Dienstag, 31. Januar 2017

28.01.2017, Nungwi

Heute Nachmittag fahre ich mit Salum nach Nungwi. Ich will auch an der Nordküste schauen gehen, wie sich die Insel verändert hat. Der bitteren Wahrheit in die Augen sehen.

Vorab gesagt: Auch hier sind eigentlich die neuen Touristen das schlimmste. An den Stränden sind Afrikaner und Araber selten, die zieht es noch nicht ins Wasser. Extrem sichtbar sind jedoch die neuen Chartertouristen, die ungeniert selbst in der Ortschaft zwischen farbig verhüllten Frauen - auf dem Land wird das schwarze arabische Gewand selten getragen - praktisch in Bikinis promenieren. Das alte Dorf - es war schon immer etwas vom Meer zurück versetzt - hat sich erstaunlich wenig verändert. Immer noch holprige staubige Naturstrassen, hier ist es sehr trocken, doch hat es nun mehr Verkehr, die Mietwagen fahren alle bis zu den Stränden hinaus. Einzig in den letzten Häusern Richtung Meer haben sich Touristenshops angesiedelt. Ein einheimisches Restaurant in der Art vom alten Lukmaan hat noch niemand eröffnet. Salum meint, diese "all inclusive" Touristen würde das auch nicht interessieren. Wahrscheinlich hat er recht.


Obwohl der Hauptteil des Strandes immer noch etwas freakig-chaotisches hat, kleine und billige Unterkünfte, Dive Shops, Souvenirläden und Restaurants wild gemischt, hier kann man noch dem Strand entlang spazieren, obwohl man sich etwas seinen Weg zwischen den Häusern hindurch suchen muss - ganz Stown Town Stil, auch da gibt es kein geplantes Strassennetz. Kleine Sandbuchten mit wunderbar blauem und erfrischendem Wasser wechseln ab mit scharfen Korallenfelszacken, die vom Meer tief unterspült sind. Weiter südlich, gerade nach dem etwas längeren Sandstrand, dort wo früher das Dorf aufgehört hat, schliessen nun teurere Resorts auf den Felsen oben an. Die Flut kommt herein, das geht hier sehr rasch, denn das Meer fällt steil ab, schon bald gibt es dem Strand entlang kein Durchkommen mehr. Ich versuche es über die Felsen und durch die Resorts, doch anstatt dass sie hier Durchgangswege für Fussgänger offen gelassen hätten wie im alten Teil, kommen hier bald einmal Massaiwächter und schmeissen mich hinaus, selbst mich als "Mzungu". Offensichtlich werde ich rasch als Eindringling erkannt mit meinem Kanga, das ich über den Bikini geknüpft habe. Ich beklage mich lauthals, dass das noch vor 8 Jahren viel besser gewesen sei, Nungwi sei heute komplett verdorben. Überhaupt diese Massais, diese Kuhhirten aus dem Staub hier am Meer, wie lächerlich ist doch das. - Obwohl das mit dem "besser früher" nicht wirklich stimmt. Auch damals musste man sich vor der Flut hüten um nicht eingesperrt zu werden, denn die scharfen und mit Kakteen bewachsenen Felsen luden nicht wirklich dazu ein erklettert und begangen zu werden, jetzt hat es wenigstens Treppen.


Trotzdem. Schade ist es, dass man eine Planung verpasst hat. Der an und für sich prächtige Strand, an dem es ganztags genügend Wasser zum Baden hat, wäre viel attraktiver, wenn man hier dem Meer entlang flanieren könnte, von einem Restaurant zum anderen, von einer kleinen Bucht zur nächsten. Nun hat es überall Stichsträsschen ans Meer, Sackgassen, und die Gäste der Resorts bleiben in ihrem Getto, denn der Aufwand, von einem Ort zum nächsten zu gelangen ist gross.

Über die Planung. Muhammad, der Freund und Oberplaner der Regierung war gestern in Nungwi. Offensichtlich ist man wieder einmal zu spät gekommen. Hoffentlich wird man es noch gerade schaffen, den alten und schönen Dorfkern zu erhalten und den Verkehr rings herum zu leiten. Dafür, erklärt mir Salum, hat Muhammad eine neue Stadt bei Mahonda, etwa auf halbem Weg zur Stown Town geplant, einem grossen Dorf zur Zeit. Hier in fruchtbarer Gegend, nur etwa die Hälfte der Insel ist grün, die Ostseite, die Nord- und die Südspitze hingegen bestehen aus flachgründigen, wenig fruchtbaren Korallenböden.

26.01.2017, Sansibar


Vor dem "Hyatt" Hotel ruft mich Mohammed, der Freund vom Zack zu sich, wir haben uns lange nicht mehr gesehen. Immer wenn er mich sehe, dann sei er froh und dankbar, meint er. Denn damals als ich dem Zaccharias Geld gegeben habe für den Kauf von Holz für eine zu schnitzende Skulptur und diese nie erhalten habe, ja damals habe der ihm das Geld ausgeliehen, damit er seine Fahrstunden bezahlen könne. Das habe ihm enorm viel geholfen, jetzt sei er Chauffeur hier im Luxushotel, beziehungsweise angestellt, um die Autos der Gäste zu parkieren, die Leute in Empfang zu nehmen und in ihre Zimmer zu führen. Das Einkommen sei gering, aber regelmässig, es gehe ihm gut. Auch dem Zack gehe es gut, er wohne nun in Daresalaam und habe sich von seiner Drogensucht befreien können, sei dick und gemütlich geworden. Er arbeite nun als Motorrad-Taxi und ja, daneben schnitze er immer noch.
Nun weiss ich endlich, was der Zack mit dem ganzen Geld angefangen hat. Ich war damals sehr enttäuscht und dachte, er habe es in Drogen investiert. - Ja, er sei mir noch Geld schuldig, meint Mohammed nun so nebenbei. - So typisch afrikanisch eben. Einerseits obernervig, ich war damals wirklich sauer, dass die 100 Dollar einfach verschwunden sind. Andererseits aber ja auch schön, diese Art von Freundschaft

Montag, 30. Januar 2017

25.01.2017, Südostküste

Red Colobus Äffchen unterwegs im Josiany Forest

Ein Ausflug mit Moddy führt mich heute erst in die Südspitze, nach Makunduchi.  Das Gebäude, in dem wir vor Jahren auf der Bootstour um die Insel übernachtet haben, damals ein Privathaus, der Wächter hat uns die Türen geöffnet, ist nur noch eine Ruine. Daneben hat es dafür ein paar neue Häuser gegeben, das Hotel, das damals im Bau war ist fertig, zwei weitere sind in Konstruktion. Obwohl Makunduchi eine schöne Küste fehlt, baden nur im Schwimmbad möglich ist und der Blick auf das Meer nicht wie derjenige an der Ostküste smaragdgrüntürkis ist. Und in der Umgebung steht keine Kolonie von Baobabbäumen, wie das in meiner wohl falschen Erinnerung eingraviert ist.
Danach Paje, an der Ostküste. Die Katesurfer bringen eine junge Atmosphäre, ich schaue ihnen gerne zu. Doch vermute ich, dass es des Abends hier recht laut zugehen muss. Auch Paje ist enorm gewachsen, die Quartiere der Einheimischen haben sich auf die Westseite der Strasse verschoben, vom Meer entfernt, hoffentlich bleiben ein paar der alten, stattlichen Dorfhäuser aus Korallenstein erhalten.


Gegen Abend fahren wir nach Michamwi, ich habe dort für mein Video gefilmt und fand das Resort grässlich, die Badebucht jedoch erstaunlich gut, sie ist als Mangrovengebiet in den Karten eingezeichnet. Nun stehen auch hier viele Gebäude und neue sind im Bau. Moddy verfährt sich und bleibt schliesslich im Sand stecken, ewiger Pechvogel, der er ist. Zum Glück organisiert er rasch rund zehn Männer, das meiste Rastas, das ist bei den jungen Sansibaris jetzt "in". Mit vereinten Kräften wird das Auto wieder flott gemacht und schliesslich gelangen wir doch noch zum Ort, den er mir zeigen will, einer Bar, bei der ganze Doppelbetten mit Blick auf das Meer wie Schaukeln an der Decke aufgehängt sind. Wir gehören zu den ersten Gästen, oh je, denke ich, werden das Moddys Freunde hier schaffen? Als die Sonne aber tiefer sinkt kommen immer mehr Autos angefahren. Auf einen Drink in einer Bar mit Raggae Musik, hier hat man - speziell für die Ostküste - einen Blick Richtung Westen auf die Bucht von Chwaka, ideal also für den Sonnenuntergang

19.01.2017, Sansibar


Seit drei Monaten erhalte ich jedes Mal mehr einheimische Währung für den Dollar, das war bereits in Myanmar so. Der Dollar steigt also. Offensichtlich ist die Börse zufrieden mit der Wahl Trumps. Wahrscheinlich haben diese finanzstarken Kreise im Hintergrund bei den Wahlen in Amerika tüchtig mitgemischt.

Bakhresa,  einer der reichsten Männer Tanzanias, ist daran rund 20
Fahrminuten südlich der Stown Twon  und direkt gegenüber von
Daresalaam eine ganz neue Stadt für die Mittelklasse zu erstellen.
Mgeni und Moddy klagen mir beide, dass es heute sehr schwierig geworden sei Kindermädchen zu finden. Früher war das einfach, viele 15-jährige Mädchen waren froh um solche Arbeit und eine  Unterkunft. Jetzt wollen die nicht mehr Kinder hüten und gehen länger zur Schule. Sicherlich ein Fortschritt und vor allem ein Zeichen der Emanzipation der Frauen, also zu begrüssen. Allerdings bestehen noch keine öffentlichen Strukturen, die den vielen berufstätigen Frauen helfen würden ihren Alltag zu bewältigen. - Und vom Zerfall der traditionellen Sozialstrukturen in Afrika spricht es ebenfalls. Das System der Grossfamilie existiert nur noch beschränkt.

Diese Woche ist wieder einmal ein Haus in der Stown Town eingestürzt. Arbeiter waren daran, es zu renovieren, wie meistens ohne Architekt oder Ingenieur, die Statik des bereits maroden Hauses ist offensichtlich empfindlich gestört worden, drei Arbeiter sind verschüttet worden und tot. Ich versuche im Internet näheres zu erfahren, "nyumba bomoka", Sansibar - Haus das zusammengebrochen ist - die letzte Mitteilung stammt von 2015, das passiert immer wieder, der Vorfall von gestern war offensichtlich den Medien keinen Kommentar mehr wert.

16.01.2017, Sansibar

Die Flut ist am Morgen noch zu hoch, kein Jogging am Strand, auf dem Rückweg sehe ich die neue Azam Sealink 2 im Hafen ankern. Ein zweites und noch grösseres modernes Fährschiff, das auch Autos laden kann. Damit der Mittelstand aus Daresalaam, der Sansibar als Ausflugsziel entdeckt hat, mit seinem eigenen Auto die Strassen der Insel verstopfen kann.



Was neu ist und was wir uns vor 10 Jahren kaum vorstellen konnten: Wochenendtouristen von Daresalaam, Touristen aus Kenia, Burundi, Uganda, Ruanda und Südafrika. Häufig sieht man nun Schwarze, die Englisch zusammen sprechen, weil das die Sprache ist, die alle verstehen. Und wir haben immer noch im Kopf, dass Touristen Weisse sind. - Zwangsläufig sind dann die neuen Touristenstrukturen nicht unbedingt das, wovon wir träumen, sondern das, was Afrikaner gerne haben...... Es gibt nun auf allen Kontinenten einen genügend grossen Mittelstand, der sich Ferien und Reisen leisten kann. Und offensichtlich auch das Bedürfnis danach hat.
Obwohl mein Elektriker hier kürzlich meinte, als Touristen kämen sie, und würden dann bleiben. Wie man das in der Schweiz auch oft das Gefühl hat. Das stimmt schon, es sind unheimlich viele Leute vom Festland hierher gezogen. Doch die Sansibaris vergessen, dass auch sie - mindestens ein grosser Teil der Inselbewohner, die Anhänger der damals gestürzten 1. gewählten Regierung - vor rund 50 Jahren aus Pemba hierher gezügelt sind und so eine Umwälzung der Gesellschaft gebracht haben. Mit den neuen Zuwanderern vom Festland wird der Pendel vielleicht wieder auf die andere Seite schlagen.

Daneben kommen mit dem immer noch nicht fertigen aber "in-Betrieb-seienden" Internationalen Flughafen von Sansibar - ein weiterer schändlicher Skandal, enorm viel Geld ist versickert, die Piste ist lang genug, das Gebäude und die Abfertigung wurden jedoch von den internationalen Behörden nicht abgenommen - neu verschiedene Charterflüge auf die Insel. Das ist einerseits demokratisch, jedermann kann fliegen, andererseits hat das eine Masse russische und ukrainische, überhaupt osteuropäische Touristen auf die Insel geschwemmt, die es nicht unbedingt gebraucht hätte.....Ungeniert laufen die halbnackt herum und sind in Dauerpartystimmung. Erst habe ich gestaunt, dass heute, wo der Islam in Europa derartig ein Thema ist, Leute so "ungspürig" sein können. Dann ist mir in den Sinn gekommen, dass die Osteuropäer eben bisher noch gar nicht so stark mit dem Problemen konfrontiert wurden. - Die Sansibaris nehmen es übrigens erstaunlich gelassen. Sarah, die Jüdin, die seit gut 10 Jahren hier lebt, meinte, dass solche Frauen in jüdisch-orthodoxen Quartieren beschimpft würden oder gar tätlich angegriffen.

13.01.2017, Sansibar

Letzte Nacht war Vollmond und heute die höchste Flut, gut 4m Unterschied zwischen Höchst- und Tiefststand. Die steilen Abhänge rings um die Fläche vor den neuen Quaimauern des "Hyatt" Hotels wurden weggeschwemmt, ein sanftes kontinuierliches Gefälle nun, der Sand ist fest und sehr angenehm zum Joggen, keine Muscheln und Scherben und Steine, alles sauber und rein im Moment. Obwohl ich spät daran bin, nach sieben Uhr morgens, hat es noch genügend Schatten, dies wenigstens ein Segen des Riesengebäudes, des unseligen neuen Hotels, am Fischerstrand scheint die Sonne bereits eine Stunde früher unbarmherzig hinein. Ruhig ist es am Strand, nur wenige Leute, als einzige Hinterlassenschaft von den Festivitäten gestern ist ein graues Kriegsschiff im Hafen übrig geblieben, der Spuk ist vorbei.


Wir sagen nichts, was wir nicht denken. Aber nicht alles, was wir denken, sagen wir. Meistens.

Muhammad meinte - draussen nervt mich die beschwörende Stimme des Freitagspredigers, was erzählt er, ich höre vor allem immer wieder "Islamu" - man hätte die vielen Prediger aus den arabischen Emiraten, die in den letzten Jahren die Imame hier ausbilden gekommen seien, nie ins Land lassen sollen, das sei ein Fehler gewesen, das habe man verpasst. Die heutigen Imame seien wieder einem konservativen Islam zugetan, die Öffnung, die er noch vor 20 Jahren in der Türkei, als er dort studiert, gespürt habe, diese Öffnung, die sei nun wieder überall in den islamischen Ländern geschlossen worden.

12.01.2017, Sansibar

Heute ist der 12.Januar, der Revolutionstag von Sansibar, beziehungsweise der Jahrestag zum Sturz der ersten gewählten Regierung 1964, dies nach weniger als einem Jahr.
Bereits gestern sah man Festbuden auf dem Gelände des Mnazi Mmoja Richtung Flughafen, des grossen offenen Feldes, das die Stown Town südwärts von den Vororten abtrennt. Die Strasse vor dem Regierungsgebäude, die seit den misslungenen Wahlen von letztem Jahr für Autos gesperrt ist, war für alle unbefugten Personen abgeriegelt.

........nur ein Wachmann am Eingang des Lukmaan - ja, das gibt es nun halt auch......
Um Punkt zwölf Uhr nachts werde ich von einer Schusssalve aus dem Schlaf gerissen, das tönt wie im Krieg, gewusst davon habe ich nichts, erahne es aber, der Beginn der Feierlichkeiten startet bereits jetzt. Die Nacht ist hell, ich stehe auf, etwas verwirrt, denn wie ein Feuerwerk bei uns tönt das nicht. Rot leuchtende Feuerkugeln verschwinden genau in dem Loch, das die tief liegenden Wolken für den beinahe Vollmond offen gelassen haben. Über den Wolken folgt eine weitere Detonation. Kein Licht in der Stadt, niemand schert sich darum, einzig ein paar Kinder beginnen in den Gassen herum zu rennen, Kinder sind hier sehr frei und oft auch spät abends ohne Aufsicht unterwegs.
Später höre ich von etwas weiter weg wieder Detonationen. Vom TeaHouse oben sehe ich ein schönes Feuerwerk, das auf dem Festgelände südlich der Altstadt abgebrannt wird. In der Umgebung bleibt es ruhig, immer noch kein Licht. Schlafen die alle so gut, oder wollen sie einfach nichts hören?

Am Morgen früh fahre ich mit dem Velo quer durch die Altstadt Richtung Festgelände. Dort läuft noch nichts, ein paar Mal höre ich Sirenen, Motorräder gefolgt von Limousinen brausen herum, auf dem Weg Richtung Altstadt begegne ich Lastwagen mit Militär, vor den Luxushotels in der Shanghanispitze stehen enorm viele teure Autos.
Definitiv, diese Regierung schert sich keinen Deut um die Bevölkerung, das Fest ist nicht für sie gedacht, einzig für die Regierenden selber, die sich mit Pomp und Luxus feiern, abgeschirmt - man versteht das nun, man hat Angst vor dem eigenen Volk - von Polizei und Militär. Für die Bevölkerung gibt es nichts zu feiern. Die CCM, die Partei, die vor gut sechzig Jahren den Sturz eingeleitet hat, ist seither Regierungspartei in Sansibar. Inzwischen korrupt und unbeliebt. Bei den letzten Wahlen vor einem Jahr war die Niederlage der Partei gegenüber der Opposition derartig offensichtlich, dass nur noch eine Annulation der Wahlen geholfen hat. Mit zweifelhafter Legitimation regiert die Partei seither weiter.

Gestern Abend habe ich mit Muhammad, dem Chefbeamten für die Entwicklungsplanung von Sansibar gesprochen. Er fühle sich etwas krank, aber zum Glück habe er ja morgen frei. Nein, er habe keine Lust an den Festivitäten teilzunehmen. Vielleicht müsse er aber doch rasch dort auftauchen.... Auch Mgeni - als Lehrerin ist sie verpflichtet an den Feierlichkeiten teilzunehmen, alle Beamten sind das - fühlt sich auch nicht gut. Ich vermute, dass es in Sansibar heute aussergewöhnlich viele Krankheitsfälle gibt

Sonntag, 29. Januar 2017

10.1.2017, Sanbsibar

Über das mangelnde systematische Denken der Leute hier.
Am Mittag versuche ich im Kiponda-Lukmaan an meinen Texten zu arbeiten. Die Hitze, die immer wieder einsetzende Wasserpumpe und der Lärm des Fernsehers stören meine Konzentration empfindlich. Seit Tagen bin ich mit mir unzufrieden, weil ich mich schlecht konzentrieren kann. Vielleicht ist unsystematisches Denken, ein träges Gehirn hier normaler als anderswo und auch durch den Ort bedingt, beziehungsweise die Umgebung, die Leute, denn solches ist ansteckend. Das Klima allein kann es nicht sein, denn Myanmar war trotz Hitze anders. Woher dieses zwar freudig und kreativ sprudelnde, aber vollkommen ungeordnete und damit leider meist auch in der Realität wirkungslos versickernde Denken herkommt, das weiss ich nicht genau. Wie Kinder kommen mir die Leute hier oft vor, kreativ, immer wieder Neues ausprobieren, aber meist fehlt die Ausdauer, diese Projekte auch auszuarbeiten. Sobald man irgendwo anstösst, lässt man es fallen und vergisst es.


Immer häufiger spüre ich, dass mir sehr vieles verschlossen bleibt. Diese Hoffnung durch Reisen andere Kulturen wirklich zu verstehen. Besser verstehen bestenfalls, denn kurzfristig taucht man doch etwas ein, verändert sich in seinem Verhalten und Denken.

Gestern traf ich Sarah, wie immer übersprudelnd vor Energie - bei dem Kaffeekonsum - und voller Optimismus. Wie sie das immer wieder schafft! Auch sie stellt Veränderungen fest in Sansibar.

8.1.2016, Sansibar

Etwas hat sich verändert in Sansibar in den letzten zehn Monaten, das habe ich rasch gespürt. Intellektuell erfassen tue ich es nur langsam. Heute Abend läuft  nur ein einziges "Jahasi",  ein Segellastschiff Richtung Daresalaam aus, keine Fischerbote mit Segeln ziehen aufs Meer, das wunderschöne geräuschlose Ballet auf dem Wasser, das langsam von der Dämmerung verschluckt wurde ist nun verschwunden. Motoren an praktisch allen Booten, das ist der Preis für den Fortschritt. Wie lange wird es dauern, bis die aufwändigen alten Holzschiffe durch Fiberglasboote ersetzt werden?
Der Strand um die Shangani-Spitze wird immer stärker zugebaut, die Terrasse des "Hyatt" Hotels, das nun an der Stelle der vergammelten "Starehe" Bar steht, ragt weit in den Sand hinaus, vor dem "Livingstone" Restaurant sind Abschrankungen im Sand verankert, kein Durchkommen mehr bei Flut, und nun ist auch noch das traditionell offene "Tembo" Hotel nachgezogen. Man kapselt sich ab, eine Grenze zwischen Touristen und Einheimischen wird aufgebaut. - Sansibar hat seine Unschuld und damit auch seinen Charme verloren. Dieses Gefühl, dass vieles für immer vorbei ist. Ganz plötzlich realisiere ich das und es tut weh.


Aus Michel Houellebecq: "Unterwerfung"
Aber Wehmut hat nichts mit ästhetischem Empfinden zu tun, sie steht noch nicht einmal im Zusammenhang mit der Erinnerung an ein Glücksgefühl; ein Ort macht einen schlichtweg deshalb wehmütig, weil man dort gelebt hat, egal, ob gut oder schlecht, die Vergangenheit ist immer schön, ebenso übrigens die Zukunft. Nur die Gegenwart schmerzt, nur sie trägt man mit sich wie einen schmerzhaften Abszess, den man zwischen zwei Unendlichkeiten stillen Glücks nicht los wird.

Am Abend treffen sich Salum und Muhammad und weitere Freunde im Lukmaan und tratschen, das wenigstens hat sich nicht verändert. Anders ist einzig, dass es offensichtlich im Moment modern ist statt Gewürztee, Minzentee zu trinken. Vielleicht hat das damit zu tun, dass der Marokkanische König das "Mashariki" Hotel von Silvano gekauft hat, über den Preis kursieren Gerüchte. Kein Boutique Hotel mehr, nun wieder Privatresidenz, ein Königspalast wie einst.

5.1.2016, Sansibar

"Yes, Mr.Trump" ist nun in roter Schrift hinten an Salums schwarzem Auto angeschrieben, in Anlehnung an das "Yes, we can" von Obama. Er und sein Auto seien im Internet bestens bekannt. Der Trump habe vollkommen recht, wenn er sage, das beste für Afrika wäre, wenn es nochmals vom Westen kolonisiert würde, denn ihre Länder selber regieren, das könnten die Schwarzen nicht. - Das stimme ja auch, meint Salum, provokativ wie immer. Und ja, er möge den Trump. Der sage wenigstens was er denke, das sei bei Politikern selten, keine Diplomatie nichts, gerade heraus. Und Angst, nein, die habe er nicht vor dem. Seit er gewählt worden sei, habe er sich in seinen Aussagen ja bereits gemässigt. Und überhaupt: Was könne der Präsident alleine ausrichten? Das habe man ja bei Obama gesehen. Von Obama ist man in Afrika allgemein enttäuscht.




Schwach bekleidete russische Touristinnen sitzen nun im neuen Lukmaan unter dem riesigen Baobab - eine "Touristenknelle", schimpft einer im Internet, chaotisch, ein anderer, und schliesslich, am Abend sei das Essen nicht mehr warm. In Tripadvisor und Facebook gibt es nun life Kommentare, nichts entgeht denen, zum Glück auch gute Bewertungen. Der Lukmaan ist nun vollständig gezügelt in den Platz unter dem Baobab, einzig den Store und das Büro haben sie noch, der Sohn der Besitzerin wollte das alte Lokal sehr rasch zurück, rechtsgültige Verträge bestanden keine.
Im neuen Lukmaan ist vieles witzig, Salum hat seine Ideen toll umgesetzt, sicherlich noch nicht alles tauglich, insbesondere für den Regen müssen noch Lösungen gefunden werden. Die Küche wird von den Angestellten gelobt, viel angenehmer sei es dort, Licht, Luft, nicht mehr diese Hitze, klein - finde ich - ist sie immer noch. Die Sache mit dem Buffet entlang der Seitengasse ist auch umgesetzt, afrikanisch halt, alle Einrichtungen bunt zusammen gestellt, vielleicht aber auch gut so, nicht allzu perfekt, das hat seinen Charme.


Aber ja, nach ein paar Tagen frage ich mich, ob mir all die riesigen Umwälzungen - nicht nur im Lukmaan, in der ganzen Stadt ist das so - nun wirklich gefallen. Fortschritt müsste man es wohl nennen und begrüssen. Die Stadt wächst wie verrückt, Muhammad der Planer meint, nun bald eine Million Einwohner, der Tourismus boome und ziehe Leute vom Festland an, selbst ihm gehe das so, plötzlich habe er das Gefühl, nur noch wenige Bewohner der Altstadt zu kennen. Wurde ich früher mit "Mama Lukmaan" oder "Bi Hawa" begrüsst, versucht man es wieder auf Englisch.- Überhaupt bin ich gerade etwas in einer melancholischen Phase, vielleicht ist Sansibar nach zwei Monaten Myanmar auch zu viel für mich, zu viele Eindrücke, ich werde alt. Dauernd verlege ich meine Sachen und muss danach suchen, das nervt und beunruhigt mich. - Wobei, so ganz einfach ist es auch nicht, sich in der doch recht grossen Wohnung zurecht zu finden. Zumal ich alleine alles ein wenig bewohne, den vielen Platz auch geniesse, mal hier schlafe, mal dort, es ist mir in der Nacht oft zu heiss. Verwöhnt von den Klimaanlagen, die es in Myanmar praktisch in allen Hotels gab, der Tourismus hat dort erst kürzlich begonnen, habe ich Mühe, in der Hitze zu schlafen und zügle deshalb immer gerade ins am besten belüftete Zimmer. Meine Sachen verstreuen sich damit über die ganzen zwei Stockwerke. - Immerhin, mit Erkältungen ist es vorbei