Samstag, 28. März 2009


Sansibar, den 24. März 2009

Beim Einnachten ein Blitzgewitter über dem Meer im Südwesten, Richtung Daresalaam. Im Sekundentakt werden die Wolken, die bereits fast gänzlich mit der Finsternis verschmolzen sind, gespenstisch angeleuchtet und zeigen ihre wuchtige Form. Doch nicht einmal ein leises Grollen ist bis hierher zu hören, zu weit weg noch die Gewitterfront. Kältere Luft muss von Süden herein drängen, denn hier in den Tropen, sind Blitz und Donner sehr selten, normalerweise kreuzen sich nur Luftmassen von geringfügig unterschiedlicher Temperatur. Endlich scheint die Abkühlung zu nahen. Ein frischer Wind vom Süden und tagsüber hat es auch kurz zweimal geregnet. Für einen Schweizer ist das schwer vorstellbar, doch hier freut man sich wirklich auf den Regen, der den Staub aus der Luft und von den Pflanzen herunterwischt und wieder einmal die Strassen reinigt und – wenn auch nur für kurze Zeit jetzt noch – die Luft etwas abkühlt. Frisch gewaschen und knackig grün ist alles.

Ich skizziere heute den Sonnenuntergang in den „Africa House Gardens“ gleich um die Ecke. Die werden von den Einheimischen plötzlich „Forodhani“ genannt. Forodhani bedeutet Zoll - es war auch früher die Anlege- und Zollabgabestelle der ankommenden Schiffe - heissen eigentlich die Gärten weiter nördlich, die seit mehr als einem Jahr geschlossen sind wegen Renovation. Und damit verschwand auch das bunte Treiben mit den Essensständen aus diesen Gärten, etwas, das zwar auch Touristen erfreut hat, jedoch vor allem eine Attraktion für die Einheimischen war, die gerne hier am Abend einen Zuckerrohrsaft genossen oder eine Sansibar Pizza oder „mskaki“, gegrillte Spiesschen mit Fleisch oder Fisch. Ein Jahr lang musste nun die Bevölkerung darauf verzichten. Jetzt entschloss man sich, das ganze in den südlicheren und viel kleineren Africa House Garden zu verlegen. Als Übung für die Wiedereröffnung der neuen Gärten, heisst es, denn auch neue Verhaltensregeln wurden für die Verkäufer aufgestellt. So müssen sie unter anderem jetzt den Platz sauber zurück lassen. - Was jedoch hauptsächlich funktioniert bisher, ist die Neuerung, dass die Köche und Essensverkäufer nun weiss und sauber gekleidet sein müssen. Viele tragen sogar echte Kochmützen. Überhaupt scheinen sie diese Weisung gerne und mit grossem Stolz zu befolgen.
Nebenbei interessant ist, dass ganz offensichtlich Forodhani zum Synonym für Strassengarküchen geworden ist, so dass dies nun ganz leicht auf den neuen Ort übertragen werden kann, bzw. dieser kurzerhand umgetauft wurde.

Beim Zeichnen bemerke ich, dass ein Mann, der etwas weiter weg auf dem gleichen Mäuerchen sitzt, von einem Verkäufer von Bambusblattbildern hartnäckig bedrängt wird. Nach rund einer viertel Stunde sage ich deshalb laut: Die Leute hier seien manchmal ärgerlicher und hartnäckiger als die Moskitos. Was der Verkäufer mit einem bösen Blick in meine Richtung quittiert - er kennt mich natürlich - und der Fremde mit einem Schmunzeln beantwortet. Immerhin, wir haben Ruhe nun, das hat also gewirkt. Als ich mit dem Zeichnen fertig bin, komme ich mit dem Mann ins Gespräch. Nein, Tourist sei er nicht wirklich, er arbeite in Daresalaam auf der Libyschen Botschaft. Und wenn die Zeit es ihm erlaube, dann komme er gerne nach Sansibar hinaus um sich etwas von Stress und Lärm der Grossstadt zu erholen und für sein Masterstudium zu arbeiten. Aus Libyen sei er, meine ich. Dann seien wir Feinde, denn unsere Länder hätten ja Streit. Wir lachen beide, es ist offensichtlich, dass ich es nicht ernst meine. Trotzdem meint er, wir müssten eben verstehen, die Familie, die Ehre, das sei etwas ganz anderes in arabischen Ländern. Eine solche Beleidigung, das könne man sich einfach nicht gefallen lassen. Doch, ich verstehe das schon, meine ich, finde es aber trotzdem richtig, dass der Sohn des libyschen Regierungschefs gleich behandelt werde wie alle, da sei ich sogar stolz auf die Schweiz. Aber das Polizeiaufgebot, ganze 25 Leute, das wäre doch nicht notwendig gewesen. Ich entschuldige mich, über Details, da wisse ich wenig, da könne ich nicht mitreden. Wie auch immer, wir sprechen in einem freundschaftlichen Ton miteinander. Und er meint auch, der Zwist sei ja nun in etwa zu Ende. Was auch ich vermute, fliegt doch die Swiss wieder die direkte Route über Libyen nach Nairobi.

Ein kleines Nachspiel zu dieser Story. Ich meine beim Abschied, dass wir uns wohl im Lukmaan wieder sehen würden, denn ich stelle fest, dass er einen der Kellner zu kennen scheint. Das sei das Restaurant meines Mannes. Am nächsten Tag, als ich zum Mittagessen in den Lukamaan gehe, sitzt er auch wirklich dort. Ich begrüsse ihn und Ali, dem ich die Geschichte mit dem Libyer erzählt habe, kombiniert rasch und wirft ihm einen Blick zu. Wie auch immer der war, kaum habe ich mein Essen ausgewählt und gehe an meinen Tisch, sehe ich, dass der Libyer bezahlt und rasch verschwindet. Sein Essen hat er nur halb angerührt. Merkwürdig, dieser fluchtartige Abgang. Wahrscheinlich hat er unter meinem Mann einen Europäer erwartet und nun Angst - mindestens ein ungutes Gefühl - weil er gestern lange mit der Frau eines Muslimen gesprochen hatte. Wie schlecht kennt er doch die Afrikaner! Das Ehrgefühl der Araber, das gibt es hier nicht.

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