Dienstag, 29. Juli 2008

22. Juli 2008



Bereits im Zug nach Bern. Der Himmel ist bedeckt, schwarze Wolken, doch viel höher im Himmel oben als in Sansibar, scheint mir, ich traue ihnen nicht. Viel eher beginnen sie hier zu regnen. Ein indisches Paar vis-a-vis im Abteil, Hindi, traditionell gekleidet, das Mädchen mit Hennazeichnungen an den Armen. Ganz offensichtlich verliebt und frisch verheiratet. Brahmanenkaste denke ich sofort, wer sonst hätte genug Geld für eine Hochzeitsreise hierher? Der Film „die Unberührbaren“ kommt mir wieder in den Sinn. Ich bin mit dem Urteil der ZIFF-Jury einig. Sie gab diesem eindrücklichen Film den Dokumentarfilmpreis. Ich fühle mich jetzt ein wenig in Sansibar, das gleiche Paar - allerdings kaum derartig in der Öffentlichkeit verliebt - hätte mir dort ebenso begegnen können. Auf der anderen Seite des Ganges ein Schweizer Geschäftsmann, nicht von den höheren Kadern, sonst würde er erste Klasse fahren. Der hartnäckig versucht, sein Labtop ans Internet zu kabeln. Scheint nicht zu funktionieren, er wirkt genervt. Was für Probleme wieder hier!

21. Juli 2008


Alles ist dann plötzlich sehr schnell gegangen. Nach der Vorführung meines Filmes realisiere ich erst richtig, dass in fünf Tagen bereits mein Rückflug ist, so vieles ist noch am Fliessen, nicht beendet, ich muss mich überall verabschieden – für immer, denke ich jetzt, doch den Leuten sage ich im allgemeinen nur, ich wisse nicht genau, wann ich zurückkehren würde, manchen sogar sage ich im Oktober, was will ich. Man kann das nicht sagen: Für immer. Den Leuten von Chumbe Island muss ich berichten, dass die Zeit für ein weiteres Treffen nicht mehr reicht, denn das Festival geht ja noch bis Sonntag weiter und ich möchte davon profitieren und schliesslich auch noch einen Tag haben, um mit Ali etwas zu unternehmen, wir haben diesmal sehr wenig Zeit gemeinsam verbracht. - Und jetzt sitze ich bereits im Flughafen von Dar es Salaam und warte auf meinen Weiterflug in die Schweiz. Bin merkwürdigerweise sogar hungrig und bestelle mir ein Sandwich mit Frites.

Zurück zu der Vorführung meines Filmes. Alis Absage in letzter Minute, er wolle nicht an die Vorstellung kommen, vielleicht sei er doch zu hart umgesprungen mit seinen Landsleuten, alle arbeiteten ja im Moment intensiv daran, dass Sansibar eine Touristendestination werde. Und dann berichte er über die Korruption hier, zeige die hässlichen Seiten auf. Auch die Behörden, mein TV-Spot zum Stromunterbruch sei ja bereits nach einer Vorführung verboten worden. Die Film-Arena sei jetzt kein guter Ort für ihn. Allein dann im Scheinwerferlicht mache ich die Ansage des Filmes, ich habe nicht gewusst, wie einsam man sich auf einer grossen Bühne fühlt, geblendet vom Licht, ich sehe und höre nichts vom Publikum und weiss auch nicht, ob meine Stimme gut in den Lautsprechern vernehmbar ist, denn ich selbst auf der Bühne höre davon nichts. Ein verunsicherndes Gefühl.

Unheimlich langwierig scheinen mir heute die unzähligen Sicherheitskontrollen im Flughafen. Ich muss ein Formular ausfüllen, das scheint mir neu, normalerweise war dies nur bei der Einreise der Fall. Und alles wird peinlich genau durchgeschaut. Auch dies haben die Afrikaner von uns gelernt und bis zur Perversion verfeinert: die Bürokratie. Nicht nur in Sansibar scheint der Staat der grösste Arbeitgeber zu sein. Religion und Bürokratie haben wir den Afrikanern aufgedrängt. Jetzt scheinen sie mit weit gewaltigerem Eifer als wir sich an uns rächen zu wollen für diese Geschenke. - Irgendeinmal habe ich es dann trotzdem geschafft, eingecheckt, wieder einmal sitze ich im einzigen, muffeligen auf MacDonald getrimmten Flughafenrestaurant. Und habe, wie des Öfteren in letzter Zeit, das Gefühl, dass man sich an mich erinnert, mir freundlicher als normal zulächelt. Ich erinnere mich natürlich nicht. Wie immer.

Zurück zu der Vorführung meines Filmes. Der Ton war furchtbar am Anfang, die Lautsprecher scheppern und ich rannte schleunigst zum Mann am Mischpult, den ich bereits am Vortag bei einem Gespräch mit seiner Freundin stören musste, denn der Ton des Filmes war kaum zu hören - was den Mann allerdings nicht im geringsten zu stören schien. Heute bringe ich ihn mit Mühe dazu, etwas an seinem Mischpult herumzuhebeln und nach etwa zehn Minuten Geschepper schaffen wir es doch noch, einen ordentlichen Ton zu haben. Sogar einen erstaunlich Guten, die zwei Tage im Tonstudio, die ich mir am Schluss noch geleistet habe, haben ganz offensichtlich etwas gebracht. Die Bildqualität ist von der Schärfe her ordentlich, das Bild aber häufig düsterer, als ich mir dies von kleineren Projektionen her gewohnt bin und die Farben blasser. Trotzdem, eigentlich erstaunlich gut für meine kleine Hobby Panasonic-Kamera. Der Handlung kann ich heute kaum folgen, habe das Gefühl von Längen, das Publikum ist ruhig, ist ja auch kein Film, der zum Lachern oder zu Zwischenrufen animiert, ich habe das Gefühl, dass er wohl niemanden interessiert und bin dann sehr erstaunt über den Schlussapplaus, der grösser ist als meistens. Hat also doch gefallen. Viele Leute kommen mir gratulieren, Mzungus vor allem, doch auch einige Einheimische finden, das sei ein sehr schöner, sehr feiner Film, auch die Bilder gefallen. Erleichterung. Ali erlebt dann das Ganze zum Glück in den nächsten Tagen auch positiv, viele Leute sprechen ihn an, gratulieren ihm zu diesem Film, seiner Offenheit auch, ich fühle, dass ihn das stolz macht. Das Restaurant spürt das ganze ebenfalls, habe ich doch gleich auch organisiert, dass den Touristen am Ende der Vorführung Flyers mit Adresse und Werbung für den Lukmaan in die Hand gedrückt wurden. Viele Leute scheinen das genutzt zu haben, mindestens drückt sich auch Othman äusserst positiv über den Geschäftsgang der letzten Tage aus. Nur reisen natürlich diese Festivalbesucher auch irgendeinmal wieder ab. Trotzdem waren auch heute noch die Mehrzahl der Gäste im Restaurant Touristen. Und die würden auch etwas mehr für die Speisen bezahlen. Mindestens diejenigen, mit denen ich diskutiert habe und denen ich die Sorgen mit dem Restaurant erklärt habe. Alle finden, dass man sehr wohl den Touristen, mit einer Bemerkung in der Speisekarte, dass die Einheimischen hier kaum einen Zehntel dessen verdienen, was ein Europäer selbst unter schlechtesten Bedingungen verdient, etwas mehr verlangen könnte. Aber wahrscheinlich sind Ali und Othman noch nicht so weit.

Umgekehrt: Ich spreche auch ausgiebig mit der Gründerin von Chumbe Island, ebenfalls einer regelmässigen Festivalbesucherin. Was, die würden immer noch keinen Profit machen mit dem Restaurant? Das solle ich doch gerade mal vergessen und meine Investitionen zurückverlangen. Natürlich würden die Geld verdienen, mir nur sagen, das gebe keinen Profit. Als Weisse sei man immer die Dumme, die betrogen werden dürfe. Nach 50ig Jahren Entwicklungsarbeit in Afrika könne sie mir dies sagen. Selbst die besten ihrer langjährigen schwarzen Freunde hätten sie irgendeinmal enttäuscht und betrogen. Das müsse man akzeptieren, mit dem müsse man leben können, Vertrauen sei hier fehl am Platz. Überhaupt scheint „Misses Chumbe“, genau gleich wie der deutsche Exkonsul, nach vielen Jahren Entwicklungsarbeit in Afrika doch recht zynisch geworden zu sein. Erzählt mir von ihrer Arbeit, erst als Vertreterin für Regierungen, da sei es etwas besser gewesen mit der Korruption, ein gewisser Respekt vorhanden. Dafür enttäuschend, was die ausgeführten Projekte betreffe. Nun, bei ihrem privat aufgezogenen Marinen Schutzreservat, da seien die Behörden ja schamlos. Selbst die Lehrer müssten bezahlt werden, damit sie auf einen gratis Erziehungsausflug auf Chumbe Island kämen mit ihren Schulklassen. Ohne Bezahlung käme da niemand. Und das Schlimmste: Dafür dass sie jährlich ungefähr 50 Schulklassen gratis auf ihre Insel nähmen und sie unterrichteten in Umweltanliegen, also etwas täten, das eigentlich der Staat machen müsste, dafür müssten sie auch noch Steuern bezahlen. Weil im Gesetz stehe, dass auch Steuern bezahlt werden müssten, wenn Gäste gratis ins Hotel kämen. Meinen Einwand, dass dies ja vielleicht sei, damit nicht alle als Gratisgäste deklariert würden, lässt sie nicht gelten. Agenten, die müsse man gratis einladen, sonst gehe das Geschäft gar nicht, das sei normal. Überhaupt sei doch das ganze nur dazu da, den Behörden erneut Gelegenheit zu geben extra Geld in die eigenen Taschen zu wirtschaften.

Auch am Filmfestival werden wir also die Probleme nicht los, die verfolgen einen hier. Und Ali meinte gestern gar, als ich ihm sagte, dass ich nicht mehr zurück komme, weil mir unsere Geschichte ausweglos erscheine, das könne ich nicht. Ich sei nun ein Teil der „matatizo“, der Probleme, ich könne da nicht mehr hinaus.
Und einfach ist das wirklich nicht. Gestern noch haben wir gemeinsam einen Ausflug an die Ostküste gemacht. Das erste und einzige Mal diesmal, sonst haben wir nie Zeit dazu gefunden, denn Ali arbeitete jetzt ernsthaft und es schien mir nicht logisch, dies einerseits zu fordern und andererseits ihm dann Vorwürfe zu machen, er habe keine Zeit. Trotzdem finde ich, dass er sich eine Vertrauensperson suchen muss, die ihn ersetzen kann. Sieben Tage die Woche arbeiten, das geht nicht über längere Zeit, das hält niemand aus.
Wir beide geniessen den gestrigen Ausflug nach Matemwe. Ein noch recht unverdorbener Küstenstreifen im Nordosten. Kleine und luxuriöse Ressorts, Privatvillen, kilometerlanger Strand, wilde Felszacken zwischendurch, meist feinster Sand. Palmblatt gedeckte luftige Häuser, die nicht im geringsten einer hier heimischen ursprünglichen Siedlungsart entsprechen. Tropentraum der Europäer eben. Doch das funktioniert auch bei mir. Die Siedlungen fügen sich gut in schönste Gartenanlagen ein. Viel besser, als die Betonsiedlungen mit Klimaanlagen, die sich auch auf Sansibar langsam ausbreiten. Und Ali meint, dass der Tourismus doch irgendeinmal wieder zusammenbreche. Die wahnsinnigen Abgaben, die die hiesigen Behörden einforderten. Da habe schon manch einer aufgeben müssen. Wie ein unvernünftiger Parasit eben, der seinen Wirt derartig schädige, dass er zugrunde gehe. Effektiv sieht man an der Küste auch ab und zu Hotelruinen, die bereits wieder von der Natur zurückerobert werden.

Im Flugzeug jetzt. Fiebrige Erregung wie immer. Ich bin gerne unterwegs. Im Lautsprecher wird gemeldet, dass eine schwarze Damenjacke im Warteraum liegen gelassen wurde und man sie abholen könne. Ich habe bereits beim ersten Sicherheitscheck meinen Pass liegen gelassen und dies dann beim nächsten mit Schrecken bemerkt. Langsam geht das zu weit. So wie ich innerhalb einer Woche zweimal meinen Schlüsselbund verloren habe – Ali hat den mit stoischer Ruhe zweimal ersetzt, da ist er wirklich bewundernswert, kein Tadel, keine Vorwürfe, die mache ich mir selber. Auch meinen Memory Stick verliere ich diesmal endgültig und das Seltsamste, auch das kleine Gartenschäufelchen lässt sich partout nicht mehr finden. Langsam fange auch ich an, an Übersinnliches zu glauben. Sachen verschwinden einfach und der Vorhang zum Vorratsraum hat sich gestern aufgebläht, das sah ich genau, obwohl dort drinnen gar kein Fenster ist und auch kein Windhauch geweht hat. Erschrecken tut mich solches nicht, erstaunen schon, ich bemerke es. Und weiss, dass ich vollkommen nüchtern und klar bin. Die Geisterwelt. Im Koran, wohl auch in der Bibel beschrieben, soweit bin ich mit Lesen noch nicht gekommen.
Und ich sage dem Ali, dass seine Art, mir den Glauben schmackhaft zu machen, nie funktionieren könne. Nicht mit dem Verstand könne ich glauben. Eine wissenschaftliche Erklärung der Religion - viele Muslime, vor allem bei „Peace TV“, versuchen sich darin – nütze mir nichts, eher versperre es mir den Zugang zum Glauben. Das sei wie bei der chinesischen Medizin. Wenn ich die mit meinem Verstand begreifen wolle, dann funktioniere es nicht mehr. Als ausgebildete Biologin mit westlicher Logik könne ich sie wissenschaftlich analysierend nur Humbug nennen. Verstehen wollen sei da eben falsch. Funktionieren könne das bei mir nur wenn ich den Verstand beiseite lasse. Und ebenso ergehe es mir mit der Religion. Wissenschaftliches Analysieren entferne mich nur davon.


16. Juli 2008


Am Sansibar-Filmfestival gibt es drei Typen von Filmen: Einerseits Filme von Weissen, über Afrika, andererseits Filme von Afrikanern, die an Europäischen Filmschulen eine Ausbildung gemacht haben und schliesslich noch Filme von Afrikanern, die nie in Europa waren und Filme, öfters wohl das Fernsehen einfach kopieren. Das führt dann zu Filmen im Stil der „Nolywood Production“. Actionfilme und Komödien werden afrikanisch adaptiert, die Vorbilder sind erkennbar, doch kann man bereits von einem eigenen Stil sprechen. Die Filme der ersten beiden Gruppen sind für mich einfacher zugänglich, können besser oder schlechter gemacht sein, aber entsprechen irgendwie meiner Psyche, meinem Verstand. Die wirklich afrikanischen Filme machen es mir weit schwerer und ich frage mich nun, ob man zwischen Kulturen überhaupt neutral beurteilen, einen Film bewerten kann. Wahrscheinlich nicht. Wir messen die Filme nach unseren Ansprüchen, nach unserem Geschmack und Diktat. Unserer Art zu denken und zu empfinden. Ich stelle fest, dass bereits der Job, für die Touristen am richtigen Ort in der Stadt Werbeposter aufzukleben von einem Einheimischen ganz anders angegangen wird als von einem Mzungu. Wir schauen an andere Orte hin, wir haben eine andere Logik und glauben deshalb, die Afrikaner hätten keine. Alles eben aus unserer Sicht.
Für meinen Geschmack sind eigentlich bei allen afrikanischen Filmen die Plots, die Geschichten sehr schwach. Viel zu viele Leute kommen vor und die werden nicht eingeführt oder angehängt an bereits bestehendes Filmpersonal. Die Storys sind ebenso undurchsichtig wie die afrikanischen Verwandtschaftsverhältnisse komplex. Vielleicht haben die Leute hier eine bessere Gabe, solche Zusammenhänge zu erfassen? Ich konnte das bisher nicht austesten, Ali wollte mich nie ans Festival begleiten, doch ich hoffe, ich komme noch dazu, dies mit Afrikanern zu diskutieren. Erschwerend zum Verständnis der Handlung ist für mich sicherlich immer noch, dass ich Schwarzafrikaner nicht leicht auseinander halten kann – obwohl ich da grosse Fortschritte gemacht habe. Auch die Art der Filmaufnahmen, häufig sind die Gesichter zu wenig gut ausgeleuchtet. Eine weitere erschwerende, „auch“ afrikanische Mode ist es, mit der Kamera sehr nahe an die Gesichter heran zu gehen, Kinn und Stirne werden oft angeschnitten, manchmal sogar noch mehr.


Einerseits sind die Geschichten für mich also nur beschränkt fassbar. Andererseits natürlich auch die Themen. Gestern Abend sah ich den Ugandischen Film „Battle of the souls“. Das fing mit Zeitungsausschnitten zu unerklärlichen Unfällen an. Eine Geschichte von drei Freunden, die sich regelmässig des Abends im Ausgang treffen. Darum herum drapiert die Geschichten, die jeder einzelne in seinem sonstigen Leben noch hat, Frauen, Kinder, Freundinnen, Arbeit, doch es geht noch, ich folge dem ganzen im Ganzen. Eines Abends taucht in der Bar ein Typ auf, bei dem mir von Anfang an klar ist, dass dies der Teufel sein muss. Warum könnte ich nicht sagen, denn er hat weder einen Geissfuss, noch ist er sonst absonderlich hässlich, doch sein Auftreten, sein Blick macht das klar. Der Typ nun bezahlt die ganze Abendrunde und verlässt dann das Lokal diskret, indem er einen Aktenkoffer mit sehr viel Geld zurücklässt. Bis hierher ist die Anlage des Filmes wirklich spannend: Werden die drei Freunde der Versuchung widerstehen? Das Geld behalten, es zurückgeben? Und warum hat dieser unheimliche Fremde sie eingeladen? Es ist klar, dass dieser Koffer Zwietracht bringen wird, die drei Freunde auseinander reissen. Nach vier Tagen kommt dann der Teufel zurück, zusammen mit einer Frau, der man auch sofort ansieht, dass sie zur Gattung der Dämonen gehört. Aber eben subtil, nicht plump, das ist gut gemacht. Der Teufel nun ist nicht böse, dass bereits ein Teil des Geldes weg ist, bedankt sich im Gegenteil bei den Dreien und lädt sie ein, mit ihm zusammen zu arbeiten, er habe da sehr lukrative Geschäfte. Die drei zögern jedoch, das ganze kommt ihnen unheimlich vor. Weiter geht der Film mit einer abstrusen Party, Sexspiele, die immer noch nicht verschmerzte Ex-Freundin des einen taucht mit einem anderen Mann auf, die Geschichte entgleitet mir immer mehr, wird irgendwie auch unheimlicher, zwei der Freunde fliehen von der Party, weil sie etwas spüren, einer bleibt dort, immer weniger ist klar, wer zu den Dämonen gehört und wer Opfer ist, die Situation und auch der Film werden chaotisch. Bilder vom Teufel, der neben dem Zurückgebliebenen aus trüb sumpfigem Wasser auftaucht und ihn dann brutal zusammenschlägt. Derselbe Mann abwechselnd im Gegenschnitt in einer Kirche, vor einem Prediger am Boden liegend, sich in Krämpfen und schäumend windend, es muss sich um eine Teufelsaustreibung handeln. Schliesslich ein Autounfall (das war doch am Anfang, die Zeitungsausschnitte), einer der Freunde stirbt, ein zweiter muss bereits gestorben sein, das ist mir entgangen, und schliesslich sehen wir den dritten zusammen mit den zwei, in persilweiss strahlende Roben gekleideten Verstorbenen, es ist klar, dass sie nun Engel sind, die ihrem Freund erklären, er sei noch nicht im Jenseits, aber er müsse jetzt kämpfen, zu Gott halten, sich vom Teufel losreissen. Der Film endet schliesslich mit einem passenden Bibelspruch, Schluss. – Ein undenkbarer Film bei uns, denn das ganze ist ernst gemeint. Mindestens bemerke ich, dass das afrikanische Publikum äusserst betroffen sitzen bleibt. Ich selber habe eher ein müdes Lächeln auf dem Gesicht, was soll das, und dann diese oberkitschigen Schlussbilder und die Moral. Der Anfang des Filmes hätte Besseres verdient und hat auch Besseres erwarten lassen.

Heute Abend wird mein Film gezeigt. Ich habe viel Werbung gemacht unter der lokalen Bevölkerung, Flyers verteilt, denn ich möchte, dass möglichst viele Einheimischen kommen, ein Publikum, das sehr schwer ins Kino zu locken ist. Ob sie mit meinem Film etwas anfangen können?

15. Juli 2008


Wenn ich alte Texte von mir durchlese, so stelle ich fest, dass ich mehrmals in meinem Leben dieselben Erkenntnisse gehabt habe. Eigentlich bedenklich, die Entwicklung ist also nicht riesig. Und merkwürdigerweise hatte ich doch jedes Mal das Gefühl, etwas zum ersten Mal gedacht oder begriffen zu haben.
Etwa meine Stimmungen - obwohl dies vielleicht doch eher ein Problem des höheren, beziehungsweise wechselnden Alters ist, wird mindestens gesagt. Meine Stimmungen also, die stimmen nicht immer und sind vor allem extrem unberechenbar, das kippt und kentert und richtet sich wieder auf. Ein Schiff ohne Steuermann, nicht einmal ein Ruder hat das. Die Stimmungswechsel überfallen mich einfach, ohne Ankündigung, ohne, oder kaum durch äussere Einflüsse gerechtfertigt.
So die letzten Tage. Zu Beginn des Festivals die Euphorie. Endlich wieder etwas Kulturelles, endlich wieder ein Programm im Tag. Träume ich in der Schweiz oft genug davon, in den Tag hinein leben zu können, so stelle ich hier fest, dass gänzlich ohne Verpflichtungen zu sein eigentlich viel schwieriger ist. Mindestens auf die Dauer. So löst wohl mein durchgeplanter Festivalbesuch in meinem Körper unheimlich viel Adrenalin aus, ich bin gänzlich aufgepuscht, schlafe kaum. Und dann nach drei Tagen ebenso erschöpft, die Stimmung kippt von einer Minute auf die andere und ich werde die Launen zwischen Unlust, Depression und Unzufriedenheit während zweier Tagen nicht mehr los. Reisse einen Streit vom Zaun mit Ali – über Religion natürlich, das bietet sich so wunderbar an - und muss zugeben, dass dies völlig ungerechtfertigt und ungerecht war. Und sicherlich für Ali auch gänzlich unverständlich, vorher war ich ja gerade noch so gut drauf. Der Job, mein Partner zu sein, ist gewiss kein einfacher.
Heute beim Aufwachen noch eine schlechte Laune, aber dann ein brüsker Wechsel. Obwohl unzufrieden mit der Skizze, die ich am frühen Morgen vom Lukmaan gemacht habe - ich mag keine Zuschauer und später am Tag ist die Sicht auf das Restaurant sowieso von parkierten Autos zugebaut - diese Skizze also befriedigt mich nicht. Meist trägt dies nicht gerade zur Hebung meiner Stimmung bei. Doch heute ist es anders, ich wandere durch die erwachende Stadt zum Strand, treffe dort auf Mody und gemeinsam trinken wir einen Kaffee.
Vielleicht hilft auch die Tatsache, dass ich hier in der Stadt schon fast eine Berühmtheit geworden bin, ich werde von vielen Leuten begrüsst. Nachdem ich dem „Superpower“ ein paar Flyers zum Verteilen gegeben habe, Werbung für meinen Film, weiss nun bereits die halbe Stadt davon und die Zahl der Grüssenden, bei denen ich mich erinnere woher ich sie kennen sollte, wird immer kleiner. Dies ist der Effekt einer kleinen Stadt. Man fällt leicht auf. Viele Einheimische sprechen mich darauf an, dass ich frühmorgens am Strand joggen gehe, selbst der Kehrichtmann, ein ausgesprochen hässlicher aber liebenswürdiger Mensch, will mich dort gesehen haben. Auch meine neusten Abenteuer als Motorradfahrerin werden genau beobachtet und kommentiert. In einer kleinen Stadt ist auch vieles einfacher. Gerade für uns „Mzungus“, uns Weisse. Recht schnell gilt man hier als Fachfrau, als Autorität. Bereits Studenten kriegen Jobs angeboten, von denen sie in Europa nur träumen könnten, denn gut qualifizierte Leute sind rar. Der Schnitt der geleisteten Arbeiten deshalb auch weniger gut, man misst mit den hiesigen Ellen. Und wer in Entwicklungsprojekten arbeitet, der tut dies meist freiwillig oder für wenig Geld und wenn man nicht bezahlt, dann kann man auch nicht gross fordern.

Heute habe ich drei Filme gesehen, bei denen ich hinausgelaufen bin, das Niveau ist also wechselhaft. Zwei Filme kamen aus der „Nolywood Production“, der boomenden nigerianischen Filmindustrie. Technisch nicht auf der Höhe, die Bildausschnitte zum Teil ganz gut, viel Musik und laut, das scheint zu gefallen, aber das schlimmste sind eigentlich die Storys. Ich frage mich, in welcher Art hier Drehbücher geschrieben werden, das haut einfach nicht, man kann der Handlung nicht folgen. Spannung schon, bei den Thrillern arbeiten sie ganz gut mit Bild und Ton, auch sind die Filme nicht allzu blutdürstig, ich muss kaum wegschauen, häufig zu düster oder unscharf, die Schiessereien wirken eher wie ein Spiel.

13. Juli 2008



Vor zwei Tagen hat das Filmfestival hier begonnen und nun komme ich definitiv nicht mehr zum Schreiben, Alltägliches, Gesten, Stimmungen und Worte zu beobachten, aufzunehmen und einem Fotoapparat gleich festzuhalten. Momentaufnahmen, die in den Gehirnwindungen eingebrannt bleiben, Bilder, die darauf warten, sich in Worte – oder auch wieder Bilder, umgesetzte Bilder, gemalte, zu verwandeln. Diese Musse fehlt mir gleich doppelt. Einerseits fehlt die Zeit zu verarbeiten, andererseits scheint mit der fehlenden Gelassenheit bereits die Gabe des Beobachtens nicht mehr in gleichem Masse vorhanden zu sein, zu viele Eindrücke stürzen auf das Gehirn ein, das ja – wie uns Gehirnspezialisten lehren - sowieso nur einen kleinen Teil des Wahrgenommenen auswerten kann. Und im allgemeinen selektiv den richtigen, den wichtigen Teil auszuwerten scheint und den Rest in den tiefen Taschen des Unterbewusstens ablegt. Meistens wohl auf Nimmerwiedersehen. Gedankenballast, der nicht abgeworfen werden kann. - Oder vielleicht doch das verborgene Fundament unseres Seins? Auch bei Häusern bleibt das Fundament verborgen und ist trotzdem der Teil, ohne den jegliches Bauen in die Höhe unmöglich wäre.

Das Festival wurde mit einer Feier am Freitag Abend eröffnet. Traditioneller Tanz, dann eine Männergruppe mit modernem Pop aus den Komoren, nicht ganz mein Geschmack, und vier Luftballons mit Kerzen im Lastenkorb entschweben poethisch Richtung Meer. Pathetisch wird schliesslich das symbolische Segel gehisst, denn das ganze nennt sich ja „Festival of the Dhow Countries“, was die Länder Ostafrikas, der Arabischen Welt bis hinüber nach Indien und Pakistan einschliesst. Die Handelspartner aus alten Zeiten, als das Dahu, das traditionelle Segelschiff, das wichtigste Transportmittel war. Als Ehrengast ist die Ministerin für Tourismus und Gewerbe eingeladen. Ihre Rede fällt entsprechend nüchtern aus, die Betonung liegt auf dem wirtschaftlichen Gewinn, den solch eine Veranstaltung Sansibar bringe. - Ich hätte mir eigentlich eher eine Kulturministerin an dieser Stelle gewünscht.

Der Eröffnungsfilm war ein Spielfilm über das Schicksal der Kindersoldaten in Sierra Leone. Ein erschüttender Film, von „Arte“ finanziert, doch mit guten Bildern gedreht. Zwar kamen zwangsläufig Grausamkeiten vor, doch die Kamera blieb nie darauf stecken. Das meiste spielte sich in der Nacht bei spärlicher Beleuchtung ab, die Handlung wurde mehr durch Stimmen und Schreie übermittelt als durch Sichtbares, jedermann konnte sich so die Bilder ausmalen, die für ihn noch erträglich. Erstaunlich gut waren auch die Schauspieler, das ist bei afrikanischen Spielfilmen sonst oft ein Schwachpunkt. Häufig wird für meinen Geschmack stark überspielt. Theaterstil von anno dazumal, das wirkt bei Nahaufnahmen mit der Kamera oft etwas lächerlich – mindestens jedoch unglaubwürdig. Nicht ganz befriedigend war die Story, der konnte man in den Details kaum folgen. Viel zu viele Vor- und Rückblenden, das Kriegstribunal, das versucht Dunkel in die Geschehnisse zu bringen, dann wieder Erlebnisse, die sich im Leben des kleinen Jungen abspielten, Familie, Freunde und schliesslich auch noch die Kämpferin, die zur Frau des jungen Hauptdarstellers wird und, bereits schwanger, in einem Kampf umkommt. Diese Friedenstribunale - das Thema kam heute auch in einem Dokumentarfilm über die Bewältigung des Mordens in Ruanda vor – verunsichern mich etwas. Ob dies eine sinnvolle Lösung ist? Zu schlimm scheint mir für viele Beteiligten das Vergangene, sich wieder an die Grausamkeiten zurück zu erinnern verweigern sie, mindestens innerlich, man spürt das sehr gut. Viele behaupten, sich nicht mehr erinnern zu können, Mörder nicht gekannt zu haben – obwohl erwiesen ist, dass sie mit denen befreundet oder gar verwandt waren. Ich bin da eigentlich für das Vergessen. Aber das geht wohl auch nicht, da nicht alle Leute einfach vergessen können und ihre Rachegedanken ablegen. Wie dem auch sei, irgendwie scheint mir das chaotische der Handlung des Filmes „Ezra“, des Kindersoldaten, irgendwodurch gar nicht so schlecht zu passen zu der seelischen Verfassung der Leute, die solche Extremsituationen durchlebt haben.

Gestern dann im „House of Wonders“ ein Film über die Kaste der „Dalits“, der Unberührbaren in Indien. Erschreckend, wie stark dieses für mich absolut unmenschliche Kastendenken dort immer noch verankert scheint. Ein guter Dokumentarfilm, der die Klassentrennung innerhalb der verschiedenen Religionen in Indien untersucht. Das Kastendenken kommt offensichtlich aus dem Hinduismus, der das auch rechtfertigt, schliesslich ist jedermann für sein Karma selber verantwortlich, nur gute Leute, werden in einem höheren Zustand wiedergeboren. Folglich kann man so rechtfertigen, dass die Dalits ihr Los verdienen, da sie eben in den früheren Leben zu wenig an sich gearbeitet haben. Erschreckend auch, wie diese Diskriminierten selber ihr Los akzeptieren. Akzeptieren, dass bereits ihre Kinder auf ihre gesellschaftliche Rolle vorbereitet werden, vom Lehrer in die hinterste Ecke des Klassenzimmers verbannt und dort übersehen, dafür aber im Turnus das Schulgelände und die Toiletten reinigen müssen. Damit sie sich bereits von Anfang an ihrer Bestimmung bewusst werden. Und die Bilder, wo ein Angehöriger dieser niedrigsten Bevölkerungsgruppe seine Schuhe auszieht als er durch das Quartier einer höheren Kaste marschiert, oder wie einer im Restaurant sein Glas, ein Glas aus dem nur die unterste Kaste trinken kann, denn die macht das unrein, zuletzt noch selber spülen muss, denn der höher platzierte Restaurantbesitzer will sich nicht verschmutzen. Oder die Kinder höherer Kasten, die erzählen, dass sie sich zu Hause sofort waschen müssen, wenn sie versehentlich ein Kind der niedrigsten Kaste berührt haben - all dies empört mich zutiefst. Und der fette Brahmane mit nacktem behaartem Oberkörper, der uns erklärt, dies alles sei gottgewollt, schon immer so gewesen. Wenn man als Pfau geboren worden sei, dann bleibe man ein Pfau, wenn als Ratte, bleibe man Ratte, weshalb also wir Westler nicht begreifen wollten, dass man an diesem Schicksal nichts ändern könne? Das sei so vorbestimmt, wir sollten uns gefälligst nicht in ihre Kultur einmischen. - Ganz offensichtlich eine Religion, die von der herrschenden Klasse gemacht wurde. Das Merkwürdigste am ganzen: Dieses in den religiösen Schriften der Hindus gerechtfertigte vererbte Klassensystem wurde von den Angehörigen anderer Religionen einfach übernommen. Sowohl von Buddhisten, wie Christen und Muslimen. Obwohl mindestens Christentum und Islam - den Buddhismus kenne ich zu wenig - doch Gleichheit predigen und in ihren Schriften und Ursprüngen eigentlich für ihr damaliges Umfeld extrem sozial waren, gar als Revolutionäre verschrien. Doch in Indien benutzen die Christen unterschiedlicher Kasten auch unterschiedliche Kirchen und die Muslime, die glaubten, durch einen Religionswechsel dem Kastensystem entfliehen zu können dürfen zwar im allgemeinen in derselben Moschee beten, die Friedhöfe hingegen und das ganze übrige Leben sind auch hier strickt nach Kasten getrennt.

Gestern Abend ein Spielfilm von einem Tansanier, der in Amerika lebt. Eine Komödie über einen Rückkehrer aus Amerika der Mühe hat, sich in Dar es Salaam, „Bongoland“ im Slang, wieder zurechtzufinden. Recht gut gemacht finde ich, die Hauptfigur, ein Manager, kämpft mit der Arbeitsmoral seiner Landsgenossen. Auch mit dem Familienclan, all den Leuten, die um Geld bitten. Etwas überspitzt alles, sicherlich, doch trotzdem nicht unrealistisch.
Heute Morgen dann ein amerikanischer Film über den Aga Kahn. Teuer produziert, Stil CNN-Dokumentarfilm, für meinen Geschmack schlecht gemacht. Im Filmischen, aber auch in der Information. Ich weiss jetzt nicht mehr als vorher über diesen in Sansibar sehr wichtigen, aber auch umstrittenen Mann, er verschenkt und investiert hier viel Geld. Eher ein Propagandafilm für die Ismaeliten, eine Rechtfertigung des Islam nach den Ereignissen des 11.Septembers.
Anschliessend ein Film über die Präsidentin von Liberia. „The Iron Ladies from Liberia“ begleitet die Präsidentin in ihrer ersten Regierungszeit. Ein schönes Portrait einer Frau, die ich bewundere. Ein Land, das 40 Jahre im Bürgerkrieg stand, zu leiten ist keine Aufgabe, die ich übernehmen möchte. Ellen Johnson-Sirleaf umgibt sich mit viel weiblichem Personal, selbst die rabiate Polizeipräsidentin ist eine Frau.

Insgesamt denke ich, dass das Filmfestival wohl ähnlich wie Fribourg in der Schweiz, vor allem Filme zeigt die bewegen, politisch wachrütteln. Häufig sind die Themen derartig stark, dass man daneben ganz vergisst, gross über die Machart der Filme nachzudenken, das Künstlerische tritt ganz natürlich in den Hintergrund. Klar will ich möglichst viele Filme aus Tansania sehen, schliesslich interessiert mich mein Gastland. Daneben sind es aber vor allem die Themen, die mich dazu veranlassen, einen Film anschauen zu gehen, denn schliesslich sind mir eigentlich alle Filmemacher hier unbekannt, nach Regisseuren also wähle ich nicht.

Sonntag, 6. Juli 2008

1. Juli 2008


Einkaufstour, oder der Ausflug nach Dar es Salaam.
Die zweistündige Fahrt mit dem Schnellboot ist heute Morgen nicht sehr gemütlich. Sobald wir etwas vom Ufer entfernt sind, werden die Wellen heftiger, das Schiff schaukelt, die Stewards, so kann man sie nennen, denn die Innenausstattung der Schnellboote ist Flugzeugen nachempfunden, verteilen Plastiktüten extra stark, zur Aufnahme von allfällig ausgeworfenen Speisen. Inzwischen liegen bereits überall in den Gängen und sonst an freien Plätzen Frauen und Kinder flach am Boden, den Schleier oder sonst ein Tuch über den Kopf gezogen. Das scheint hier die Methode gegen Seekrankheit zu sein - vielleicht überhaupt gegen jegliches Übel. Erstarren, Augen zu und am besten noch ein Tuch darüber. Der Rest der Fahrgäste döst in seinen Sesseln vor sich hin, ich staune immer wieder, wie Afrikaner überall und jederzeit und ungeniert dieser Untätigkeit frönen können, der Actionfilm findet heute nur wenig Beachtung. Ich bestelle einen Milchtee und versuche an den Bildschirmen vorbei zu gucken, der Film ist brutal, Kämpfe, Schiessereien und noch üblere Tötungsmanöver, Blut in Mengen, das bringt auch meinen Magen durcheinander. Erst als ich hinausgehe auf das winzige Aussendeck im Heck des Schiffes, fühle ich mich besser. Hier hat eine afrikanische Familie ihre Strohmatte ausgelegt, alle lagern am Boden, doch es hat noch Stehplätze frei. Als das Fährschiff ein paar besonders heftige Luftsprünge macht, kommt eine Mutter heraus mit einem aus Panik wie am Spiess schreienden Knaben. Der Junge wird zu Boden gedrückt, die Mutter legt sich daneben und hält das Kind fest und irgendeinmal hört es dann auf zu schreien, erschöpft wohl, oder an den mütterlichen Leib geschmiegt beruhigt. Später werde ich von einem Mann in Swahili angesprochen, Rasta-Typ von höherem Jahrgang, ein paar Zähne fehlen bereits, und kriege ein Kompliment für meine aus hiesigen Stoffen gefertigten Kleider. Schliesslich stellen wir fest, dass auch er einmal in der Schweiz gelebt hat, in Herzogenbuchsee gar, nicht weit von Bern. Und nun seit 9 Jahren mit seiner schweizer Frau, einer Krankenschwester namens An, an der Ostküste, in Bweju ein Ferienressort betreibt. Die sei schon gänzlich eine Sansibari, meint er, mehr als zwei Wochen pro Jahr mache man nicht mehr Ferien in der Schweiz. Das Besondere an der Geschichte: Kürzlich wurde ich auf dem Markt von einem sehr gut Swahili sprechenden Weissen in Englisch angesprochen. Ich müsse hier wohnen, er habe mich schon häufig angetroffen. Woher denn? Er aus Deutschland. Es gebe eine andere Schweizerin auf der Insel, die An von Bweju, eine sehr sympathische Frau, mit ihrem Paradise Ressort, ob ich die kenne? - Merkwürdig die Zufälle manchmal. Ich tausche mit dem Mann dieser An Adressen aus und verspreche, sie dort einmal zu besuchen. Könnte ja auch ein Geheimtipp sein für zukünftige Gäste hier, die etwas Strandluft brauchen.

In Dar es Salaam ist es hektisch wie immer und ich finde, der Ali werde hier genauso wie ich angequatscht wie ein „Mchamba“, ein Mann vom Land eben, ein Landei, das man hereinlegen kann. Wie immer ist unser Ausflug schlecht organisiert oder besser gesagt afrikanisch. Ich habe es nicht geschafft in den zwei Tagen die genaue Adresse des Ladens herauszufinden, der hier Malmaterial verkauft. Einen Namen kriege ich dann glücklicherweise noch per SMS zugeschickt. Telefonbücher gebe es hier nicht meint Ali und wir gehen ins Nyumba ya sanaa, ins Künstlerhaus, ein Tipp vom Zak, doch wenig Aufsehen erregendes, eher für Touristen gemacht scheint mir, trotzdem ein Einblick in die hiesige Malerei, und fragen einen Künstler nach diesem Laden. Der weiss das zwar auch nicht, kennt aber einen anderen Künstler, der das weiss und bringt uns so breitwillig erst zu diesem. Bereits sind wir gut eine halbe Stunde durch die Stadt gelaufen, es ist heiss jetzt, Mittag, als wir den zweiten Künstler antreffen und zu viert nun weiterwandern auf unserer Pilgerreise. Ali verzweifelt schon fast, beziehungsweise bezweifeln wir beide jemals anzukommen, als wir vor einem Laden anhalten, Handwerkerbedarf, ich sehe rot. Doch oben steht effektiv der Geschäftsnamen, den ich habe ausfindig machen können. Und wirklich, es gibt hier Künstlerölfarben, in riesigen Tuben zwar nur, doch Windsor & Newton steht darauf, für rund 8 Franken das Stück. Das scheint mir korrekt, viel zuviel Farbe zwar für mich, doch das kann ich immer verschenken. Ob das Windsor & Newton über chinesischem Schriftzeichen stehend, echt oder nachgemacht ist, werde ich kaum jemals erfahren. Ebenso bezweifle ich die Echtheit des Kleides meiner Nachbarin auf der Rückreise - einer sehr hübschen Afrikanerin übrigens - auf dem Dolce & Gabbana riesig und mehrmals auf einem hässlich gemusterten Stoff in Rostbrauntönen geschrieben steht.
Doch vorerst betreten wir die Fähre noch nicht und gehen ins „Chef’s pride“ essen, dem Restaurant, das einem Sansibari gehört. Wie immer gut, für mich etwas zu grosse Portionen, doch die Festländer, sagt man, essen mehr, mindestens unser Tischnachbar mit seinen drei überfetteten Töchtern, er selbst von üppiger Statur, scheint dies zu erhärten. Was die vier alles auf den Tisch gestellt bekommen und verdrücken ist überwältigend. Plötzlich geht der Strom aus, ich merke dies, als ich in die fensterlose Toilette will, das weckt schlechte Erinnerungen. Auf unserem weiteren Weg durch die Stadt werden wir vom Generatorengeratter begleitet und das erste, das ich schaue, als wir bereits im Finsteren wieder im Hafen von Sansibar einlaufen, ist, ob es in den Fenstern der Häuser Licht hat. Es hat, ich bin beruhigt, war wohl nur ein kleinräumiger Stromausfall.

Auch die Rückfahrt mit dem Schnellboot war weniger angenehm als erwartet. Stürmten die Wellen heute Morgen von vorne rechts auf unser Schiff zu, so verfolgen sie uns jetzt von hinten links. Die Schaukelbewegung ist nicht dieselbe, weniger hart, es macht mir nichts aus, vielleicht bin ich auch entspannter als am frühen Morgen oder abgekämpft schlaff, mein Körper stemmt sich nicht gegen die Bewegung. Das Meer ist sehr unruhig, die Wellen gross, nicht unbedingt hoch aber chaotisch, keine geordneten Wellenzüge. Ich vermute, dass sie unter dem Schiff hindurch laufen, es überholen und anheben, aus dem Kurs drängen. Der Kapitän fährt Zickzackkurs wie ein Besoffener, das sehe ich an der hellen Spur, die das Schiff hinter sich herzieht. Am Himmel nistet sich eine Wolke in Adlerform ein, gerade unter einer schwarzen lang gestreckten Bank, unter der die Sonnenstrahlen hervorblitzen. Der Wolkenvogel begleitet uns lange auf der Fahrt, bis die Sonne im rosa Dunst eintaucht, der ganze Himmel verblasst und schliesslich grau wird. Auch jetzt werden Plastiksäcke verteilt und benutzt und auf der anderen Seite der Schönen sitzt eine Afrikanerin vom Festland mit ihren drei Söhnen, der Jüngste noch ein Baby. Ungeniert packt die Frau ihre Brust aus, der Knabe schläft daran ein und die übrigen Frauen auf dem Deck sind tief verschleiert. Nein, eigentlich sind nicht wir Touristen der Kulturschock in Afrika. Das kam bereits früher. Naturreligionen, Christentum und Islam, Natürlichkeit und Prüderie. Da traf so vieles aufeinander. - Die Mutter hält das Kleinkind, der älteste den mittleren Buben in den Armen, der geniesst es, das sieht man ihm an. Irgendeinmal hängen dann alle drei Knaben an der Mutter, dösen alle gemeinsam - was denn sonst - und die Frau kommt mir wie eine Art Urmutter vor.

29. Juni 2008


Anmerkung: Schwierig zu lesender Text. Könnte auch Versuch genannt werden.
Ein Tag, der zerfliesst. In surreales gleissendes Licht getaucht, der Himmel strahlend blau wie selten in dieser Jahreszeit, ein heftiger Wind zaubert Schaumkrönchen auf das Meer, in wunderbarsten Türkis- und Tiefblautönen, irisierend, keine Foto, kein Film, kein Bild kann dieses Leuchten wiedergeben. Der Wellenschlag, das Krächzen der Raben, der Tag erwacht langsamer als während der Woche, nur wenige Leute, es ist Sonntag, ich will alles gleichzeitig, ein Stau in meinem Gehirn, doch äusserlich bleibe ich gelassen, lasse mich treiben, in den Tag hinein. Wissend, dass mein Körper, meine Hände dem Kopf dauernd um Stunden hinterher jagen oder auf eigenen Wegen spazieren gehen - doch merkwürdigerweise stört mich das jetzt nicht, ich muss nichts oder sehr vieles, ich fühle mich etwas verladen und geniesse dieses seltsame mich Treibenlassen auf der wellenden Tagesoberfläche, dieses Nichtsynchronsein von Körper und Geist.
Beobachte beim Joggen am Strand einen jungen Vater mit seinen 5- bis 6-jährigen Kindern, ein Sohn und eine Tochter. Gemeinsam machen sie Gymnastik oder mindestens der Vater macht, dann rennen sie dem Strand entlang und schliesslich ins Wasser. An meine Kindheit erinnert mich dies. Der Sonntagmorgen war auch bei uns der Moment, wo wir stolz mit dem Vater alleine unterwegs waren. Auf der Strasse fährt ein Vespafahrer vorbei, seinen kleinen Sohn vor sich auf dem Sitz haltend. Sonntag ist in Sansibar ebenfalls der Tag der Väter. Danach die Pflanzenpflege, es gedeiht fast alles gut im Moment, doch keine Blüten, der gelbe kleine Schmetterling, der sich in unseren Innenhof verirrt, wird enttäuscht. Nur die Papayapflanze hat seit zwei Tagen einen punktförmigen Ausschlag auf den Blättern, der sich rasant ausbreitet. Ob die Pflanze wohl fühlt, dass sie mir weniger wichtig, seit ich bemerkt habe, dass es männliche und weibliche Papayapflanzen gibt? Die Chance, eine fruchtende Pflanze heranzuziehen also nur 50 Prozent ist. – Vor zwei Tagen waren wir auf der Suche nach geeigneten Pflanzen für die neuen riesigen pyramidenförmigen Töpfe, die wir für den Eingang des Lukmaans haben machen lassen. Mehr als einen Meter hoch, denn sonst überleben es die armen Pflanzen hier nicht, Velos werden an die Töpfe gestellt, Blätter, die in den Weg kommen einfach abgerissen, Abfall hineingeworfen, überhaupt scheinen die Leute hier nicht zu bemerken, dass Pflanzen etwas Lebendiges sind. Genauso wenig bemerken sie dies bei den Eseln und hier wenigstens ist es in der Schweiz etwas besser. Auf der Pflanzensuche, die Gärtnereien stellen hier oft auch Blumentöpfe her und sind entlang der grossen Ausfallstrassen zwischen den Bäumen versteckt, treffen wir auf einen liebevollen Garten mit kleinem Häuschen, eben wurde die Wäsche gemacht, sie hängt und trocknet, auch ein schattiges Regenwassersammelbecken gibt es, die Pflanzen sehen gesund und kräftig aus. Wie jeder richtige Gärtner ist mir auch der Mann hier sofort sympathisch. Er kennt die Pflanzen bei ihren Namen und weiss, ob sie Schatten oder Sonne lieben. Wir kaufen sechs purpurrotblättrige Pflanzen mit langen ovalen Blättern die nach oben streben. Nur nichts Überhängendes, denn das könnte ja wieder jemanden stören und zur Zerstörung anregen. Ich beginne die Handwäsche einzulegen und entschliesse mich darauf, nochmals zum Strand zu gehen, um endlich den Teller mit Sand, den ich für meine Kerzennotleuchten verwendet habe, als Balast, zur Stabilisierung quasi, doch leider war der nicht frei von Insekten, den Sand also will ich zurück zum Meer bringen. Dort kann ich es nicht lassen, etwas im Strandgut herum zu suchen und finde eine schön bedruckte Dose Kilimanjaro Bier. Im Garten vor dem Afrikahaus dann noch zwei Hibiskusblüten, die jemand abgerissen und achtlos weggeworfen hat. Als ich dann wieder vor unserer Haustüre stehe, stelle ich fest, dass ich keinen Hausschlüssel mehr habe. Ist er mir aus der Blusentasche gefallen, beim Bücken vielleicht, oder habe ich ihn drinnen vergessen? Nochmals suche ich den Strand und den Garten ab, das Meer ist bereits angestiegen, die Flut kommt rasch herein. Kein Schlüssel. Für hiesige Verhältnisse halb angezogen gehe ich durch die Altstadt zum Lukmaan, trinke einen Passionsfruchtsaft, frage mich, was mit der immer verschleierten jungen Weissen, die normalerweise mit einem arabisch aussehenden Mann unterwegs ist, wohl geschehen ist. Seit einer Weile treffe ich sie alleine an. Hat sie sich wegen ihrer Liebe zum Islam bekehrt? Junge Frauen scheinen da viel flexibler zu sein, laufen sehr rasch mit Schleier herum - ich getraue mich nicht zu fragen. Ali bringt mich mit dem Motorrad nach Hause, doch auch hier sind die Schlüssel nicht, müssen wohl doch vom Meer verschluckt worden sein, ich will nochmals in den Gärten suchen gehen. Und hier bereits und endgültig entgleitet mir der Tag, die Realität. Ich kann nicht mehr hinaus, denn hinein kann ich ja nicht mehr ohne Schlüssel und hier kann man eine Haustüre nicht offen stehen lassen um fünfzig Meter weiter hinter der nächsten Hausecke nach etwas suchen zu gehen. Zu riskant. Bei Nachbarn wurde des nachts die Wasserpumpe gestohlen, sie war in einem Gehäuse versteckt in der Gasse untergebracht.
Ali wiederum ist mit heissem Tee und Frühstück unterwegs ins Spital. Die Verwandte, ich habe es längstens aufgegeben genau zu verstehen in welchem Verwandtschaftsgrad, hat Aids, ist bereits krank, er hat mir schon früher von ihr erzählt. Und lebe mit Freunden, Alkoholikern wohl ebenfalls, in den Vororten. Und dass er da nicht mehr helfen wolle, jedes Mal kehre sie dorthin zurück, sobald wieder gesund. Trotzdem, und das sind sie nun eben, die afrikanischen Familien, kümmert sich die ganze Verwandtschaft um sie, sobald sie wieder mit einem Krankheitsschub im Spital liegt und Pflege braucht. Ich bin erstaunt, dass hier offensichtlich die Angehörigen auch für die Nahrung der Patienten sorgen müssen. Wie ich mir das denn so vorstelle, meint Ali, zwei Krankenschwestern für 50 Patienten? Bisher habe ich mich davor gedrückt, dieses öffentliche Spital zu betreten, doch vielleicht sollte ich das doch einmal tun.
Gestern hat ein Mann bei mir angeklopft. Mit einem plastifizierten Blatt in der Hand, einem Chequebüchlein und zwei 500 Shilling-Noten herumwedelnd. Ich stelle mich dumm, sage, ich verstehe nicht genau, was da geschrieben stehe. Watoto, für die Kinder, das habe ich schon verstanden und skuli natürlich auch, für die Koranschule frage ich? Ja für diese. Ich erwidere, das sei schon wichtig, Schule, aber gute Schule, nicht nur einfach Auswendiglernen und Autoritäten respektieren, das reiche nicht aus. Eine gute Schule lerne die Kinder selber denken, kreativ sein, das alles sage ich in Swahili, kaum in einem guten, doch meistens verstehen die Leute mich, wenn sie das wollen. Der Mann hat unverändert sein Lächeln auf dem Gesicht, die Zähne offen legend, ein verbreitetes Lächeln hier, das mir nichts sagt, keine Ahnung ob er verstanden hat, keine Ahnung, ob er mit mir einverstanden ist oder mir am liebsten das Gesicht zerkratzen würde. Ich hole 1000 Shilling und gebe sie ihm. Jetzt ist er plötzlich pressiert, will davon, ich rufe ihn zurück, die Quittung, die wolle ich - denn sonst verschwindet das Geld sowieso in seinem eigenen Sack. Auch jetzt noch, immer noch dieses starre, nichts sagende und alles verbergende Lächeln. Gleich wie Alis Bruder. Auch bei dem habe ich nie eine Ahnung, was er denkt.
Die Türe muss also zu bleiben, ich kann jetzt nicht hinaus gehen, entschliesse mich, die Kochwäsche zu machen, doch die Maschine will nicht starten und ich werde zunehmend verwirrter, man will etwas gegen mich heute, das Schicksal - doch merkwürdigerweise auch jetzt nicht schlecht gelaunt. Nach langer Zeit finde ich heraus, dass zu wenig Wasser im Tank auf dem Dach oben ist, der Druck zu gering und unsere Waschmaschine, die kluge, die startet nicht ohne genügend Wasser. Ich behebe das Problem, die Hähnen müssen dann immer auch noch entlüftet werden, zuerst derjenige im Hof, dann der in der Küche und schliesslich fliesst das Wasser auch in die Maschine hinein. Nur oben im Badezimmer, da fliesst das Wasser auch jetzt gänzlich kraftlos und ohne Druck. Obwohl der Tank doch auf dem Dach steht. Weshalb diese gut drei Meter Höhendifferenz nicht ausreichen ist mir schleierhaft. Das Dampfbügeleisen müsste entkalkt werden, finde ich danach, das ist wohl der Grund, weshalb es nicht mehr funktioniert und mache ihm einen Essigumschlag. Inzwischen weiss ich, dass da irgendwo etwas verbrannt, Ali hat das Eisen geöffnet, schwarz und geschmolzen die Kabel, das sieht nach einem Kurzschluss aus. Herumgehend, in Gedanken auch nur, das Ziel bereits vergessen auf dem Weg zum Gegenstand, sei es dem Realen oder auch nur dem Anstoss des Gedankens. Mich treiben lassen, mit Umwegen, ankommen ist jetzt nicht wichtig, der Zustand, leicht fiebrig, trotzdem ein Genuss. Eigentlich will ich ja schreiben. Aber erst noch meine Übungen machen. So denke ich bei den Gesangsübungen bereits an den Text über Gewächshäuser nach, den ich für das Gartenheft am Erarbeiten bin, bei der Gymnastik daran, was ich alles einpacken muss für den Ausflug Morgen nach Dar es Salaam, wo wir günstige und gute neue Gasbrenner zu finden hoffen für das Restaurant. Auch brauche ich Ölfarben, hier findet man wenig und dies zu teuer, auch sonst könnte man ja noch etwas für den Haushalt finden, die längstens zu ersetzende WC-Brille vielleicht und Ali will nicht alleine nach Dar es Salaam reisen. Den Pass brauche ich, meine Aufenthaltsbewilligung, die wollen das bei der Rückkehr auf die Insel immer sehen. Als ob man im Ausland gewesen wäre. Die Haare waschen im Hof, das Wasser in dem schwarzen Becken ist von der Sonne fast heiss geworden, körperwarm mindestens, angenehm. Die Wäsche hängen, zwischendurch wieder der Gedanke an die Schlüssel, es hat mich kaum jemand gesehen, niemand wird diese Schlüssel, falls nicht vom Meer verschluckt, mit mir in Verbindung bringen, denn heute Morgen, heute Sonntag waren erst ganz wenige Menschen am Strand.

Sind Körper und Kopf lange Zeit asynchron gelaufen ohne sich dabei zu belästigen, so führt dies zu einer Störung, sobald ich in den Lukmaan gehe und mit Leuten zusammen bin. Ali ist mit Mohammad dort. Und Mohammad wieder einmal gänzlich aufgekratzt und spritzend vor Energie. Der ist so, entweder aufgekratzt oder deprimiert negativ. Und erzählt sehr viel, seine Pläne, der Umbau, ich solle ihm bei der Auswahl der Pflanzen für den kleinen Innenhof helfen und stellt mir seine Nachbarin, die er von der Strasse holt und auf einen Passionsfruchtsaft einlädt, vor. Sie und ihr Projekt, einmal ein Museum in Wete, auf dem Land aufzubauen. Ich spüre, dass ich da nicht mithalten kann, all diese Informationen, wo doch bereits mein Kopf nicht mit meinem Körper zusammen und nun vollends abdriftet, sitzt noch am Tisch der Körper, und plötzlich fängt dies an zu nerven, Eindringlinge, ich hätte heute mit mir alleine zusammenbleiben sollen und kriege eine schlechte Laune.