Sonntag, 24. Mai 2009

25. April 2009


Samstag Morgen. Nur noch vier Tage bis zu meiner Abreise. Ein Regentag. Kein heftiger Regen, doch mehr oder weniger unablässig seit ich um sieben Uhr morgens davon vom Strand vertrieben wurde. Doch klagen will ich nicht, bisher gab es sehr wenig Regen, ganze zwei etwas heftigere Güsse, die liebe ich ja eigentlich, denn sie sind für uns Europäer etwas gänzlich ungewohntes. Diese Naturgewalt. – Nicht so heute, ein Schweizer Regen fast, nur dass es doch deutlich wärmer ist, obwohl ich es nun schon fast kühl finde. 32 Grad Celsius hat der Deutsche Exkonsul gemeint, hat er vor rund einer Woche noch gemessen. Wie warm war es wohl zu Beginn meines Aufenthaltes, wo es selbst die Einheimischen unerträglich heiss fanden?

Ich habe heute Morgen die Schatten auf meinem Strandbild – sie sind rein fiktiv, gesehen habe ich die so nicht, die Idee kam mir an einer Spätnachmittagsstimmung in Paje – grasgrün übermalt. Das sah ich gestern plötzlich vor meinem inneren Auge so und wollte es ausprobieren. Ein Suchen. Und zwischendurch stelle ich das Bild wieder hinter den Vorhang und vergesse es. Das kann ich hier. Das ist der Vorteil. Zuhause in Bern, kann ich nichts weglegen, wenn ich Angst habe, dass es misslingt. Und die habe ich oft, sehe erst Stunden oder Tage später, dass doch etwas daraus werden könnte. Kann aber nicht davon lassen. In der Schweiz. Doch nicht hier. - Das genaue Ostküsten Strandbild, das gibt es nicht vor meinem inneren Auge, nur Teile davon. Auch kann ich mich nicht entscheiden, ob ich reale Farben malen will – heute habe ich mich wieder dazu verleiten lassen beim Meer – oder rein fiktive. Ich bin ja ein grosser Fan von Kirchner. Farben, die für mich harmonieren - auch mal kratzen, das schon - unabhängig davon, ob die in der Natur vorkommen. Dasselbe bei der Komposition. Doch immer wieder kommt mir die Realität in die Quere und dann kämpfe ich. Ein Versuch, mich treiben lassen. Was wird wohl siegen? Auch in Bezug auf den Pinselstrich versuche ich Neues aus.

Gefühlsmässig ein wechselhafter Aufenthalt einmal mehr. Ali, der plötzlich meint, es gäbe doch noch eine Möglichkeit für uns, als Paar zusammenzuleben. Wenn wir nochmals heirateten. Ich als Christin, er Muslim. Er glaube nun, dass dies im Koran erlaubt sei, und zeigt mir die Stelle in dem Buch: Muslime könnten Christinnen oder Jüdinnen heiraten heisst es dort. Nur ist das offensichtlich lange nicht die Meinung aller Muslime. Ich zögere erst, überlege mir die Sache ein paar Tage. Und freue mich schliesslich über die veränderte Situation, Ali ist ein rechtes Stück von seinem bisherigen Standpunkt bezüglich des Glaubens abgerückt. Doch dann plötzlich wieder Ausflüchte, Verzögerungen, Ali scheint mir bedrückt, ich dränge. Die Mitteilung dann, dass sich hier kein Imam finden lasse, der solch eine Trauung vollzöge. Man bevorzuge die Lüge. Einfach sagen, man sei Muslim, man glaube an Mohammed - ich kann das nicht mehr, nachdem ich den Koran gelesen habe.
Natürlich bin ich jetzt enttäuscht, wütend auch. Tage mit Streit und den nie enden wollenden Diskussionen über Religion die darin enden, dass Ali mich schliesslich wieder als Muslimin sehen will. Diese Lösung wäre eben doch nur eine Zwischenlösung gewesen. Für Ali eine Station auf dem Weg zu dem Endzustand, der für ihn nichts anderes als der Islam sein kann. Das liegt zu tief. - Und ich habe gleichzeitig gemerkt, dass eine Wiedervereinigung mir auch Angst machen würde. Ich will und will doch nicht. Das Problem liegt auch bei mir, ich weiss es. Und war wohl immer so bei all meinen Beziehungen. Ob nicht vielleicht doch noch ein Besserer kommen wird? - Da ist Alis Naturell eben schon viel praktischer: Das Beste, das kriege man sowieso nie. Zufriedenheit sei der Schlüssel zum Glück.
Nach dem Streit dann wieder eine resignierte versöhnliche Stimmung. Ali glaubt, dass wir uns eben lieben würden, sogar verliebt seien, da könne man nichts machen. Ich stimme dem bei - was die Liebe betrifft. Doch verliebt?
Vielleicht eben doch der Duft. Mein Maiglöckchenduftbuch. Dass selbst wir Menschen, vor allem die Frauen, ihre Partner mit der Nase auswählen würden. Tiere könnten ohne Pheromone, ohne Sexuallockstoffe, gar nicht Liebe machen - ausser die höheren Affen und die Menschen, für die das nach heutigem Wissen möglich scheint. Jede Tierart strömt einen spezifischen Duft aus und nur dieser führt zur Erregung des Sexualpartners. Damit sich die Arten nicht vermischen. Interessant dabei ist, dass auch die Pflanzen duften - eine Banalität, stammen doch fast alle Wohlgerüche aus dem Pflanzenreich. Was ich damit meine ist, dass auch Pflanzen Duft „bewusst“ einsetzen und als Kommunikationsmittel benutzen. Sich gegenseitig mit Duft vor Feinden warnen. Oder gezielt mit Duft Killer anlocken, die es auf ihre Schädlinge abgesehen haben und sie davon befreien sollen. Duft hingegen scheint auf ihr Sexualverhalten keinen Einfluss zu haben - dies im Gegensatz zu den Tieren. Logisch eigentlich, ist es doch ein passives. Sie warten entweder auf den Wind oder auf tierische Bestäuber. – Vielleicht gibt es deshalb weniger Pflanzenarten und umgekehrt mehr Bastarde zwischen den Arten. Weil sie die Befruchtung nicht steuern können. Während im Tierreich offensichtlich ganz gezielt nur innerhalb ein und derselben Art Sex gemacht wird.

Während ich das kleine Kätzchen noch ein paar Mal in der Strasse getroffen habe - es scheint mich da nicht zu kennen, wirkt nervös, Ali meint, das sei normal bei Strassenkatzen, die würden nicht nur gute Erfahrungen machen - erscheint Asha nun täglich bei mir. Um die Mittagszeit, zwischen Koranunterricht und Schule steht sie unten an der Türe. Nebst Mangos mag sie auch Chapatis, überhaupt alles, was ich ihr anbiete, doch isst sie das nie hier, sondern packt die Sachen in Zeitungspapier ein und nimmt sie mit. Wem bringt sie das Essen wohl? Und: hat sie Hunger? Wie bei allen Kindern, bin ich nie so sicher, ob, was sie mir erzählt, die Wahrheit ist. Nicht genug zu essen. Doch umgekehrt weiss sie was Käse, etwas hier ziemlich exklusives, ist und schätzt den ebenfalls. Ist das Essen hier einfach besser als Zuhause? Heute sind Ali und ich gerade daran, ein sehr spätes Morgenessen einzunehmen, als Asha auftaucht. Sie setzt sich zu uns und kriegt Honigbrot. Und versteht – wie ich nachher bemerke – recht viel von unserem Gespräch, das wir in Englisch führen. Dass wir diesen Regentag mit einem Essen auswärts beenden wollen. Das „Serena Inn Hotel“ würde mich schon reizen, soll es doch die Spitzenküche der Insel haben. Und halte mich dann doch nicht dafür. Für ein Essen soviel auszugeben, wie hier eine Mittelstandsfamilie pro Monat verdient. Das scheint mir nicht richtig. Obwohl ich denselben Betrag in der Schweiz ohne grösseres Zögern ausgeben würde. – Asha zeichnet darauf ein Haus mit einem Hotelportier im Eingang und schreibt über die Zeichnung „Serena Inn Hotel“. Jeden Tag hat sie eine Zeichnung gemacht. Häuser und Menschen bevorzugt sie, wenn ich sie bitte, ein Tier zu zeichnen, bereitet das mehr Schwierigkeiten. Die schönste Zeichnung macht sie nach einem Asiatischen Modeheft, das sie mitbringt. Die Frauen in ihren auch für mich spannenden modischen Kleidern. So möchte sie auch aussehen.

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