mäusekot doch extrem ähnlich sah. Nur etwas zugespitzter. - Das hätte man sich ja denken können, dass auch bei denen etwas hinten heraus kommt.
Von den Tieren zum Ungeziefer. Die Mückenplage war anfangs hier nicht sehr gross, in den letzten Tagen haben sich diese Sauger aber stark vermehrt. Da auch die Moskitotüre beim letzten Umbau hier - die morschen Dachbalken wurden ersetzt, Ali war wirklich erstaunlich tätig - verschwunden ist und die neue, bereits bestellte auf sich warten lässt, habe ich nun im Gang einen Moskitovorhang aus dem alten Netz aufgehängt. Hoffen wir, das nützt. Die Ameisen haben natürlich ebenfalls bemerkt, dass ich wieder da bin und sind nach einer kurzen Anlaufzeit aufgetaucht. Seither führen ihre unsichtbaren Strassen durch die Küche, obwohl ich doch darauf achte, alles Essbare in den Kühlschrank zu stellen und immer alle Flächen gut rein zu wischen. Irgendwo finden sie immer ein Zuckerstäubchen. Mit einer gewissen Befriedigung – ich gebe es zu – giesse ich zwischendurch eine Kanne Wasser auf die geschäftige Ameisenstrasse und schaue zu, wie die Tiere zu hunderten im Ablauf verschwinden.

„Siku zinakwenda“, sagt man hier, die Zeit vergeht rasch, bereits bald Halbzeit hier, ein Monat ist doch viel zu wenig, ich muss nun in die Stadt gehen und schauen, ob ich hier ein Zwischenstück für den Computer finde. Badaye, bis später, auch mein Swahili übe ich fleissig.

....und war doch zu spät. Freitag, das Freitagsgebet um 12 Uhr, das ist wie die Predigt bei den Christen, nur dass hier praktisch alle Männer teilnehmen und Läden und Restaurants geschlossen werden.
Eine Stunde Herumirren in der Altstadt, immer den Tipps der Leute folgend, wo es den besten Computershop gebe, das reicht mir vorerst. Noch habe ich zwei Trümpfe in der Hand: Der eine ist das Büro des ZIFF-Filmfestivals. Die hatten Macs und waren gut ausgerüstet. Nur ist das nächste Filmfestival im Juli 2012, im Moment ist nur sporadisch jemand dort. Oder dann die Stone Town Traders. Nur ist das der Laden, indem sie bereits mein altes Laptop in die ewigen Jagdgründe geschickt haben, denen traue ich wenig zu. – Für die abgebrochene Schnalle des Helmverschlusses habe ich zwar keinen Ersatz gefunden, doch die fliessend englisch sprechende Inderin im Nähwarenladen meinte, ich solle es doch mit einem Klettverschluss versuchen. Eine gute Idee. Für solches ist Afrika eben immer gut. Lösungen finden, auch unkonventionelle, improvisieren, da können wir uns ein paar Stücke davon abschneiden.

Ali war unterdessen in Kidondoni, um die Baubewilligung für die Moschee einzuholen. Es braucht noch mehr Papiere, er wird nächste Woche dorthin zurückkehren müssen. Und im grossen Nachbarhaus der Omanischen Besitzerin leckt eine Wasserleitung stark, ein Handwerker muss organisiert werden. Im Lukmaan hat sich ein Ventilator gelöst und muss neu befestigt werden, Ali fährt mit dem Werkzeugkoffer hin. Suchen, flicken, improvisieren, organisieren.

22.November 2011



Gebrauchskunst zum anfangen. Es braucht neue Topflappen. Die kann man auch mit einer Nähmaschine machen die nur noch rückwärts näht.

Das Datum weiss ich bereits nicht mehr auswendig. So cirka seit vier Tagen bin ich nun zurück auf der Insel. Bereits habe ich die Zeit verloren. Die Schiffe liegen trotz weit geblähtem Segeln träge im Hafen der Stone Town und kommen nur im Zeitlupentempo vorwärts. Ebenso träge wie ich. Tropengefühl. Ich schlafe momentan sofort ein, sobald ich mich irgendwo hinlege und bin gleich weg für eine halbe Stunde. Dafür schlafe ich in der Nacht nur rund 5 Stunden. Seit zwei Tagen höre ich den Muezzin um fünf Uhr morgens wieder, die ersten beiden Nächte habe ich nichts von ihm gehört – eigentlich von ihnen, denn während rund einer halben Stunde ertönen die Rufe von verschiedenen Teilen der Stadt her, fern und nah, laut und leise, jeder Imam auf seine eigene Weise, diese klagenden Rufe in der Finsternis der Nacht. Dass ich das die ersten beiden Nächte verpasst habe, das erstaunt mich. Hatte ich doch das Gefühl, sehr oberflächlich geschlafen zu haben. Unruhig, die vielen ungewohnten Geräusche bei den offenen Fenstern. Doch nicht schlecht. Ich mag diesen traumerfüllten Halbwachschlaf.

Nun höre ich den Muezzin wieder. Hier hat es eine Änderung gegeben. Waren vorher die Lautsprecher voll aufgedreht und schepperten unerträglich, so hat man offensichtlich unterdessen gelernt, sie leiser zu stellen. Weniger penetrant jetzt für Ungläubige, die nicht unbedingt vom Ruf zum Gebet geweckt werden möchten. Dafür melodischer. Selbst der Muezzin in der Moschee gleich nebenan scheint unterdessen endlich singen gelernt zu haben.

Ein schönes Heimkommen hier. Eigentlich hat sich in der Stown Town nur wenig geändert. Nur ab und zu neu renovierte oder neu gebaute Häuser. Die meisten, die bereits vor zweieinhalb Jahren im Bau oder Umbau waren, sind es immer noch. Man hat hier Zeit, viel Zeit. Das Emerson Spice Hotel ist noch nicht fertig ausgebaut. Das Geld fehlt, meint Ali, der Emerson habe sich mit seinem ehemaligen Partner verkracht, dem sei das Kidude Hotel gerichtlich zugesprochen worden. Nun habe er nach einem Investor für sein neues Hotelprojekt gesucht. Ein reicher Inder aus Daresalaam. Nur sei der darauf mit einem Bankraub in Verbindung gebracht worden und seine Gelder eingefroren. – Wenigstens ein Teil des Spice Hotels ist nun fertig und in Betrieb. Auch das Kidude Hotel hat immer noch unrenovierte Teile, die unteren Stockwerke rotten vor sich hin. Ein paar Ruinen mehr sind unterdessen klaglos in sich zusammengebrochen, klaffende Zahnlücken, dem Gebiss einer Greisin gleich die Altstadt. Der Starehe Club ist unterdessen abgebrochen worden, ein hoher Wellblechzaun darum herum errichtet, dies mindestens scheint mir etwas Neues zu sein, überall diese Aluminiummauern, das haben sie bei der Renovation der Forodhani Gardens gelernt, das Baumaterial ist so besser geschützt, weniger Klauereien. Doch renoviert werden die alten Zollgebäude neben dem Starehe Club nun doch nicht. Der Aga Kahn wollte das Gelände gleich neben seinem Serena Hotel um dieses zu erweitern. Als Gegenleistung für die grosszügige Renovation der Forodhani Gardens, das war ihm versprochen worden. Das hat aber schlussendlich doch nicht geklappt, Kempinsky kam zum Zug, der hat wohl besser geschmiert. Aber auch da gab es Probleme, inzwischen ist auch das Kempinsky Luxushotel an der Ostküste geschlossen worden. Und die alten Zollgebäude neben dem Serena Hotel werden wohl noch eine Weile vor sich hin rotten, bevor es mit jemandem zu einem Handel kommt. Auch das Ocean Blue, die ehemalige Anlegestelle, die für die englische Queen errichtet wurde, steht als Ruine immer noch vor den neu renovierten Forodhani Gardens. Ähnliche Probleme auch hier. – Der Aga Kahn soll seinen Wohltätigkeitstrust, mit dem er über Jahre die Sansibaris beglückt hat übrigens inzwischen wütend abgezogen haben.

Das Internet ist leer, wie die meisten nun, das grosse Geschäft ist vorbei, die Touristen kommen nun mit eigenen Computern oder i-phones, wireless in Restaurants und Hotels, mit Internetplätzen ist nicht mehr gross zu verdienen. Ich finde heute mein heiss geliebtes Shanghani Internet endlich wieder, es ist nun ein Raum im Parterre des gleichnamigen Hotels, immerhin das, immer noch das beste Internet weit und breit. Eben gerade klatscht der Kopf des Angestellten – ihn kenne ich noch vom alten Platz – schallend auf die Tischplatte. Offensichtlich braucht auch er eine kleine Siesta, ich verstehe das.

Dösende Menschen, auch dies wie gehabt, in Sansibar trifft man jederzeit Leute, von denen man nicht recht weiss, ob sie nun gerade schlafen oder wachen. Das Klima. Das Gehirn arbeitet langsamer, ich merke das vor allem, wenn ich Vokabeln lerne. Das Swahili - vieles habe ich in den zweieinhalb Jahren vergessen - das braucht Energie.

Die Leute begrüssen mich freudig auf der Strasse, man hat mich nicht vergessen und viele sprechen auch munter darauf los und merken gar nicht, dass ich nur noch wenig verstehe. Und ihnen kaum antworten kann.

Auch im Lukmaan hat man mich nicht vergessen, ich gehe jeden Mittag dort essen. Und bezahle nie, das käme mir merkwürdig vor. Den Leuten dort natürlich auch, ich werde das direkt mit Ali regeln. Das Restaurant sieht übrigens sehr gut aus. Ali hat wieder vieles verändert, neue Farben, ein wunderschöner Terrazzoboden nun, ein neues Buffet, neue Tische und Stühle, immer noch selber entworfen von ihm. Er ist stolz darauf und ich muss sagen, seine Fähigkeit für Innendekoration ist beachtlich, das sieht immer gut aus. Und gefällt. Auch die neue Terrasse zur Strasse hin. Eigentlich hat es da gar keinen Platz. Doch man hat ihn sich genommen. Mit Pflanzenkübeln, ein Tropenparadies nun unter einer Store. Vor allem die Touristen schätzen das enorm. Doch auch die Einheimischen scheinen sich gerne daran zu gewöhnen. Auch das Essen im Lukmaan ist immer noch ausgezeichnet. Jetzt kochen dort zusätzlich drei Frauen, vorher hatte es nur Köche.

Ein Problem sei, meint Muhammad – obwohl er den Lukmaan nicht erwähnt – dass die Leute hier immer noch öffentlichen Raum einfach so besetzen würden. Jede offene Fläche werde von irgend jemandem in Besitz genommen, eine Baracke darauf gestellt, ein Laden eröffnet, was auch immer. Kein Wunder, dass es in der Stadt immer enger werde, wenn alle öffentlichen Plätze einfach zugebaut würden. – Immerhin nimmt der Lukmaan mit seiner Terrasse keinen freien Raum ein. Hier würden sonst höchstens noch mehr Autos parken.

So rund 1000.- habe er für seine Frau bezahlt, meint Ali auf meine Frage. 1000.- bis 1500.- koste das nun in Sansibar. Teurer als auf dem Festland. Ein grosses Bett müsse man kaufen, einen Holzschrank, überhaupt die Einrichtung, die Frauen seien anspruchsvoller geworden. Seine Frau wohne seit der Geburt des Sohnes im August wieder bei ihren Eltern in einem Vorort Richtung Flughafen. Jeden Abend geht er sie und den Sohn besuchen. Die Geburt sei schwierig gewesen, das Kind 4 Kilogramm, Kaiserschnitt und dann habe seine Frau Magengeschwüre gekriegt. Ihre Mutter habe befunden, dass sie besser eine Weile Zuhause bleibe und noch nicht zu ihrem Mann zurückkehre. Das erstaunt mich nicht. Auch bei Moddy war das so, das scheint hier Brauch zu sein. Ali beklagt sich, dass er so wenig von seinem Sohn habe, nicht wirklich mit ihm aufwachse. Und dann erstaune man sich, dass afrikanische Männer wenig Bindung zu ihren Kindern entwickelten.

Vor der Geburt haben übrigens beide unten in Alis Zimmer gewohnt, der Frau habe es in Alis Haus, wo ein Bruder und seine Familie wohnt, auch nicht gefallen. Zu weit weg, schliesslich arbeite sie in einer Schule in der Nähe vom Lukmaan. Und studiere auch noch. Nun sei sie Primarlehrerin, möchte aber weiter kommen. Ali übt mit ihr Deutsch, das scheint Pflichtfach. 30 Jahre alt sei sie. Es sei normal, dass man erst in diesem Alter studiere, meint er. – Ich denke, dass die kleine Familie glücklich ist. Bei Gefühlen ist Ali diskret, will nicht viel sagen. Trotzdem habe ich das Gefühl. Ein klein wenig zwickt das schon, merke ich. Dass er nun am Abend seine Frau besucht.
Unsere Beziehung ist jetzt wieder viel entspannter. Keine Erwartungen mehr, das ist gut so. – Obwohl ich doch bemerke, dass Ali etwas gekränkt ist, als ich ihn nicht mehr frage, ob er am Morgen früh mit an den Strand komme. Auch bei ihm wohl noch Erinnerungen.

Am ersten Tag in Sansibar bin ich fast gänzlich damit beschäftigt, die Leute wieder zu begrüssen. Die Frage-und-Antwort-Rituale, die in Afrika so wichtig wie lange sind. Nach wenigen Malen habe ich sie wieder einigermassen im Griff. Zum Glück geht es dann meistens auf Englisch weiter. Am zweiten Tag stürze ich in ein Loch, als ich feststelle, dass mein Laptop nun wohl definitiv den Geist aufgegeben hat. Ich kann mir einen Monat ohne meinen eigenen Computer kaum mehr vorstellen. Wie wird das klappen zu filmen, ohne die Sachen richtig anschauen zu können? Alle meine Projekte scheinen in Gefahr.

Die Waschmaschine, die ich noch aus der Schweiz mitgebracht habe, hat nun ihr Leben ebenfalls ausgehaucht, gänzlich durchgerostet vom Salzwasser, wir kaufen eine neue Occasionsmaschine, denn unterdessen hat es süsses Wasser in der Leitung. Allerdings funktionierte die neue Maschine dann auch nicht und wurde unterdessen bereits wieder zurück gebracht. Wir warten besser auf die nächste Schiffsladung. Waschmaschinen kommen momentan aus Singapur, nicht mehr Europa. Auch in Europa kein Geld mehr, weiss Ali. Die Kühlschranktüre ist ebenfalls stark vom Rost durchfressen, doch dieses Gerät funktioniert noch, ein guter Kauf damals. Die lange eingepackten Kleider, die ich noch in Sansibar hatte – Ali hat nichts verschenkt, obwohl ich ihm das gesagt habe, riechen furchtbar moderig und müssen erst gewaschen werden. Er habe gewusst, dass ich einmal zurückkommen werde und meine Sachen brauchen werde, meint Ali. Mindestens die Medikamente, die hätte er schon brauchen können, unterdessen sind viele abgelaufen. Und ich bin schon wieder mit einer grossen Apotheke angerückt. Doch dass Ali die Nähmaschine und meine Swahililehrbücher behalten hat, darüber bin ich froh.

Alles geht hier schneller kaputt. Anfangs hatte ich das Gefühl, weil die Leute die Sachen nicht mit Sorgfalt behandeln. Sicherlich ist das ein Teil. - Auch weil die Waren hier meist als Billiggut aus Asien kommen und von schlechter Qualität sind oder eben Occasionen, etwa bereits gebrauchte Kleider aus Europa. Die fallen eben auch schneller auseinander. Doch irgendwie scheint es doch mehr zu sein als dies. Meine Nähnadeln, die ich aus der Schweiz mitgebracht habe, sind die meisten nach zwei Jahren ebenfalls durchgerostet, die Nähmaschine, die ich öffnen musste, weil sie merkwürdigerweise nur noch rückwärts näht, hat ebenfalls stark verrostete Teile im Inneren. Metall wird nicht alt beim hiesigen Klima.
Doch auch die neue Friedhofsmauer, die vor drei Jahren um den christlichen Friedhof gebaut wurde, ist unterdessen bereits schwarz vor Algen und bröckelt und wenn man es nicht weiss, dann könnte man denken, die sei bereits hunderte von Jahren alt. Oder der Küchenschwamm, den ich aus der Schweiz mitgenommen habe. Eine Qualität, die ich besonders gut finde, denselben habe ich in Bern bereits seit einem Jahr. Doch hier fiel der schon nach 10 Tagen auseinander. Genauso wie die billigen chinesischen Schwämme, die man auf dem Markt kaufen kann. Irgendetwas hier scheint dem Verfall verfallen zu sein, da kann man nichts machen. Und dass die Leute hier deshalb immer nur gerade flicken, was gerade gebraucht wird, das versteht man mit der Zeit.

Heute Morgen erwache ich bereits wieder früh und mit viel Energie und warte bis die Dämmerung kommt. So vieles will ich machen, so viele Ideen. Eine Tropenkrankheit? Auch Ali berichtet mir ja immer von furchtbar vielen neuen Projekten. Von seiner Reise nach Dodoma diesmal. Die neue Hauptstadt, die im Landesinneren geplant und gebaut wird. Dort sei noch alles möglich. Er habe wissen wollen, ob sich dort Geschäfte machen liessen. Auch an Filialen vom Lukmaan hier in Sansibar denkt er. Und in Häuser investieren müsste man, da sei ein Projekt in Daresalaam.

Für 150 Personen 5 Tage lang kochen ist ein konkreteres Projekte. Da sei ein Typ vom Festland gekommen. Ali ist aufgeregt, ein Kongress. Doch, seine Küche, die habe schon genug Kapazitäten und das Essen werde an den Tagungsort geliefert. Der Vermittler lässt sich zum Frühstück und zum Mittagessen einladen und will auch etwas Schmiergeld. – Wahrscheinlich sei das nichts mit diesem Geschäft, meint Ali heute kleinlaut, der Typ sei nicht mehr aufgetaucht. Er habe das doch gedacht.

Da ist meine Sardinengeschichte fast harmloser. Ein Typ quatscht mich in den Forodhani Gardens an. Mama Lukmaan, weiss er, doch das wissen hier viele. Heute zum Fischfang hinaus gefahren. Ich wisse doch, er sei Fischer. Nein, meine ich, das wisse ich nicht. Doch, früher habe er auch mit dem Moddy zusammen gearbeitet, jetzt nicht mehr, ich müsse mich doch erinnern. Seine Geschichte von den wenigen Fischen heute und dem fehlenden Geld zum Kauf des Benzins kommt mir bekannt vor. Das haben wir doch schon mehrmals gehabt. Ich sage das dem jungen Mann auch. Gebe ihm dann aber trotzdem 6 Franken, schliesslich bin ich eben erst angekommen, man muss da grosszügig sein. 10 Sardinen wolle ich für das Geld am folgenden Tag, sage ich. Ali meint, für diese 10’000 Shillingi, da hätte ich mir einen ganzen Kübel Sardinen kaufen können. – Natürlich kommt der besagte Fischer am nächsten Tag überhaupt nicht mit Fischen zu mir. Das habe ich mir doch gedacht.

Unterwegs lerne ich immer viele Leute kennen. Bereits im Swiss Garden Hotel in Daresalaam freunde ich mich mit einem Schweizer Ehepaar an. Auch sie Touristen wie ich und nicht Entwicklungshelfer wie die meisten dort, fast kriegen wir ein schlechtes Gewissen. Ich vernehme, dass sie bereits seit 15 Jahren ein Haus am Strand von Jambiani besitzen. Damals sei das noch günstig gewesen. In der Stown Town treffe ich sie später wieder. Sie sind auf meine Empfehlung im Lukmaan gewesen und begeistert davon. Ich solle sie doch einmal in Jambiani besuchen kommen, sie hätten dort auch ein Gästezimmer. Eine gute Idee.

Und gestern Abend dann auch noch ein langes Gespräch mit einem jungen Einheimischen. Vom Festland, früh von Zuhause weg. Musiker wolle er werden, Gitarre spielen und singen. Er fragt mich nicht um Geld, das tut gut.

Auch im Haus in Shanghani hat Ali Veränderungen vorgenommen. Die Möbel der Besitzerin aus dem Oman sind nun dort, antike Sachen. Ich hätte die nicht unbedingt gekauft, doch Ali hat das ganze gut arrangiert, auch viele Renovationsarbeiten gemacht, das Haus ist im Schuss. Aus dem Eingangsbereich, der mehr oder weniger eine Gerümpelkammer war, ist nun ein angenehmes Wohnzimmer geworden. Kühl den ganzen Tag, der Wind von der Gasse streicht hindurch, geschmackvolle Vorhänge zur Strasse hin, schliesslich wollen die Frauen nicht gesehen werden Zuhause, wo sie keinen Schleier zu tragen brauchen. In der Küche ein tiefer Schemel. Eine kleine Ehefrau, frage ich? Nein, nicht das, meint Ali. Seine Frau brauche den Sitz zum kochen. So wie das die Sansibarifrauen eben machen, ihr Holzkohlefeuer steht schliesslich auch am Boden. Das allerdings gibt es bei uns immer noch nicht. Dafür einen neuen und sehr guten Gasherd. Eine gute Idee bei den vielen Stromausfällen.

Morgen möchte ich mit Ali ein erstes Interview machen, ich habe das neue Funkmikrofon ausgetestet. Mir eilt es, ein erstes Mal mit ihm zu arbeiten, denn viele Fragen habe ich mir bisher verklemmt zu stellen. Wie das Geschäft läuft, das sehe ich zwar, doch wie steht es mit dem Gewinn? - Immer noch viele Angestellte. Viele Gratisesser ebenfalls. Ali verwaltet nun hier die Häuser der Frau aus dem Oman. Auch das gibt ihm viel zu tun bei den hiesigen Handwerkern. Bleibt da genug Zeit für das Restaurant? Schliesslich ist ja da auch noch die Ehefrau. Und dass viel mehr Männer mit langen zweispitzigen Islamistenbärten herumlaufen, auch dieses Thema möchte ich nicht vor einem ersten Interview aufwerfen. Zu gross das Konfliktpotential, das wäre schleicht für die Arbeit, im Moment sind wir noch beide sehr entspannt.