Mittwoch, 5. Dezember 2007

28.November 2007


Seit mehreren Tagen schneide ich an meinem Film über den Asylsuchenden, der sich entschliesst, nach Hause zurück zu kehren. Die Interviews mit Ali habe ich noch vor seiner Rückkehr in der Schweiz gemacht. Diese Tätigkeit beschäftigt mich vollkommen, ich komme kaum mehr zum Schreiben.
Momentan stehe auch ich um fünf Uhr morgens mit dem Ruf des Muezzin auf und nach Alis Gebet gehen wir gemeinsam an den Strand joggen. Erstaunlich, wie viele Leute das hier tun, der Strand ist dicht bevölkert. Auch viele Frauen sind hier, die meisten mit Schleier und traditioneller Kleidung, so ungeeignet diese auch für ihr Vorhaben ist. Doch immerhin, sie tun es und es sind nicht wenige. Viele beleibte Frauen auch, die sich in Gruppen unter der Anleitung eines Mannes mit Gymnastikübungen abmühen. Auch einige alte Männer, das Gesundheitsbewusstsein scheint doch auch hier Einzug erhalten zu haben.
Heute war ein „Mzungu“-Tag. Einkauf im europäischen Supermarkt in der Nähe des Flughafens. Das Käse-Angebot hier ist überwältigend, aus sechs verschiedenen Sorten wähle ich ein Stück Pecorino aus. Ein Pfund Neuseeländische Butter für 10 Franken ebenfalls, kleinere Mengen sind nicht erhältlich, und 600g Müslimischung für rund 14 Franken. Insgesamt geben wir in diesem Laden fast 70 Franken aus. Ein Monatsgehalt hier. - Falls also irgend jemand mich hier besuchen möchte bereits ein guter Tipp für Mitbringsel: Müslimischungen sind immer gefragt; allerdings solche ohne diese caramelisierte Zuckermasse, die mag ich nämlich nicht.
Am Abend habe ich dann einen Vertrag unterschrieben. 100 Dollar habe ich dem Zack und seinem Gefährten, Jugendlichen, die ich durch den Moritz kennen gelernt habe, ausgeliehen. Dies gemeinsam mit zwei anderen Mzungus, einer davon der DJ Jussuf, Araber mit englischem Pass, der das Musikfestival hier organisiert und an den Stränden Fullmoonparties. Vor 10 Jahren ist er in Sansibar hängen geblieben und unterdessen sehr gut etabliert. - Zu dritt haben wir also je 100 Dollar vorfinanziert, damit Zack und sein Gefährte Material für 15 Trommeln einkaufen können, die sie herstellen und dann am Festival verkaufen wollen. Eigentlich eine gute Art von Entwicklungshilfe. Hoffen wir, die Sache klappt, die Trommeln werden verkauft, die beiden machen einen Gewinn und wir drei kriegen unser Kapital zurück.

Später treffe ich im Lukmaan eine Frau aus Daresaalam. Sie arbeite für die Regierung. Ein Programm für Umwelterziehung für Schüler solle aufgezogen werden. Auf dem Festland, aber auch auf Sansibar und Pemba. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie nicht sehr viel vom Thema versteht. Die Deutsche, die Chumbwe Island auf privater Basis aufgebaut hat und jetzt Schüler in die Schönheit der Korallenwelt einführt mindestens, kennt sie nur vom hören sagen. Das Geld sei noch nicht ganz beisammen, meint sie, aber die UNESCO und andere internationale Organisationen würden bestimmt helfen. – Ich hoffe nun, dass mit diesem Geld nicht nur teure Offroader gekauft werden und den Regierungsbeamten sonst Geschenke gemacht - wie das leider sehr häufig der Fall ist – sondern wirklich auch bei Schülern und Lehrern ein Umweltbewusstsein entwickelt. Was dringend nötig ist, angesichts der nicht bewältigten und sich täglich mehrenden Abfallmasse hier.

Im Hafen unten bewundere ich das neue Fährboot „Seagull“. Das soll jetzt das grösste Schnellboot sein und für Pemba, sogar bis nach Mombassa eingesetzt werden. Obwohl es bereits heute ein Überangebot an Fährschiffen hat: Die je drei Seastars und Seabuses dümpeln häufig arbeitslos im Hafen herum, so viele Transportmöglichkeiten nach Daresalaam braucht es gar nicht. Doch für Pemba und Mombassa brauche es eben grössere Schiffe, meint Ali, da sei es gut, wenn dieses neue Boot der „Sepideh“ Konkurrenz mache. - Ist doch merkwürdig, vor drei Jahren gab es überhaupt keine regelmässige Seeverbindung nach Pemba, dann machte die uralte „Serengeti“ in einem halben Tag diesen Weg. Seit kurzem gibt es jetzt die Sepideh und nun bereits auch die Seagull. Bestimmt kommt es nun noch einem anderen Reichen in den Sinn, sich in diesem Geschäft zu versuchen. Bis es ein Überangebot hat.

Gute Zeiten jedoch für den Besitzer der drei überalterten „Azizas“. Die Autofähren waren lange Zeit fast arbeitslos. Seit nun aber wieder Arbeiten im Hafen vorgenommen werden und der normale Schiffsverkehr gestört ist, sind die drei Schiffe mit sehr geringem Seegang wieder voll ausgebucht. Mitten im Shanganiquartier, gerade neben dem neuen Restaurant des Präsidenten, dem „Livingstone“, legen sie an. Und eine Masse von Lastwagen, auch viele Personenwagen, verstopft seither die Altstadt. Der Verlad der Wagen und Güter auf diese Schiffe ist sehr abenteuerlich. Güter werden von Trägern auf dem Rücken verladen, ein Gedränge und ein Lärm - doch für Touristen ein exotischer Anblick. Auch ich muss fasziniert diesem Treiben zuschauen. Wie die Autos erst durch den tiefgründigen Sand des Strandes hinunterrasen - sie sollen ja nicht stecken bleiben - um dann die steile Rampe des Bootes empor zu klimmen. Ab und zu braucht es die Hilfe von starken Männern, um altersschwache Lastwagen in das Schiff hinauf zu stossen, trotz dröhnenden Motoren und schwärzesten Abgaswolken schaffen sie es einfach nicht mehr. Auch das Einordnen der Gefährte auf der Fähre selbst ist abenteuerlich, die Wagen müssen auf engstem Raume wenden, denn die „Azizas“ scheinen nur einen Ausgang zu haben. Doch alles klappt dann mit der Hilfe vieler anwesender und ratgebender Leute erstaunlich gut. Muss es auch, denn wegen der Gezeiten ist die Zeit des Aufenthaltes am Strand beschränkt, will man nicht riskieren, bei Ebbe auf dem Strand stecken zu bleiben und die nächste Flut abwarten zu müssen.

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